Frage an Joachim Herrmann von Richard R. bezüglich Innere Sicherheit
DITIB, UID, GRAUE WÖLFE
„Hat eine neue Dimension“ – Türkei-Experte kritisiert Gipfeltreffen der Erdogan-Lobby
/www.welt.de/politik/deutschland/article230775615/Ditib-UID-Graue-Woelfe-Gipfeltreffen-der-Erdogan-Lobby-in-Ankara.html
Sehr geehrter Herr Herrmann,
der Druck auf die Islamverbände Ditib und Milli Görüs und andere AKP-nahe Organisationen nimmt zu. Vertreter mehrerer Gruppen reisten nun in die Türkei. Was sie dort mit Erdogan besprachen, könnte Folgen für Deutschland haben, warnt Experte Burak Copur.
Sie alle und weitere Vertreter deutsch-türkischer Organisationen waren in dieser Woche nach Ankara gereist und wurden von Recep Tayyip Erdogan und dem türkischen Verteidigungsminister Hulusai Akar in Empfang genommen.
Dennoch verrät die politisch brisante Reise viel über die Bemühungen der türkischen Regierungspartei AKP, Einfluss auf die türkischstämmige Community in Deutschland zu nehmen. Das glaubt der Essener Türkeiforscher und Politikwissenschaftler Burak Copur.
Seit Jahren verweisen Experten auf die enge Anbindung der teilnehmenden Organisationen an die türkische Regierung. Erdogans Treffen mit Vertretern von UID, Ditib, Milli Görüs, Atib, dem Wirtschaftsverband Müsiad und der ebenfalls dem Graue-Wölfe-Spektrum zugeordneten Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) aber habe eine „neue Dimension“. Man sei offenbar zu dem Schluss gekommen, „dass es eine gemeinsame Strategie“ benötige.
Frage an die Politik: Da wurde ein klares Signal gesendet und die deutschen Behörden werden sich fragen lassen müssen, wie sie sich eine Zusammenarbeit mit den hier genannten Organisationen künftig vorstellen.
Warum werden die Grauen Wölfe und ihre Organisationen nicht verboten?
Wieso werden Steuer-und Fördergelder für die o.g. Institutionen gezahlt?
Wieso sind diese Kräfte teil der Islamkonferenzen?
Bitte um Rückmeldung.
MfG: R. Rath
Sehr geehrter Herr Rath,
vielen Dank für Ihre Anfrage, zu der ich gerne Stellung nehme. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass von den von Ihnen genannten „türkischen Verbänden“ die Milli Görüs-Bewegung und die Ülkücü-Bewegung (Graue Wölfe) mit ihren einflussreichsten zuzurechnenden Vereinen ADÜTDF und ATB der Beobachtung des Verfassungsschutzes unterliegen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration unterrichtet in seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht (abrufbar unter www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/vsb-2020_210414.pdf) über diese Bewegungen und auch deren Unter- und Teilorganisationen. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) informiert und sensibilisiert insbesondere auch bayerische Behörden hinsichtlich extremistischer Bestrebungen. Soweit es zu behördlichen Kontakten mit extremistischen Organisationen kommen kann, steht das BayLfV als Ansprechpartner zur Beratung zu Verfügung.
Was das von Ihnen geforderte Verbot der Ülkücü-Bewegung und der diese Bewegung unterstützenden Vereine und Organisationen in Deutschland anbelangt, gilt es hohe rechtliche Hürden zu beachten. Die Kriterien, die ein Verbot eines Vereins oder einer Vereinigung rechtfertigen, ergeben sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz – VereinsG). Danach darf ein Verein erst dann als verboten (Art. 9 Abs. 2 GG) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Zudem setzen vereinsrechtliche Maßnahmen zum einen voraus, dass eine verbotsfähige Struktur nachgewiesen werden kann. Zum anderen sind verfassungsfeindliche Bestrebungen noch nicht per se verbotsfähig, sondern erst, sobald sie sich in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten und dies die Organisation auch nicht nur unwesentlich prägt.
Daneben liegt die Prüfung der Verbotswürdigkeit einer Vereinigung nicht in jedem Fall in der Landeszuständigkeit. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VereinsG ist die oberste Landesbehörde nur dann Verbotsbehörde, wenn sich die erkennbare Organisation und Tätigkeit eines Vereins auf das Gebiet eines Landes beschränken. Für Vereinigungen, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstrecken, wie dies bei den Vereinen der Ülkücü-Bewegung der Fall ist, liegt die Verbotszuständigkeit beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat.
Mit Beschluss des Bundestages vom 18. November 2020 (BT-Drs. 19/24388) wurde die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, gegen die Vereine der Ülkücü- Bewegung Organisationsverbote zu prüfen, um jeder sich gegen die Werte unseres Grundgesetzes, den Gedanken der Menschenwürde und der Völkerverständigung richtenden Aktivität rechtsstaatlich konsequent entgegenzutreten. Sofern das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) ein Verbotsverfahren gegen die Vereine der Ülkücü-Bewegung anstrebt, werden die bayerischen Sicherheitsbehörden dieses Bestreben – wie bei allen vom BMI in der Vergangenheit durchgeführten oder zukünftig geplanten Vereinsverboten – unterstützen.
Zu Ihrer Frage etwaiger staatlicher Förderungen kann ich Ihnen mitteilen, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration die von Ihnen genannten Institutionen finanziell nicht fördert. Allgemein gilt für bayerische Förderungen: Im Rahmen der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen können Zuwendungen zur Erfüllung eines erheblichen staatlichen Interesses gewährt werden; dabei ist unter anderem die Zuverlässigkeit des Zuwendungsempfängers sowohl in persönlicher als auch in finanzieller Hinsicht zu beurteilen und zu prüfen. Grundvoraussetzung für die Förderung ist also, dass der Zuwendungsempfänger und ggf. seine Kooperationspartner die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung anerkennen und eine den Zielen des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung förderliche Arbeit gewährleisten.
Zu Ihrer letzten Frage: Die Deutsche Islamkonferenz ist ein auf Bundesebene initiierter Dialog und liegt in der Zuständigkeit des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Auf die Zusammensetzung und Teilnehmer hat die Bayerische Staatsregierung keinen Einfluss. Die Bundesregierung hat zur Frage nach den Auswahlkriterien für die Mitglieder ausführlich im Rahmen der Beantwortung einer kleinen Anfrage in der BT-Drs. 18/13658 (Antwort zu Frage 20. auf Seite 14) Stellung genommen, auf die ich an dieser Stelle verweisen darf.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL