Frage an Joachim Spatz von Pablo M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Spatz,
die Ereignisse der letzten Jahre lassen die Vermutung aufkommen, dass unser westliches Finanzsystem nicht ausgereift ist und stetiges, nachhaltiges Wirtschaften eher verhindert denn begünstigt.
Welche Reformen halten Sie in diesem Sektor für notwendig?
Wird die schwarz-gelbe Regierung überhaupt den Mut haben, den großen Privatbanken strengere Spielregeln vorzugeben?
Wie sollte Ihrer Meinung nach der Kapitalismus gestaltet werden, um die regelmäßige Bildung von Spekulationsblasen mit darauffolgenden Finanz- und Wirtschaftskrisen einzudämmen?
Wie kann die nachgewiesene, fortschreitende Akkumulation von Kapital in die Hände einer kleinen Oberschicht, welche bereits ausreichend damit ausgestattet ist, eingeschränkt werden?
Wie stehen Sie zu Ideen, unser Finanzsystem grundlegend zu reformieren?
Mit freundlichen Grüßen
Pablo Menth
Sehr geehrter Herr Menth,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Finanzen“ vom 11. Februar 2010, die ich Ihnen gerne beantworte.
Ihrer Behauptung, dass unser Finanzsystem stetiges, nachhaltiges Wirtschaften eher verhindert denn begünstigt, kann ich mich nicht anschließen. Die vergangenen 60 Jahre unserer wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sprechen eine andere Sprache. Ich gebe Ihnen Recht, in der jüngsten Vergangenheit hat unser Finanzsystem Lücken offenbart, die es einigen wenigen schwarzen Schafen ermöglicht haben, der Gemeinschaft großen Schaden zuzufügen. Nichtsdestotrotz bin ich der Überzeugung, dass für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ein leistungsfähiges und stabiles Finanzsystem unverzichtbar ist. Nur über ein gut funktionierendes Bankensystem ist es möglich, Investoren den nachfrage- und risikogerechten Zugang zu nationalen und internationalen Finanzmitteln zu ermöglichen.
Die von Ihnen gestellte Frage nach einem etwaigen Reformbedarf unseres Finanzsystems kann ich daher nur bejahen. Allerdings verstehe ich dies nicht im Sinne einer grundlegenden Umkehr unseres Systems, gewissermaßen von einer wettbewerbsintensiven Bankenlandschaft hin zu einer verstaatlichten Version. Vielmehr sollten wir daran arbeiten, dass die Schwächen unseres grundsätzlich richtigen Ansatzes identifiziert und behoben werden. Prinzipiell gilt: Damit Finanzkrisen in Zukunft verhindert werden können, ist es unerlässlich, dass die grundlegenden Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft wie Haftung und Verantwortung wieder stärker das Handeln der Finanzmarktakteure bestimmen. Sowohl national als auch international muss ein Ordnungsrahmen gelten, der diesen Prinzipien gerecht wird, damit die Akteure auf den Finanzmärkten nicht wieder in jene Verhaltensmuster zurückfallen, wie sie vor der Krise vorherrschend waren.
Im Koalitionsvertrag haben wir als FDP gemeinsam mit CDU/CSU vereinbart, dass Deutschland auf europäischer und internationaler Ebene eine Vorreiterrolle bei der Vermeidung zukünftiger Krisen wahrnehmen wird. Die Initiativen sollen dabei derart gestaltet sein, dass auf den Finanzmärkten weder Produkte noch Akteure unbeaufsichtigt existieren bzw. agieren. Wenn Sie so wollen, werden wir den Banken mehr Pflichten auferlegen, oder, um es mit Ihren Worten auszudrücken, „strengere Spielregeln“ vorgeben. Wir brauchen, wie oben bereits erwähnt, nicht mehr, sondern bessere Regelungen für den Finanzmarkt. Nachdem der Staat bereits beträchtliche Hilfeleistungen für die Banken geleistet hat, ist es nun an der Finanzbranche Vertrauen zu schaffen. Die FDP sieht jetzt die Banken in der Pflicht, sich zu verbessern. Es kann nicht sein, dass nach all den Staatshilfen, die gegeben wurden, weiterhin nach den altbekannten Mustern gehandelt wird.
Angesprochen auf die Konzepte, wie die „regelmäßige Bildung von Spekulationsblasen mit darauffolgenden Finanz- und Wirtschaftskrisen einzudämmen“ sei, will ich Ihnen exemplarisch drei Maßnahmen in aller Kürze präsentieren: Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass alle alternativen Investmentfonds, wie z.B. Hedge Fonds, und deren Manager einem international abgestimmten Regelwerk unterworfen werden, damit eine angemessene Aufsicht und Regulierung aller systemisch wichtigen Finanzinstitute, -märkte und -instrumente sichergestellt wird. Darüber hinaus sehen wir im Bereich der Ratingagenturen Handlungsbedarf. Diese dürfen nicht gleichzeitig Finanzprodukte entwickeln, vertreiben und bewerten. Derartige Interessenskonflikte sind in Zukunft zu vermeiden, weshalb wir uns für die Entwicklung einer europäischen Ratingagentur einsetzen. Letztlich sind auch die Finanzprodukte an sich - im Sinne des Verbraucherschutzes - stärker zu kontrollieren. Konkret prüfen wir daher die Einrichtung einer unabhängigen Stiftung für Finanzprodukte nach dem Muster der Stiftung Warentest. Außerdem müssen die Beratungsqualität und die Beratungsinhalte durch gesetzliche Rahmenbedingungen verbessert werden. Der Kunde muss künftig so beraten werden, dass er über Risiken und Chancen umfassend informiert ist und die angebotenen Produkte zu seiner Lebenssituation und seinen Anlagezielen passen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Spatz MdB