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Frage von Paquita P. •

Frage an Jörg Kellner von Paquita P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kellner,

in der aktuellen Ausgabe von "Spiegel online" las ich eben, daß auch die CDU- Thüringen gegen den Bau einer Gedenkstätte für die Opfer des NSU - Terrors und gegen einen Hilfsfonds für die Hinterbliebenen gestimmt habe (http://www.spiegel.de/panorama/leute/nsu-terror-cdu-und-afd-in-thueringen-stimmen-gegen-gedenkstaette-a-1170621.html)
Es ist schon klar, daß die NSU kein originär thüringisches Problem darstellt.
Warum aber sind Sie nicht bereit, ein Zeichen zu setzen. Vor wem muß man da Zurückhaltung und Rücksichtnahme üben? Es ist sehr traurig, daß wieder einmal nicht die Opfer und ihre Angehörigen im Fokus sind. Das spricht nicht für eine Glaubwürdigkeit des "C" im Parteinamen.
Frau Merkel hat da deutlichere Zeichen gesetzt, indem sie sich für Menschen in Not einsetzte.

Mit freundlichem Gruß
P.P.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau P.,

vielen Dank für Ihr Interesse an der Thüringer Politik und insbesondere am NSU, denn die andauernde Auseinandersetzung hiermit schafft das notwendige Bewusstsein in der Gesellschaft, damit solche Taten nach Möglichkeit nie wieder vollbracht werden.
Meiner Ansicht nach ist der NSU durchaus ein originär Thüringer Problem. Daher haben wir in Folge nunmehr auch schon den zweiten Untersuchungsausschuss zum möglichen Behördenversagen in Thüringer dazu eingerichtet. Sowohl im ersten als auch im zweiten Untersuchungsausschuss war ich dabei der Obmann der CDU-Fraktion und bin daher mit der Problematik durchaus vertraut. Allein durch die Einrichtung dieser Ausschüsse bei wechselnden Mehrheiten und Regierungen hier im Land immer auch auf Antrag der CDU und immer auch mit den Stimmen der CDU haben wir gezeigt, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind. Gern können Sie dazu den Abschlussbericht des 1. Untersuchungsausschusses (Drucksache 5/8080) in der Thüringer Parlamentsdokumentation nachlesen, den wir als CDU mitgetragen haben. Dass wir als CDU und ich als Obmann uns auch ernsthaft dieser Auseinandersetzung stellen können Sie darüber hinaus im Protokoll der Plenardebatte (Plenarprotokoll 6/96) ebenfalls in der Parlamentsdokumentation nachvollziehen.
Dennoch gab es für uns Gründe, warum wir diesen Anträgen nicht zustimmen konnten. Diese möchte ich Ihnen in Kürze gern skizzieren.
Opferentschädigungsfonds:
Ein Hinterbliebener eines NSU-Opfers klagt derzeit gegen den Freistaat Thüringen zivilrechtlich auf Schadensersatz, da er im Handeln der Thüringer Behörden eine direkte Tatvoraussetzung erfüllt sieht. Die erste Sitzung des Gerichts wurde unterbrochen, als bekannt wurde, dass ein Opferentschädigungsfonds für die NSU-Opfer eingerichtet werden soll. Ich fände es angemessen, wenn ein Gericht den Nachweis erbringt, wie und in welchem Umfang Thüringer Behörden maßgeblich an den Morden Schuld tragen. Dies würde jeglichen politischen Anstrich verhindern, der entstehen könnte. Außerdem ist es der übliche Weg, den alle anderen Opfer von Gewalt und auch rechtsextremer Gewalt gehen müssen. Im Opferentschädigungsfonds für die NSU-Opfer sehe ich die Gefahr einer unterschiedlichen Behandlung der Opfer. Wer vom NSU geschädigt wurde bekommt Hilfe aus dem Fonds, Opfer anderer Extremisten, auch von Rechtsextremisten, bekommen diese Hilfe nicht. Leider gibt es auch in Thüringen weitere Opfer extremistischer Gewalt zu beklagen bis hin zu Todesopfern durch Rechtsextremisten All diese Personen und deren Angehörige werden durch diesen Fonds nicht bedient. Diese Aufteilung erachte ich für problematisch, da sie den Fokus auf die Täter lenkt!
Gedenkort:
Dies trifft auch auf den Gedenkort für die Opfer zu. Auch hier wird durch ein Gedenkort der Bezug zu den Tätern geschaffen, da die Morde alle außerhalb Thüringens geschahen. Eine Opferperspektive ist in Thüringen daher ohne Umwege kaum zu denken. Doch ein Gedenkort, der auf die Täter zurückzuführen ist, ist nicht nur nicht im Sinne der Opfer, sondern kann darüber hinaus eine Pilgerstätte für Neonazis werden. Dies gilt es unbedingt zu verhindern.
All diese Bedenken habe ich in der Plenarsitzung vorgebracht, doch darauf wurde von den Antragstellern nicht eingegangen. Auch die Handreichung von der CDU an die Koalitionsfraktionen, sich darüber im Ausschuss zu verständigen, wurde von diesen abgelehnt. Und auch vor Einreichung der Anträge wurde mit der CDU nicht das Gespräch gesucht. Dort hätte ich auf meine Bedenken hinweisen können. Dies war scheinbar nicht gewünscht. Hier müssen Sie die Abgeordneten der Koalition befragen, warum sie sich einer inhaltlichen Debatte verschlossen haben.
Dem Umfang des NSU-Komplexes betrachtend und im Hinblick auf die über das gesamte Bundesgebiet sich erstreckenden Tatorte habe ich für eine Einbindung des Bundes in solche Entscheidungen plädiert. Dieses war von den Koalitionsfraktionen nicht gewollt.

Mit freundlichem Gruß

Jörg Kellner