Wie stehen Sie und wie steht die CSU zum bezahlten Bildungsurlaub für Beschäftigte?
Sehr geehrter Herr S.,
die CSU-Fraktion und ich unterstützen grundsätzlich Bemühungen, die Weiterbildungsaktivitäten von Beschäftigten und Betrieben zu fördern und zu steigern. Lebenslanges Lernen ist elementare Voraussetzung, um als Individuum oder Unternehmen auf Dauer wettbewerbs- und leistungsfähig zu bleiben. Wir sehen aber keine Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zur Bildungsfreistellung. Die Einführung eines Bildungsurlaubsgesetzes in und für Bayern, welches bereits in ähnlicher Form in anderen Bundesländern existiert, würde aus unserer Sicht nicht den gewünschten Effekt bringen.
Sachgerechter als ein Bildungsfreistellungsgesetz und in vielen Wirtschaftszweigen (z. B. Metall- und Elektroindustrie, Kunststoff verarbeitende Industrie, Friseurhandwerk etc.) bereits praktizierter Ansatz sind tarifvertragliche bzw. betriebliche Regelungen zum Bildungsurlaub. Anders als bei einer pauschalen gesetzlichen Vorgabe ist hier eine Berücksichtigung der konkreten branchenspezifischen und/oder regionalen oder auch betrieblichen Gegebenheiten möglich. Auf diese Weise sind betriebsnahe und den Interessen von Beschäftigten und Arbeitgebern gleichermaßen Rechnung tragende Lösungen erzielbar.
Ein gesetzlicher Anspruch auf bezahlte Arbeitsfreistellung würde zudem eine zusätzliche Kostenbelastung für die Unternehmen und einen Eingriff in die unternehmerische bzw. tarifliche Gestaltungsfreiheit bedeuten. Dies schränkt Unternehmen unverhältnismäßig ein und behindert sie in ihrem Handeln. Weiterbildung liegt jedoch im ureigenen Interesse der Arbeitgeber, da auch sie davon profitieren.
Die Inanspruchnahme der Bildungsfreistellung in Ländern mit entsprechender gesetzlicher Regelung ist gering und teilweise sogar rückläufig. Die Statistik zeigt, dass die Weiterbildungsbeteiligung in Ländern mit gesetzlichem Anspruch auf Bildungsurlaub nicht unbedingt höher ist als in Ländern ohne ein solches Gesetz.
Ein gesetzlicher Anspruch ist also nicht zwangsläufig das geeignetste Instrument zur Erhöhung der Weiterbeteiligungsaktivitäten. Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag und ich setzen im Bereich der Weiterbildung vielmehr auf konkrete Unterstützung anstelle von gesetzlicher Regulierung. Bayern fördert mit dem Europäischen Sozialfonds und dem bayerischen Arbeitsmarktfonds Maßnahmen und Projekte, die Arbeitskräfte und Unternehmen beim stetigen Anpassungsprozess unterstützen.
Im Rahmen des „Pakts für berufliche Weiterbildung 4.0“ hat die Bayerische Staatsregierung gemeinsam mit ihren Partnern weitere Maßnahmen zur Beratung, Aktivierung und Unterstützung der Weiterbildungsinteressierten aufgelegt. So sind bayernweit zwischenzeitlich sogenannte Weiterbildungsinitiatorinnen und Weiterbildungsinitiatoren tätig.
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass unsere Ablehnung eines gesetzlich verankerten Bildungsurlaubs eine berufliche Weiterqualifizierung keineswegs verhindern soll und auch keinesfalls arbeitnehmerfeindlich ist. Sie entspringt vielmehr unserer pragmatischen Grundhaltung, die die Interessen aller Beteiligten bestmöglich und ohne neue bürokratische Regelungen in Einklang zu bringen versucht.
Mit freundlichen Grüßen
Jochen Kohler, MdL