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Joachim Herrmann
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Frage von Elvira G. •

Sehr geehrter Herr Herrmann, Wie stehen Sie direktdemokratischen Mitteln, einem Bürgerbegehren gegenüber? Sollten sich hier einige Rahmenbedingungen ändern?

Vor allem wenn ein Ratsbegehren gegen ein Bürgerbegehren gestellt wird, wird das Bürgerbegehren oft ad absurdum geführt.
Es stehen sich keine gleichberechtigten Parteien gegenüber.
Was bei der Finanzierung der notwendigen Rechtsmittel, um sich behaupten zu können, beginnt, Auskunft und Hilfe für eine rechtswirksame Formulierungen des Bürgerbegehrens auszuarbeiten, Eilklagen vor dem Verfassungsgericht stellen zu können, können Privatpersonen, welche meist Initiatoren von Bürgerbegehren darstellen, schnell in den Ruin treiben. Zahlungen bis zu 15 000 Euro sind dann notwendig.
Falls das Bürgerbegehren alle Hürden erreicht hat, wie Unterschriftensammlung, Zulässigkeit, Quorum bei der Abstimmung und sogar gewinnt, dann wird oft einfach die Bindefrist von einem Jahr abgewartet und die Planung seitens der Kommunalpolitik weitergeführt, als hätte es kein Bürgerbegehren gegeben.
Helfen Sie mit damit ein Bürgerbegehren nicht nur ein Feigenblatt der Demokratie darstellen.
Viele Grüße
Eva G.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau G.,

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind wichtige Elemente bürgerschaftlicher Beteiligung auf kommunaler Ebene. Bürgerinnen und Bürger können mit diesen Instrumenten direkter Demokratie unmittelbar Entscheidungsprozesse beeinflussen oder Entscheidungen treffen. Das kann nicht nur die Akzeptanz von Entscheidungen erhöhen, sondern vermag nicht selten auch vor Ort umstrittene Fragen zu lösen und zu befrieden.

Bei allen Überlegungen, die Regelungen in Bayern zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu ändern, bitte ich eines zu bedenken: Diese Regelungen gehen auf einen mit Volksbegehren herbeigeführten Volksentscheid vom 1. Oktober 1995 zurück. Art. 18a Abs. 8 Satz 2 der Gemeindeordnung (GO) und Art. 12a Abs. 8 Satz 2 der Landkreisordnung (LKrO) räumen den vertretungsberechtigten Personen ein Klagerecht gegen die Zurückweisung des Bürgerbegehrens ein. Zudem können sie verlangen, dass ihr Anspruch auf Durchführung eines Bürgerentscheids bei drohenden Vereitelungsmaßnahmen gesichert wird (vgl. Art. 18a Abs. 9 GO, Art. 12a Abs. 9 LKrO). Auch Verstöße gegen das Sachlichkeitsgebot nach Einreichung des Bürgerbegehrens und vor der Durchführung des Bürgerentscheids können die Vertreter durch einstweilige Anordnung gerichtlich untersagen lassen (vgl. Art. 18a Abs. 15 GO, Art. 12a Abs. 14 LKrO). Zudem können sich die Initiatoren von Bürgerbegehren sowie die Bürgerinnen und Bürger bei Fragen zu Verfahren und Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowohl an die Gemeinden als auch an die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden vor Ort wenden – d.h. an das jeweilige Landratsamt sowie die jeweilige Regierung. Darüber hinaus unterliegt ein Bürgerentscheid den allgemeinen kommunalaufsichtlichen Prüfmechanismen. So können die vertretungsberechtigten Personen oder die Unterzeichner des Bürgerbegehrens sich jederzeit an die Rechtsaufsichtsbehörde wenden und ein rechtsaufsichtliches Tätigwerden mit dem Ziel einer Überprüfung des Bürgerentscheids anregen. Die bayerischen Regelungen zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden stellen also breite und angemessene Handlungsoptionen zur Verfügung, um das Ziel des Begehrens oder Entscheides soweit erforderlich auch aufsichtlich oder verwaltungsgerichtlich verfolgen zu können.

Dass mit einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren Kosten verbunden sein können, beruht auf dem Verwaltungsprozessrecht des Bundes. Allerdings halte ich es nicht für unangemessen, dass Klagen in Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden nicht gerichtskostenfrei sind und die betroffene Kommune auch nicht unabhängig von den Erfolgsaussichten einer Klage stets etwaige Rechtsanwaltskosten der Initiatoren übernehmen muss. Ebensowenig sehe ich einen Grund, weshalb die betroffene Kommune beispielsweise Aufwendungen der Initiatoren für Informations- oder Werbekampagnen für ein Bürgerbegehren oder einen Bürgerentscheid übernehmen müssen sollte. In beiden Fällen geht es um Aufwendungen, die eher in den Verantwortungsbereich der Initiatoren eines Bürgerbegehrens oder -entscheides fallen als in den der Kommune. Dass dies im Regelfall auch kein unüberwindbares Hindernis ist, zeigen immer wieder entsprechende Eil- und Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten.  

Dass die Bindungswirkung eines Bürgerentscheides zeitlich befristet ist, erfordert das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte vor diesem Hintergrund die im Volksentscheid vorgesehene dreijährige Bindungswirkung 1997 für verfassungswidrig erklärt (vgl. BayVerfGH, Entscheid. v. 29.08.1997 – Vf 8-VII-96), so dass der Bayerische Landtag in der Folge die auch heute noch geltende einjährige Bindungsfrist bestimmt hat.

Schließlich sehe ich auch nicht, dass Ratsbegehren gegenüber Bürgerbegehren ungerechtfertigte Vorteile haben. Ein Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses. Sein Thema ist regelmäßig ein Anliegen von einer gewissen Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft. Ich meine, es ist daher legitim, dass sich auch der betroffene Gemeinderat oder Kreistag mit dem Anliegen befassen und gegebenenfalls eine Gegenfrage zur Abstimmung stellen kann. Überzeugt das Anliegen des Bürgerentscheides die Bürgerinnen und Bürger, steht dem das Ratsbegehren nicht entgegen. Vermag dagegen das Ratsbegehren mehr Bürgerinnen und Bürger zu gewinnen, ist dies ebenfalls eine demokratische Entscheidung, die die Initiatoren eines Bürgerentscheides hinnehmen müssen. Dass für ein Ratsbegehren insbesondere ein Sachlichkeitsgebot greift, hatte ich bereits eingangs ausgeführt.

Insgesamt halte ich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide daher für ausgewogen. Sie haben sich aus meiner Sicht bewährt, so dass ich aktuell keine Veranlassung für eine Änderung sehe.

Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL

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