Portrait von Joachim Spatz
Joachim Spatz
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Joachim Spatz zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Hans-Werner S. •

Frage an Joachim Spatz von Hans-Werner S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Spatz,

wie viele Bürger mache ich mir Sorgen über die von der Politik und der Bundesbank aufgespannten „Rettungsschirme“.
Trotzdem sehe ich die Notwendigkeit zur Solidarität in der EU, aber bitte mit klaren Maßnahmen zur künftigen Gegensteuerung. Entscheidend ist aus meiner Sicht, ob die richtigen Anreize gesetzt werden und die Staaten von innen heraus wieder international nachhaltig wettbewerbsfähig werden.
Hier meine Fragen:
1. Bis zu welchen maximalen Betrag ist der deutsche Staat für die o.g. Themen insgesamt im ungünstigsten Fall direkt oder indirekt (Bundesbank) im Risiko zur Leistung?
2. Sind die von Deutschland übernommenen Verpflichtungen zeitlich begrenzt, kündbar oder anderweitig von Deutschland zu stoppen?
3. Wie wird die demokratische Kontrolle bei einem eventuellen Mittelabruf gewährleistet?
4. Wie wird sichergestellt, dass die Mittel maximal nur für bestehende und zur Tilgung fällige Altschulden und nicht zur Finanzierung des laufenden Staatshaushalts bzw. für eine weitere Neuverschuldung verwendet werden?
5. Geht die Forderung an den Schuldner–Staat im Falle der Leistung nebst angemessener Verzinsung auf Deutschland über und ist gewährleistet, dass sie anderen Forderungen gegenüber vorrangig ist (z.B. den Pensionsansprüchen der Staatsbediensteten)?
6. Gibt es einen verbindlichen Tilgungsplan für die Rückzahlung durch den Hauptschuldner? Hat er ausreichende Eigenmittel für Zins und Tilgung?
7. Was passiert wenn der Tilgungsplan trotz aller Bemühungen am Ende doch nicht oder nicht vollständig einhalten wird?
8. Welche Sicherungsrechte bzw. verwertbare Vermögenswerte der Schuldnerstaaten bestehen und gehen auf Deutschland über und ist sichergestellt, dass diese ausreichend werthaltig sind?

Die Abgeordneten sollten daran gemessen werden mit welcher Ernsthaftigkeit und Sorgfalt sie in dieser Frage die Regierung überprüft und dabei die Interessen der Bevölkerung gewahrt haben.

Mit freundlichem Gruss aus WÜ-Altstadt

Portrait von Joachim Spatz
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Sanft,

herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema Euro-Rettungsschirm. Wir haben es derzeit mit Finanzierungskrisen in einigen Mitgliedstaaten der Eurozone zu tun, die enorme Ansteckungseffekte auf die anderen Volkswirtschaften entfalten. Daher haben sich die Staats- und Regierungschefs im Mai 2010 entschieden, einen Rettungsschirm aufzuspannen. Ohne diese Hilfen wäre es derzeit weder Irland, noch Portugal oder Griechenland möglich, sich mit frischem Geld zu refinanzieren. Allerdings sind die Rettungsschirme nur ein Teil der Problemlösung. Sie übernehmen eine Art Brückenfunktion, bis sich die betroffenen Staaten wieder alleine auf den Märkten bewegen können. In meinen Augen sprechen Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen den entscheidenden Punkt an: Die im Moment notleidenden Staaten können nur dann wieder auf eigenen Füßen stehen, wenn es ihnen gelingt, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Oder anders gesagt: Kurzfristig geht es bei dem Stabilisierungsmechanismus um das Vertrauen in die gesicherte Bedienung der Schulden aller Euro-Länder. Langfristig geht es um das Vertrauen darauf, dass die betroffenen Länder aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen. Die von Ihnen erwähnten Rettungsschirme sind ein dafür notwendiges Mittel zum Zweck.

Wir wollen dazu beitragen, dass die Stabilität im Euro-Währungsgebiet wiederhergestellt wird, dass künftige Verschuldungskrisen vermieden werden und dass damit die Europäische Integration gefestigt wird. Ein Auseinanderbrechen der Währungsunion darf es nicht geben. Daher setzen wir alles darann den Euro zu verteidigen, indem wir zum einen die notleidenden Staaten mit Rettungsschirmen unterstützen und zum anderen auf notwendige Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit drängen. Der Einfachheit halber orientiere ich mich im Folgenden an den von Ihnen aufgelisteten Fragen:

1. Vor dem Hintergrund eines massiven Vertrauensverlusts in die Zahlungsfähigkeit mehrerer Euro-Staaten und der damit verbundenen Gefahr eines Zusammenbruchs der Währungsunion mit unverantwortbaren sozialen und ökonomischen Folgen für Deutschland und Europa sahen sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gezwungen, im Mai 2010 einen europäischen Stabilisierungsmechanismus zu schaffen. Hierfür wurde ein Finanzmittelvolumen von bis zu 60 Milliarden Euro vorgesehen. Darüber hinaus und ergänzend zu diesen Mitteln haben sich die Mitgliedsstaaten des Euro-Währungsgebiets bereit erklärt, eine Zweckgesellschaft (EFSF) zu gründen, für die die teilnehmenden Staaten anteilig bis zu einem Volumen von 440 Milliarden Euro bürgen. Der auf Deutschland entfallende Anteil an der Bürgschafts- bzw. Garantiesumme beläuft sich, nach derzeitigem Stand, auf bis zu 123 Milliarden Euro - entsprechend dem Anteil der Bundesrepublik Deutschland am Kapital der Europäischen Zentralbank.

