Frage an Jörg Behlen von Kolia O. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geheerter Herr Behlen,
Können Ihrer Meinung nach Landwirtschaftliche Betriebe ohne Subvention funktionieren bzw. wäre auch weiterhin die Versorgung der Bevölkerung zu erträglichen Kosten möglich ?
mit freundlichen Grüßen,
Kolia Ohmann
Sehr geehrter Herr Ohmann,
vielen Dank für Ihre Frage, die mich als Landwirt auch persönlich beschäftigt. Zum Verständnis der Hintergründe ein paar historische Zusammenhänge:
Die EU hat bis zum Jahr 1992 staatlich administrierte Preise für einige landwirtschaftliche Produkte vorgegeben. Bei dem Produkt Milch wurde zudem 1984 eine Quote eingeführt. Einen sehr guten Überblick dazu gibt Georg Keckl in Readers Edition: http://tinyurl.com/56s77v .
Während einige Produktbereiche wie Schweine- und Geflügelfleisch oder Gemüse relativ geringen Staatseingriffen ausgesetzt waren, setzten die Agrarminister für die wichtigsten Produkte wie Milch und Getreide garantierte staatliche Mindestpreise und einen hohen Außenschutz fest. Jährliche Demonstrationen der Bauernverbände für höhere Preise gehörten zum Alltag.
Diese hohen Preise führten zu einer enormen Mehrproduktion und zu dem berühmten "Milchsee" und "Getreideberg". Diese Politik konnte auf Dauer nicht durchgehalten werden, weshalb die EU in mehreren Stufen Garantiepreise erheblich senkte bzw. abschaffte und seitdem einen Teil der sinkenden Erlöse zunehmend produktionsneutral als "Prämie" den Landwirten gewährt.
Diese Umstellung von garantierten Preisen auf transparentere Subventionen ist für die Gesellschaft enorm vorteilhaft.
Die Landwirtschaft stellt eine Reihe multifunktionaler externer positiver Effekte der Gesellschaft zur Verfügung, die eine von der Produktionsmenge und -richtung unabhängige Förderung aus ökonomischer Sicht erlauben.
Aus diesem Grund vertritt die FDP die Auffassung, dass diese positiven Effekte über eine Kulturlandschaftsprämie vergütet werden sollten.
Dies ist gültige Beschlusslage der FDP-Bundespartei. Einen guten Einblick gibt z.B. der Antrag der FDP-Fraktion im dt. Bundestag (15/1232): http://tinyurl.com/ks7b2l
Ob die Landwirte ohne Flächenprämien die hohen Anforderungen der europäischen Nahrungsmittelindustrie sowie weltweit einzigartige Umwelt- und Bürokratieauflagen erfüllen können, ist nicht eindeutig zu beantworten.
In den klimatisch und geographisch begünstigten Regionen können dies die Landwirte wahrscheinlich, in den benachteiligten Gebieten wie dem Vogelsberg, der Rhön oder dem Lahn-Dill-Bergland wohl nicht.
Die Datensätze des Stützungsniveaus der Landwirtschaft von 1986 bis 2008 werden auf der Seite der OECD für verschiedene Länder und einzelne Produkte nachgewiesen: http://tinyurl.com/kpeaqq
Seit kurzer Zeit können die Empfänger von EU-Zahlungen auch in Deutschland recherchiert werden: http://tinyurl.com/nxdfpd. Maßgeblich für die Höhe der einzelbetrieblichen Hilfen ist die Größe des Betriebes sowie etwaige besondere ökologische Leistungen.
Ich hoffe Ihre Frage umfassend beantwortet zu haben und verleibe
mit freundlichen Grüßen
Jörg Behlen