Frage an Joachim Lohse von Evamaria S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Dr. Lohse,
Wie in der Vergangenheit bereits gezeigt und mehrfach in den Medien thematisiert – will die Deutsche Annington systematisch Mietobjekte zu teuren Wohnobjekten umfunktionieren. Somit macht sie dem Durchschnittsverdiener das Wohnen unmöglich und Menschen werden zum Umzug gedrängt.
Wir, das ist eine Interessengemeinschaft von MieterInnen der ehemaligen Vitus-Gruppe (früher BBG) Lübecker Str. 2b/2c, Osterdeich 63., haben uns neben rechtlichen Schritten gegen unseren Vermieter und der Deutschen Annington bereits an das lokale Fernsehen gewandt (siehe Beitrag von „buten und binnen“ vom 3. Mai 2015: Fernsehbeitrag URL: http://www.radiobremen.de/fernsehen/buten_un_binnen/video73786-popup.html
Die Stadt Bremen hat rund 9.500 Wohnungen verkauft und somit Unternehmen wie der Annington den Weg frei gemacht Häuser in teure Mietobjekte umzufunktionieren.
Die Mieterhöhungen von bis zu 30%, in EUR von bis zu 190,-EUR pro Monat (!!) nach Beendigung der Modernisierungen und Sanierungen sind bereits angekündigt. Die Erhöhungen der einzelnen Mietparteien (30,-EUR bis 190,-EUR) sind intransparent und scheinbar willkürlich.
In der Erich Klabunde Straße zeigt sich bereits die gefürchtete Entwicklung unter Federführung der Deutschen Annington: Unser Vermieter hat dort die Grundmiete bei Neuvermietung bereits um 50% von rund 6,-EUR auf 9,30EUR/qm erhöht. Diese Preise kann sich bald nur noch eine bestimmte Klientel leisten und bestimmte Zielgruppen werden systematisch vertrieben.
Auch wenn statistisch und im Durchschnitt der Mietpreis in Bremen noch bezahlbar ist, geht es doch um die offensichtliche Gentrifizierung unseres Stadtteils und den Widerwillen der hier lebenden Bürgerinnen und Bürger, ins Bremer Umland ziehen zu müssen, weil Mietpreise in hier für die Menschen zu teuer werden.
Vielen Dank für eine Antwort!
E. S.
Sehr geehrte Frau S.,
der Verkauf der beiden Wohnungsgesellschaften „Bremische“ und „Beamtenbaugesellschaft" mit insgesamt rund 11.000 Wohneinheiten (Bremische rund 7.000 und BBG rund 4.000 WE) ist bereits in den 1990er Jahren erfolgt. Die Gesellschaften sind danach mehrfach weiterverkauft worden, zuletzt an die Deutsche Annington. Auf diese Weiterverkäufe hatte die Stadt Bremen keinerlei Einfluss, auch nicht auf die Mietengestaltung.
Aufgrund Ihrer und ähnlicher Erfahrungen spreche ich mich generell entschieden gegen einen Verkauf von städtischen Wohnungsgesellschaften aus. Zum Glück hält die Stadtgemeinde Bremen wenigstens an der GEWOBA als dem größten bremischen Wohnungsunternehmen noch ca. 75 % der Aktien. Denn der GEWOBA fällt bei der Wohnungsversorgung von Menschen mit niedrigem Einkommen eine wichtige Rolle zu.
Bremen ist wieder eine wachsende Stadt, und das macht sich durch einen aktuell leider zunehmend angespannten Wohnungsmarkt bemerkbar. Angesichts steigender Mieten und Immobilienpreise sowie zunehmender Probleme der Wohnungssuchenden brauchen wir mehr – und vor allem mehr bezahlbare – Wohnungen. Mit Blick auf gesellschaftliche Trends, die demografische Entwicklung und die Struktur der Wohnungsbestände haben wir uns vorgenommen, 14.000 zusätzliche Wohnungen bis zum Jahr 2020 (im Vergleich zum Basisjahr 2009) zu schaffen. Dieses Ziel wurde im Jahr 2011 im Koalitionsvertrag festgeschrieben und bildet seitdem einen Schwerpunkt in der Arbeit des Bremer Senats – und das mit Erfolg: wir haben es geschafft, die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen im Vergleich zum Jahr 2010 zu verdoppeln. Und wir haben dafür gesorgt, dass bei jedem größeren Bauvorhaben, für das die Stadt entweder die Flächen zur Verfügung stellt oder neues Baurecht schafft, ein Anteil von 25 % sozial geförderten Wohnungen errichtet werden. Zügige Genehmigungsverfahren und ein gezieltes Angebot an Vorrangflächen für neue Baugebiete im Innenbereich der Stadt beschleunigen den Wohnungsbau. Auf diese Weise erhöhen wir das Angebot an Wohnungen gezielt gerade in den citynahen Stadtteilen mit besonders hoher Nachfrage. Damit tragen wir zu einer Entspannung des Wohnungsmarktes bei.
Pilotprojekte wie die "Marcuskaje" in der Überseestadt, die den sozialen Aspekt besonders berücksichtigen, wurden kurzfristig auf den Weg gebracht: dort entstehen insgesamt 250 Wohnungen mit einem erhöhten Anteil von sogar 60 % öffentlich geförderten Wohnungen. Diese Politik wirkt: aktuelle Gutachten zeigen, dass 75 Prozent der neu geschaffenen Wohnungen von Binnenumzüglern bezogen werden, d.h. von Menschen, die an anderer Stelle häufig preisgünstigeren Wohnraum im Bestand frei machen (die restlichen 25 Prozent sind Neubremer).
Auch für den Schutz von Bestandsmietern haben wir etwas getan: im August 2014 hat der Bremer Senat eine Rechtsverordnung erlassen, mit der die sogenannte Kappungsgrenze für Mieterhöhungen im laufenden Mietverhältnis von 20 Prozent auf 15 Prozent in drei Jahren abgesenkt wird. Diese Verordnung gilt für das gesamte Gebiet der Stadt Bremen. Für Neuvermietungen arbeiten wir gegenwärtig mit Hochdruck an der Einführung der sog. Mietpreisbremse, die dafür sorgen soll, dass diese Bestandswohnungen auch nach einem Mieterwechsel günstig bleiben.
Ob diese Ausführungen in Ihrem konkreten Fall hilfreich sind, bin ich mir zugegebenermaßen nicht sicher. Aber mir ist wichtig deutlich zu machen, dass wir die Problematik steigender Mieten erkannt haben und fest entschlossen sind, mittels Kombination einer Vielzahl von Instrumenten der drohenden bzw. fortschreitenden Gentrifizierung entgegenzuwirken. Bremen darf und soll nicht noch stärker in arme und reiche Stadtteile auseinanderbrechen, und wir müssen unbedingt verhindern, dass die langjährige Wohnbevölkerung aus ihren angestammten Quartieren verdrängt wird!
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Lohse