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Joachim Kotteck
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Frage von Wolfgang F. •

Frage an Joachim Kotteck von Wolfgang F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

1.Wie stehen Sie zum bedingungslosem Grundeinkommen, würden Sie, ein gerechtes Modell vorausgesetzt, dafür stimmen?
2. Wie stehen Sie zur Freigabe von Cannabis?
3. Werden Sie sich für einen Wandel weg vom Auto einsetzen und Fahrradverkehr sowie ÖPNV stärken?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Führer,

gerne Antworte ich auf Ihre Fragen:

1. Europa braucht nicht nur einen Neubeginn, sondern einen vernünftigen linken Plan. Ein wichtiger Teil davon wäre eine soziale Unionsbürgerschaft — als materieller Ausdruck der Idee einer wirklichen Demokratie. Als einen weiteren Schritt bräuchte es ein bedingungsloses Grundeinkommen, das über den jeweiligen regionalen Armutsrisikogrenzen liegt. Ein soziales Sicherheitsnetz, unter das niemand fällt. Demokratie ist kein Zustand, sie ist ein Prozess – ein Prozess hin zur Selbstregierung. Wir müssen die Demokratie aus den Hinterzimmern der Technokraten zurück zu den Menschen bringen. Diejenigen, die von Entscheidungen betroffen sind, müssen diese Entscheidungen auch mitbestimmen dürfen.

2. „Bereits im Jahr 2011 hatte DIE LINKE einen Antrag zur Regulierung von Cannabis nach spanischem Vorbild in den Bundestag eingebracht. In Cannabis-Clubs könnten volljährige Mitglieder zum Eigenbedarf Cannabis anbauen. Der Vorteil dieser nicht-kommerziellen Regulierung besteht darin, dass Gewinnstreben dabei keine Rolle spielt. Ich möchte weg von der Diskussion, ob wir Cannabis legalisieren. Ich möchte vielmehr diskutieren, wie wir Cannabis klug regulieren können. Wir sollten daher genau beobachten, was in Katalonien passiert, und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.“

3. Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft. Nur fragt sich, wie Mobilität organisiert und finanziert wird. Braucht jeder sein eigenes Auto oder geht es nicht auch anders? Während über Abgase, Lärm, VW-Skandale und Autobahnbau diskutiert wird, werden Fragen von Teilhabe in der Debatte um Mobilität meist umschifft. Dabei ist Mobilität vor allem eine soziale Frage.

Dessen Aufgabe, der öffentlichen Daseinsvorsorge, kann ÖPNV aber immer weniger gerecht werden. Angebote im ländlichen Raum werden reduziert, die Ticketpreise in Städten steigen und auch die Strafen für »Schwarzfahren« sind hoch und kriminalisieren all jene, die sich den Fahrschein nicht leisten können. Der ÖPNV steht heute leider nicht all denen zur Verfügung, die dringend auf ihn angewiesen sind. Zugangsbarrieren sind der Preis, aber auch der Wohnort. Wie kann der ÖPNV gestärkt werden, der in der Stadt der Zukunft das Rückgrat urbaner Mobilität stellen soll?

Warum die größte Hürde für die Nutzung des ÖPNV nicht einfach überflüssig machen? Seit Jahren gibt es eine Vielzahl von Modellen des fahrscheinfreien Nahverkehrs. Ob in Frankreich, China, Polen, Brasilien oder Schweden – wer Alternativen zum Fahrschein sucht, wird überall auf der Welt fündig.

Gemeinsam ist allen Modellen, dass der Fahrschein abgeschafft wurde und durch alternative Finanzierungsquellen ersetzt wird. In Frankreich ermöglicht die »Versement Tranport « und in Wien die Dienstgeberabgabe die Finanzierung des ÖPNV. Auch in Deutschland sind Modelle der solidarischen Finanzierung bekannt und bewährt, angefangen bei den Semestertickets für Studierende über Kurtaxen in Erholungsgebieten bis zu Fußball- und Theaterkarten, mit denen eine ÖPNV-Fahrt möglich ist. Was diesen Modellen fehlt, ist eine Perspektive über die jeweilige Nutzergruppe hinaus.

Nahverkehr kostet Geld, Fahrpersonal, Infrastruktur und Fahrzeuge müssen bezahlt werden. Aber wie werden sie finanziert? Eine Überlegung ist die Nahverkehrsabgabe. Ähnlich wie bei Abwasserbeiträgen entsteht ein Anschluss- und Benutzungszwang. Alle Einwohner zahlen einen monatlichen Beitrag, für die Möglichkeit, den ÖPNV zu nutzen. Dafür entfällt der Fahrschein. Für den ÖPNV bringt das die Pflicht mit sich, allen Einwohnern ein angemessenes Angebot zu unterbreiten. Damit wird der ÖPNV ins Zentrum kommunaler Verkehrspolitik gerückt und zum Rückgrat städtischer Mobilität. Orientieren soll sich der Beitrag an den Ärmsten. So ist gewährleistet, dass alle ihren Beitrag zahlen können und keiner finanziell überfordert wird. Allerdings muss der fahrscheinfreie Nahverkehr flankiert werden, etwa durch die Reduzierung von Parkraum in den Innenstädten. Damit könnte dem Autowahn in den Städten etwas entgegen gesetzt und gleichzeitig soziale, umweltfreundliche und nachhaltig finanzierte Mobilität gewährleistet werden.

Für Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Kotteck