2. Deutschland hat sich verpflichtet, dann zu handeln, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Sowohl der EFSF als auch der derzeit auszuhandelnde ESM kommen nur dann zum Einsatz , wenn ein Euroland vom Kapitalmarkt abgeschnitten ist und die Finanzstabilität der gesamten Euro-Zone gefährdet ist („ultima ratio“). Die Finanzhilfen werden nur im Gegenzug für ein glaubwürdiges wirtschafts- und finanzpolitisches Anpassungsprogramm des Empfängerlandes vergeben. Bereits bei der Einführung des EFSF hat sich die deutsche Bundesregierung erfolgreich dafür eingesetzt, dass - wie bei regulären IWF-Programmen üblich - die Auszahlung eventueller Kredite immer nur tranchenweise erfolgt, und auch immer nur dann , wenn die vereinbarten Konditionalitäten, also die wirtschafts-, struktur- und haushaltspolitischen Auflagen, erfüllt sind. Seither prüft die EU-Kommission, gemeinsam mit IWF und EZB, vor jeder Auszahlungstranche sorgfältig, ob die vereinbarten Anpassungsprogramme vom jeweiligen Empfängerland auch eingehalten werden. Mit diesem Vorgehen soll nicht zuletzt das Ziel erreicht werden, die Rückzahlung der Kredite auch sicherzustellen.

3. Die FDP wird auch weiterhin alles in ihrer Macht stehende unternehmen, damit es auch weiterhin nicht zu einer Vergemeinschaftung von Schulden kommt. Im Gegensatz zur Opposition lehnt die FDP daher Eurobonds mit gesamtschuldnerischer Haftung oder gemeinsam finanzierte oder garantierte Schuldenrückkaufprogramme als untaugliches und gefährliches Mittel zur „Bewältigung“ der Schuldenkrise ab. Es ist keineswegs derjenige der bessere Europäer, der möglichst früh und möglichst viel Geld für gemeinschaftliche Fonds zahlt und eine Vollkaskoversicherung für alle Euro-Staaten fordert. Es muss vielmehr dafür gesorgt werden, dass die Mitglieder der Währungsunion zu Ihrer Verantwortung auch beim Schuldenmachen stehen. Aus diesen Gründen wird die FDP die Entwicklungen in Brüssel auch weiterhin wachsam begleiten und großen Wert darauf legen, dass alle haushaltswirksamen Entscheidungen nur mit Beteiligung des Bundestages getroffen werden können. Eine Aktivierung von EFSF - und dem ab 2013 etablierten ESM - wird erst dann erfolgen, wenn der Deutsche Bundestag dafür grünes Licht gegeben hat. Wir werden im Parlament beim anstehenden Gesetzgebungsverfahren darauf achten, dass das Haushalts- und Budgetrecht nicht ausgehebelt wird. Das gilt vor allem für die Frage, ob und in welcher Höhe Mittel des Rettungsschirms bereitgestellt werden dürfen. Für die FDP-Bundestagsfraktion ist und bleibt die Wahrung der Parlamentsrechte besonders wichtig. Das Recht, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, ist das Königsrecht des Parlamentes. Wir wollen daher, dass alle Entscheidungen im Zusammenhang mit EFSF und ESM, die das Haushaltsrecht des Parlamentes berühren, durch einen strikten Parlamentsvorbehalt abgesichert und damit demokratisch legitimiert werden.

4. Es wird keine Haftungsgemeinschaft etabliert. Die FDP steht zum Bailout-Verbot der Verträge. Denn ein Mitgliedstaat soll nicht für die Verbindlichkeiten anderer Staaten haften oder eintreten. Der zu schaffende Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll nicht zur Deckung von bestehenden Schulden der Mitgliedstaaten verwendet werden. Er soll lediglich Staaten, die vorübergehend Liquiditätsengpässe haben, temporäre und zurückzuzahlende Liquiditätshilfen geben können. Diese Liquiditätshilfen sollen dem hilfebedürftigen Staat - wie es auch beim jetzigen „Rettungschirm“, dem EFSF, bereits der Fall ist - als Darlehen gewährt werden.

5. Die Rückzahlungsansprüche, die der ESM an die von ihm unterstützten Staaten hat, sollen im Rang gleich nach den Rückzahlungsansprüchen des Internationalen Währungsfonds und vor allen anderen Ansprüchen stehen.

6. Hier verweise ich auf meine Antwort zu Frage 2. Erst wenn die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission von der Schuldentragfähigkeit des betroffenen Landes überzeugt ist, wird die jeweilige Tranche freigegeben. Die Expertise dieser unabhängigen Instanzen gilt für uns als Bedingung, bevor sich der Deutsche Bundestag mit der endgültigen Entscheidung über Finanzhilfen beschäftigt. Die Empfängerländer sind in der Pflicht, durch Sparmaßnahmen, Anpassungsprogramme und strenge Auflagen ihre makroökonomischen Daten zu verbessern.

7. Hier verweise ich auf meine Antwort zu Frage 5.

8. Die Schuldnerstaaten sind dazu verpflichtet, die Stabilitäts- und Wachstumskriterien einzuhalten, damit sie auch weiterhin von den Finanzhilfen profitieren zu können. Oberstes Ziel muss es daher sein, die jeweilige Staatsverschuldung zurückzuführen. Um das zu bewerkstelligen, müssen die Schuldenstaaten entweder ihre Ausgaben zurückfahren, beispielsweise durch Lohnzurückhaltung im Öffentlichen Dienst, oder ihre Einnahmen verbessern, beispielsweise über Privatisierungserlöse. Alle Maßnahmen werden von der sogenannten Troika (IWF,EZB und EU-Kommission) überwacht und in ständig fortgeschriebenen Berichten dokumentiert. Auf Grundlage dieser Berichte wird über die Vergabe weiterer Hilfen entschieden.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Spatz MdB