Frage an Joachim Lohse von Friedrich S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Dr. Lohse,
Ihr Plan der "Fahrradstraße Parkallee" (Sperrung des Radwegs und -nach etlichen Protesten- anschließender Wiederöffnung) ist - wie von allen Anwohnern vorhergesagt - fehlgeschlagen. Haben Sie daraus Lehren für sich gezogen?
Mit freundlichen Grüßen
F. S.
Guten Tag Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Für die Beantwortung lassen Sie mich zunächst erläutern, wie der Plan für die Einrichtung der Fahrradstraße Parkallee zustande gekommen ist:
Die systematische Einrichtung von Fahrradstraßen auf Hauptrouten im Radverkehrsnetz wurde generell beschlossen im „Verkehrsentwicklungsplan (VEP) Bremen 2025“, den mein Ressort unter breiter gesellschaftlicher Beteiligung verschiedener Interessengruppen in nur drei Jahren im Konsens erarbeitet hat. Die Bremische Bürgerschaft hat den VEP im September 2014 ohne Gegenstimmen beschlossen. Die Schaffung einer Premiumradroute Huchting – Innenstadt – Uni – Lilienthal wird im VEP als kurzfristig und in hoher Priorität umzusetzende Maßnahme aufgeführt.
Die Umsetzung einer solchen, politisch beschlossenen Maßnahme ist eine Verwaltungsaufgabe. An den Planungen sind die Beiräte in den jeweils betroffenen Stadtteilen zu beteiligen. Die im Rahmen der Planung ausgearbeiteten Maßnahmen müssen selbstverständlich auch den Anforderungen der Straßenverkehrsordnung, technischer Richtlinien etc. entsprechen. Die Verantwortung für die regelkonforme Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen liegt beim Amt für Straßen und Verkehr (ASV).
Konkret im Fall der Parkallee hatte nun das ASV mit dem Beirat Schwachhausen zu erörtern, in welcher Form z.B. als Fahrradstraße, als Schutzstreifen oder als breit angelegter Radweg die Premiumradroute von der Innenstadt zur Uni realisiert werden soll. Unter fünf möglichen, vom ASV vorgestellten Planungsvarianten entschied sich der Beirat Schwachhausen für die Einrichtung einer Fahrradstraße in der Parkallee. Gleichzeitig aber votierte er für die Sperrung des aufgrund der andersfarbigen Pflasterung noch erkennbaren alten Radweges; zur Begründung machte er verschiedene Sicherheitsbedenken geltend (optimal wäre es gewesen, wenn man gleichzeitig mit der Schaffung der Fahrradstraße den Gehweg hätte einheitlich pflastern können, aber dies ist momentan nicht finanzierbar).
Aus Respekt vor dem Votum des Beirates hat dann das ASV die Absperrbake aufgebaut, die breit in den Medien diskutiert wurde und zu großer öffentlicher Empörung führte. Erst dadurch wurde das Thema wieder „politisch“ und erreichte auch mich persönlich. Daraufhin haben wir die Verhältnisse vor Ort rund zwei Wochen lang beobachtet. Dabei mussten wir feststellen, dass sich die am Beginn der Parkallee errichtete Absperrbake in der Praxis nicht bewährt hat, denn sie war nicht geeignet den vom Beirat vorgetragenen Sicherheitsbedenken zu begegnen. Vor allem aber stellte die Bake aufgrund ihrer Lage kurz vor der Schule Am Barkhof mit ihrer Fahrradabstellanlage sogar eine zusätzliche Gefahr dar, da hier zahlreiche Schülerinnen und Schüler sowohl zu Fuß als auch mit dem Rad verkehren. Staatsrat Golasowski hat aus diesem Grunde das ASV angewiesen, die Bake kurzfristig wieder zu entfernen. Dies wurde dem Beirat Schwachhausen mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 mitgeteilt.
Welche Lehren lassen sich nun aus diesem Vorgang ziehen? Aus meiner Sicht hat jeder der beteiligten Akteure im geltenden Rechtsrahmen aus der jeweils eigenen Perspektive plausibel gehandelt. Dennoch wurde die „Fahrradstraße Parkallee“ zunächst in einer Form umgesetzt, die offenkundig wenig praxistauglich war. Ressortintern nehmen wir derartige Abläufe zum Anlass für eine nachträgliche „Manöverkritik“, in der wir analysieren, an welcher Stelle die MitarbeiterInnen der Verwaltung möglicherweise hätten anders handeln können. Gerade durch den umfassenden Beteiligungsanspruch wird heute intensiver als früher um die jeweils beste Lösung gerungen, wobei jede Seite versucht, die jeweils andere von ihren Vorstellungen zu überzeugen. Manchmal wird dieses Handeln wohl auch in Zukunft auf „Versuch und Irrtum“ hinauslaufen, aber den Zugewinn an Partizipation und Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger sollte uns das m.E. wert sein. Vielfach führt gerade die intensive Beteiligung am Ende zu besseren Lösungen, auch wenn der Weg dorthin nicht immer gradlinig erscheinen mag.
Vielleicht darf ich abschließend noch erwähnen, dass die EU-Kommission den Bremer „Verkehrsentwicklungsplan 2025“ als europaweit vorbildlich – u.a. gerade aufgrund der intensiven Beteiligungsprozesse – einschätzt, wofür uns die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc im März den diesjährigen „SUMP-Award“ für nachhaltige Verkehrsplanung in Städten verliehen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Lohse