Frage an Jörg Kellner von Peter J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Hr. Kellner,
Finden sie es nicht schade, daß die gesamte CSU Thüringen's zusammen mit der AFD , gegen den Bau einer Gedenkstätte für die zehn getötet Opfer der NSU-Taten stimmt ?
Sehen sie einen Zusammenhang mit dem Verlust an Wählerstimmen ?
Mit freundlichen Grüßen
P. J.
Sehr geehrter Herr J.,
auch Ihnen gilt mein Dank für Ihr Interesse an der Thüringer Politik und insbesondere am NSU, denn die andauernde Auseinandersetzung hiermit schafft das notwendige Bewusstsein in der Gesellschaft, damit solche Taten nach Möglichkeit nie wieder vollbracht werden.
Es gab mehrere Gründe, warum ich den Anträgen von Linken, SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen konnte. In Länge können Sie diese im Protokoll der Plenardebatte (Plenarprotokoll 6/96) in der Thüringer Parlamentsdokumentation nachlesen.
Kurz zusammengefasst:
1. Ein Opferentschädigungsfonds könnte ein anhängiges Gerichtsverfahren eines Opfers auf Schadensersatz gegenüber dem Freistaat beenden. Ich halte ein Gerichtsurteil, dass die direkte Schuld des Landes Thüringen benennt, für notwendig. Der Gewaltenteilung wird damit Rechnung getragen.
2. Durch den Entschädigungsfonds werden „nur“ die NSU-Opfer bedacht. Es gibt in Thüringen weitere Opfer extremistischer Gewalt, auch Todesopfer durch Rechtsextremisten. Diese werden im Fonds nicht berücksichtigt. Es erfolgt eine Einteilung der Opfer anhand der Täter.
3. In Thüringen gibt es kein Todesopfer des NSU zu beklagen, daher kann ein Gedenkort nur über einen Täterbezug hergestellt werden. Doch will ich keinen Ort für die Täter, der womöglich Pilgerstätte für Neonazis wird.
Bei all diesen Punkten wäre der Bund der bessere Ansprechpartner, da die Taten sich auch über das gesamte Bundesgebiet erstreckten. Auch wird es den Opfern eher gerecht, die im gesamten Bundesgebiet zu beklagen sind. An der Aufarbeitung des NSU-Komplexes, der sowohl in mehreren Landtagen, als auch im Bund vorgenommen wurde und wird, kann man gut sehen, dass hier nicht ein Bundesland alleine in der Verantwortung steht.
Gern hätte ich mit den einbringenden Fraktionen meine Kritikpunkte besprochen. Doch weder suchten diese im Vorhinein das Gespräch, noch stimmten sie einer Ausschussüberweisung, wie sie die CDU-Fraktion gewünscht hätte, zu. Daher war für mich nur eine Ablehnung möglich.
Mit freundlichem Gruß
Jörg Kellner