Frage an Joachim Herrmann von Guido L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann,
bekanntlich beabsichtigt die CSU-geführte bayer. Staatsregierung, das Polizeiaufgaben- und das Verfassungsschutzgesetz zu novellieren ( https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000013000/0000013038.pdf ). Siehe hierzu: http://www.ardmediathek.de/tv/Monitor/Die-totale-%C3%9Cberwachung-Seehofers-Pl%C3%A4ne-/Das-Erste/Video?bcastId=438224&documentId=50874568 Sie behaupten, dass dadurch Bürgerrechte und Datenschutz gestärkt würden: https://www.joachimherrmann.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=3449
Allerdings beinhaltet der von der CSU-Landtagsfraktion eingebrachte Gesetzesentwurf, dass zukünftig auch ohne konkrete Straftat-Verdachtsmomente präventiv Telefone und Internetverbindungen von bis dahin unbescholtenen Bürgern überwacht werden dürfen. Bei einer Expertenanhörung im Landtag wurde Ihre Gesetzesvorlage scharf kritisiert: https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/sitzungen/aus-den-ausschuessen/innen-und-verfassungsausschuss-nehmen-neufassung-der-polizeiaufgaben-unter-die-lupe/ (siehe auch https://www.stern.de/politik/deutschland/bayern--geplantes-polizeigesetz-sorgt-fuer-scharfe-kritik-7917042.html )
Meine Fragen:
- Wie garantieren Sie mir- verfassungsmäßiges Handeln meinerseits vorausgesetzt-, dass ich zukünftig nicht ohne konkrete Verdachtsmomente vom Verfassungsschutz überwacht oder von der Polizei vorläufig festgenommen werden darf?
- Falls Sie mir diese Garantie nicht geben können oder wollen: Wie entgegnen Sie meiner These, dass Ihr Gesetzesänderungsentwurf verfassungswidrig ist?
In der Hoffnung und Erwartung, dass ich a) niemals ohne konkrete Verdachtsmomente in die Fänge des bayer. Verfassungsschutzes oder der Polizei gerate, b) meine Fragen für Sie kein Überwachungsanlass sind und c) die von Ihnen geplante Gesetzesänderung nicht inkraft tritt (wir würden uns andernfalls in Karlsruhe wiedersehen), verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen aus Eching (Lkr. Freising)
G. L.
Sehr geehrter Herr Langenstück,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 7. April 2018, in der Sie Ihre Bedenken hinsichtlich der Novellierung des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) sowie des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) äußern.
Ich begrüße Ihr Interesse an den aktuellen Gesetzesvorhaben der Staatsregierung und Ihren Einsatz für den Schutz des Einzelnen sowie seiner Grundrechte. Denn insbesondere der aktive Einsatz sowie das kritische Denken sind die Grundsteine jeder demokratischen Grundordnung.
Als Schwerpunkt des am 15. Mai 2018 vom Bayerischen Landtag beschlossenen und am 25. Mai in Kraft getretenen PAG-Neuordnungsgesetzes sollen die vielfältigen Ansprüche, die von Seiten der Europäischen Union und von Seiten der Rechtsprechung an uns herangetragen wurden, in unser Polizeirecht integriert werden. Das bedeutet mehr Richtervorbehalte, mehr Informationspflichten der Polizei gegenüber dem Bürger und umfassendere Datenschutzvorschriften. Daneben sollen wichtige polizeiliche Befugnisse noch effektiver ausgestaltet und die Reaktionsfähigkeit auf die aktuelle Gefährdung durch vielfältige Formen des Terrorismus,
Extremismus, aber auch anderweitig motivierte Bedrohungslagen bis hin zu Cyberangriffen noch weiter verbessert werden.
Das Gesetz sieht vor, dass bestimmte präventiv-polizeiliche Befugnisse bereits bei Vorliegen einer sog. „drohenden Gefahr“ möglich sind. Dieser Gefahrenbegriff wurde vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum BKA-Gesetz vom 20. April 2016 definiert und bereits im Zuge der kleinen Novellierung des PAG im vergangenen Jahr vom Bayerischen Landtag beschlossen.
Entgegen den aktuell verbreiteten Behauptungen heißt „drohende Gefahr“ nicht, dass kein Verdacht mehr vorliegen muss, sondern kurz gesagt: Eine drohende Gefahr liegt vor, wenn die Polizei aufgrund von Tatsachen nachweisen kann, dass erhebliche Angriffe auf Leib, Leben, Gesundheit oder die persönliche Freiheit zu erwarten sind oder solche Angriffe erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsgüter haben können. Es droht also tatsächlich etwas Schlimmes, ohne dass sich jedoch Zeit und Ort der Tat schon konkretisiert haben.
Auch im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass das PAG-Neuordnungsgesetz und die darin enthaltenen polizeilichen Befugnisse in allen Belangen den verfassungsrechtlichen sowie rechtsstaatlichen Vorgaben gerecht werden. Aus meiner Sicht wird die von Seiten des Staates zu beachtende Balance von Freiheit und Sicherheit im Gesetzentwurf gewährleistet. Dies gilt insbesondere aufgrund der darin enthaltenen Stärkung der Bürgerrechte. Darüber hinaus unterliegen staatliche Eingriffsmittel stets dem Verhältnismäßigkeitsgebot, datenschutzrechtlichen Vorgaben und strikter Kontrolle, auch durch die Gerichte. Ängste und Sorgen, dass unbescholtene Bürger staatliche Eingriffe hinnehmen müssen, sind vor diesem Hintergrund unbegründet.
Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes soll sowohl eine tragfähige gesetzliche Grundlage geschaffen als auch ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit in Bayern geleistet werden, was aber keineswegs bedeutet, dass deshalb individuelle Freiheitsrechte zurückstehen müssen. Insoweit darf ich ergänzend auch auf die Internetseite des Bayerischen Innenministeriums verweisen, auf der Sie unter www.pag.bayern.de nähere Ausführungen sowie Antworten zu einer Fülle von Fragen, die im Zusammenhang mit den PAG-Änderungen immer wieder gestellt werden, abrufen können.
Das Bayerische Verfassungsschutzgesetz wurde im Übrigen derzeit nicht novelliert, sondern ist lediglich in einzelnen Punkten geändert worden, um insbesondere Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Die Änderungen stärken den Schutz der Betroffenen sogar über das verfassungsgerichtlich gebotene Maß hinaus. So wird beispielsweise eine umfassende und allgemein gültige Verpflichtung zum Schutz des so genannten Kernbereichs privater Lebensgestaltung in das Gesetz eingefügt. Dieser Schutz ist künftig bei allen Maßnahmen des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zu beachten. Demgegenüber hatte das Bundesverfassungsgericht eine solche Schutzvorschrift nur für bestimmte Maßnahmen für erforderlich gehalten.
Insgesamt soll auch weiterhin gelten: In Bayern leben, heißt sicherer leben.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL