Frage an Joachim Herrmann von Claus M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herrmann,
mit großem Interesse hab ich heute (07.10.17) Ihr Interview mit der Welt online gelesen. Ein paar wichtige Punkte wurden dabei aber nicht angesprochen, zu denen ich gerne Ihre konkreten Vorschläge erfahren würden:
a) wie soll mit den abgelehnten Asylbewerbern umgegangen werden, die bereits im Land sind und nicht abgeschoben werden?
b) wie soll mit den Asylbewerbern umgegangen werden, die ihre Herkunft verschleiern? Kürzung der Leistung ist ja keine Lösung. Grade im Hinblick, wenn diese Bewerber abgelehnt werden.
c) wie kann verhindert werden, daß in den gewünschten Transitzentren die Bewerber bleiben und nicht wie oft schon passiert, einfach raus spazieren und untertauchen. Oder von ihren Verwandten per Auto abgeholt werden.
d) wie soll mit abgelehnten Bewerbern umgegangen werden, die keine Papier mehr haben? Viele Herkunftsländer sind nicht grade erpicht darauf, diese wieder zurück zu nehmen und stellen sich auf den Standpunkt, daß es keiner ihrer Landsleute ist. Dürfen diese dann in Deutschland bleiben? Und bekommen diese dann Sozialleistungen? Wenn nein, wie soll dann verhindert werden, daß diese kriminell werden um sich über Wasser zu halten? Drogendealer haben wir inzwischen schon mehr als genug. Auch Taschendiebe und andere Kleinkriminelle.
Gerne erwarte ich dazu Ihr Feedback.
Herzliche Grüße
C. M.
Sehr geehrter Herr M.,
mit Ihren Fragen sprechen sie das Problem an, dass viele Asylbewerber, jedenfalls diejenigen, die mangels politischer Verfolgung keine Erwartung auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens haben, ohne Pass oder sonstige Personaldokumente zu uns kommen, diese vor den Behörden verbergen und oftmals falsche Angaben zu ihrer Herkunft und Identität machen. Das ist zunächst einmal ein Sicherheitsproblem. Durch ED-Behandlung unmittelbar nach der Einreise und Abgleich dieser Daten mit nationalen und internationalen Datenbanken können wir zumindest bereits bekannte Gefährder frühzeitig identifizieren.
Nach negativem Ausgang des Asylverfahrens ist es zur Vorbereitung einer Abschiebung Aufgabe der Ausländerbehörden, die Identität dieser Ausländer zu klären und von der Botschaft des jeweiligen Herkunftsstaats Heimreisepapiere zu erlangen. Das ist je nach Herkunftsstaat unterschiedlich schwierig. Manche wie insbesondere die Westbalkanstaaten akzeptieren von deutschen Behörden ausgestellt Heimreisepapiere; eine Abschiebung ist dann leicht möglich. Andere Herkunftsstaaten kooperieren manchmal schnell, manchmal zeitaufwändig und stellen eigene Heimreisepapiere aus. Manche Herkunftsstaaten kooperieren aber auch nicht oder machen in jedem Einzelfall große Schwierigkeiten. Um die Erfolge bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung zu erhöhen, haben wir in Bayern sieben spezialisierte Zentrale Ausländerbehörden gegründet, die sich auf Aufenthaltsbeendigungen konzentrieren und über das notwendige Fachwissen verfügen. Zudem ist der für auswärtige Angelegenheiten zuständige Bund gefordert, von der Herkunftsstaaten Kooperation bei der Rücknahme ihrer eigenen Staatsangehörigen einzufordern.
Solange Identitätsklärung und Passbeschaffung aber andauern, ist die Abschiebung förmlich auszusetzen und – immer befristet – eine so genannte Duldung zu erteilen. Ich sehe hierzu keine Alternative. Denn all diesen Personen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, würde das Asylverfahren zur Farce machen und natürlich weitere illegale Einwanderer in großer Zahl nach Deutschland locken. Was sehr wohl möglich und in Bayern auch Praxis ist, diesen Personen keine Beschäftigung mehr zu erlauben, ihre Freizügigkeit einzuschränken und Geldleistungen zu kürzen oder ganz zu streichen, um sie so zur Mitwirkung anzuhalten.
Ebenfalls eine Duldung erhalten diejenigen Ausreisepflichtigen, die z.B. aus gesundheitlichen Gründen oder wegen eines Abschiebungsstopp wie derzeit in den Irak oder nach Syrien zeitweise nicht abgeschoben werden können. Hinzu kommen seit der bundesgesetzlichen Regelung im letzten Jahr Ausreisepflichtige, die die Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung erfüllen.
Zum Schluss noch eine Anmerkung zu den von Ihnen angesprochen Transitzentren. Hier wird der Bundesgesetzgeber bei der künftigen Ausgestaltung der Transitzentren die Vorgaben des EU-Rechts zu beachten haben. Danach ist eine Freiheitsentziehung nur in Grenzen möglich. Andernfalls muss mit einer Wohnsitzauflage oder räumlichen Beschränkung gearbeitet werden, deren Verletzung strafbewehrt wäre; ein Verlassen der Einrichtung wäre damit aber faktisch nicht zu verhindern.
Sehr geehrter Herr M., Sie haben mit ihren Fragen zentrale asylrechtliche Probleme angesprochen. Auch wenn ich nicht einfache Lösungen bieten kann, so möchte ich Ihnen doch versichern, dass wir in Bayern mit Nachdruck daran arbeiten, dem Missbrauch des Asylrechts zu begegnen.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Joachim Herrmann