Jochen Ott
Jochen Ott
SPD
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Frage von Johann P. •

Frage an Jochen Ott von Johann P. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Ott,

ich habe Angst!

Gestern eröffnete uns unser Ministerpräsident Herr Laschet, dass ich, als Teil des Abiturjahrgangs 2020, ab kommenden Donnerstag wieder in die Schule gehen solle. So beschloss man doch nicht nur in der Konferenz zuvor, die Schulen bis zum 04. Mai geschlossen zu halten, sondern ebenso einen gemeinsamen Weg einzuschlagen. Keiner dieser Beschlüsse findet sich in diesem frevelhaften, moralisch hochgradig fragwürdigen Alleingang wieder. Und das alles nur für vier Überprüfungen.

Fragen Sie sich nicht selbst, was da miteinander abgewogen wird, was von jedem einzelnen Schüler, aber auch von dem, ansonsten im Schulbetrieb notwendigen Personal, abverlangt wird? Die unzähligen Argumente möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht mehr aufführen, da ich felsenfest davon überzeugt bin, dass Sie und alle weiteren Funktionäre mit diesen ohnehin schon mehr als vertraut sind. Vielmehr möchte ich Klarheit darüber, warum diesen Argumenten keinerlei Beachtung geschenkt wird. Warum man den Stolz über eine nichtige "Einigung" der Kultusminister über unser Wohl, unsere Gesundheit stellt? Wir Schüler fühlen uns machtlos, hintergangen. Ein mancher sogar aufgewühlt, wütend.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass jeder Einzelne von uns in einer extremst unterschiedlichen Lage steckt. Das Kollektiv ist aufgehoben; hypothetisch müsste man gerade jetzt die Individualität, den "Einzelfall" betrachten: Sozial benachteiligte, gesundheitlich vorbelastete, psychisch labile Schüler*innen. Solidarität, wie unsere Bundeskanzlerin verkündete, sei in diesen Zeiten doch besonders wichtig. Außer in der Bildungspolitik! So scheint es zumindest.

Ich weiß, Bildung liege in der Verantwortung der Länder. Dahinter wurde sich aber mitlerweile lange genug versteckt. Ihre Stimme hat nichtsdestotrotz zweifelsohne einen Stellenwert und Einfluss. Nutzen Sie bitte diese Stimme, um das zu tun was richtig ist!

Ich weiß von Freunden, deren Eltern Hochrisikopatienten sind. Auch meine Mutter und ich gehören zu den Risikopatienten. Ich weine jeden Tag mit dem Gedanken an Schule und Abitur. Lernen konnte ich kaum, geschweige denn sinnvoll und zielgerichtet. Vielleicht merken Sie selbst, dass das Angebot, freiwillig in die Schule zu gehen, nicht mehr ganz so freiwillig ist, wenn man genauer hinschaut, anstatt wegzuschauen. Inzwischen wird die Ungleichheit damit nur noch kritischer verschärft. Wir fühlen uns betrogen.

Wir bitten Sie: Helfen Sie uns! helfen Sie mir! Jemand muss dringend die Notbremse ziehen.

Ich wünsche Ihnen viele Grüße und vor allem Gesundheit
Johann

Jochen Ott
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr P.,

vielen Dank für Ihre Anfrage und entschuldigen Sie bitte die späte Antwort. Bei Abgeordnetenwatch.de war offensichtlich eine falsche E-Mailadresse von mir hinterlegt. Dies führt natürlich dazu, dass ich Ihnen nun nach den bereits absolvierten Abiturprüfungen 2020 antworte.
Das NRW-Schulministerium zog erst diese Woche in seiner Pressemitteilung ein positives Fazit hierzu: die Prüfungen seien trotz der „äußeren Umstände“ positiv verlaufen.
Ich habe großes Verständnis für Ihre Sorgen. Aus Sicht der Oppositionsparteien verlief leider nicht alles so gut wie vom Ministerium dargestellt. Viele der Abiturientinnen und Abiturienten, der Lehrerinnen und Lehrer, der Schulleitungen, aber auch die Eltern und Familien im Hintergrund fühlten sich oft alleine gelassen. Aus ihrer Sicht wurden ihre Bedenken, Sorgen und Ängste schlichtweg nicht gehört. Informationen kamen nicht oder zu spät. Oft waren sie missverständlich oder nicht ausreichend. Das ging zumindest aus den vielen Zuschriften und E-Mails hervor, die mich und andere Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion persönlich erreichten.

Wir haben diese Hinweise und Ängste immer sehr ernst genommen. Bei allen Ausschusssitzungen, auch bei den von uns und den Grünen extra beantragten Sondersitzungen, haben wir Fragen der Schülerinnen und Schüler mit in die Berichtsrunde mit der Schulministerin eingebracht. Bei der Expertenanhörung vor Ostern haben wir auf die Anwesenheit mindestens eines Mitglieds der Landesschüler*innenvertretung bestanden. Uns war bereits Ostern klar, dass die Landesregierung die Prüfungen (später die Schulöffnungen) ohne Plan und Weitsicht durchsetzte. In unseren Anträgen haben wir immer wieder ein umfassendes Konzept gefordert. Dieses kam nie und weitere Hinweise und Anordnungen nur bruchstückweise.

Wir beobachten das Vorgehen der Landesregierung auch nach der Prüfungsphase und den Sommerferien weiterhin kritisch. Die weiteren Entwicklungen werden wir eng verfolgen und hinterfragen.

Bei weiteren Fragen und Anmerkungen können Sie gerne mein Landtagsbüro kontaktieren. Ich freue mich immer, wenn gerade junge Erwachsene mitreden und mitgestalten wollen!

Mit den besten Wünschen für Ihre Gesundheit

Jochen Ott

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