Frage an Joachim Herrmann von Judith Eckstein-De Castro, D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herrmann,
heute las ich ein Interview in der Süddeutschen Zeitung, in der unser Innenminister, Thomas de Maizière, folgende Aussagen machte: "Aber die Verantwortlichen vor Ort sagen mir, sie rechnen mit einem Anteil von 15 bis 20 Prozent erwachsene Analphabeten." Deshalb müsse man Abstand von dem Modell nehmen, Menschen erst ausreichend Deutsch beizubringen, sie dann auszubilden und in Arbeit zu bringen. "Das wird so nicht mehr gehen", sagte de Maizière. Künftig werde man Flüchtlinge in Arbeit bringen müssen, "auch wenn sie noch nicht richtig Deutsch können.".
Ich frage Sie, als Mitglied der CDU/CSU Fraktion: Wie soll das funktionieren? Wo wollen Sie diese Leute einsetzen?
Weiter sagte Herr de Maizière: "Jetzt werden wir Hunderttausende arabisch geprägte Muslime bekommen, und das ist, nach allem, was mir mein französischer Kollege sagt, ein erheblicher Unterschied in Sachen Integration.". Wie sehen Sie diese Situation? Denke Sie nicht, dass das zu enormen Konfliktsituationen führen wird. Wie sehen Sie und die CHRISTLICH Soziale Union diese Islamisierung?
Mit freundlichen Grüßen,
Judith Eckstein-De Castro
Sehr geehrte Frau Dr. Eckstein-de Castro,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 2. September 2015, die mich über die Internetseite www.abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Die Integration der in der Bundesrepublik Deutschland in großer Zahl ankommenden und möglicherweise auf lange Zeit bleibenden Asylbewerber stellt unser Land vor sehr große Herausforderungen. Der Bundesminister des Innern, mein Kollege Dr. Thomas de Maizière, hat dazu kürzlich die zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages über seine Planungen unterrichtet. Gerne lege ich Ihnen hierzu meine Sichtweise dar, wobei ich darauf hinweise, dass für viele der in diesem Zusammenhang zu treffende Entscheidungen die Bundesregierung zuständig ist und ich nicht die Politik meiner Kolleginnen und Kollegen in Berlin kommentieren will, zumal ich, anders als Sie annehmen, nicht Mitglied der CDU/CSU-Fraktion bin.
Die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift ist in der Tat eines der Schlüsselelemente einer erfolgreichen Integration von Asylbewerbern in Deutschland. Schon lange ist daher das Angebot von Deutschkursen ein integraler Teil unserer Politik. Die Tatsache, dass ein erheblicher Anteil der Flüchtlinge noch nicht einmal in seiner eigenen Muttersprache Lesen und Schreiben kann, erschwert ihre Eingliederung zusätzlich. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat dies schon seit längerem erkannt und ein Konzept für einen bundesweiten Alphabetisierungskurs erarbeitet, das Sie auf der Internetseite http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Integrationskurse/Kurstraeger/KonzepteLeitfaeden/konz-f-bundesw-ik-mit-alphabet.html?nn=1367390 finden.
Wir leben in Deutschland in einer innovativen, wissensbasierten Gesellschaft, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen ist. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales hat angekündigt, mit innovativen und pragmatischen Maßnahmen Asylbewerber und Geduldete möglichst rasch dahin zu bringen, dass sie der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern auch ohne besondere Fähigkeiten für eine Vermittlung in den deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Es wird sich weisen, ob für sie geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
Wir müssen darüber hinaus Anstrengungen unternehmen, den Menschen, die zu uns kommen, eine Chance zu geben, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Gelungene Integration ist ein zentraler Eckpfeiler für die Sicherung des sozialen Gleichgewichts in unserem Land. Vor allem junge Menschen zu integrieren ist eine Aufgabe, die sich für unsere gemeinsame Zukunft auszahlt.
Ich spreche mich daher für einen verstärkten Dialog mit den islamischen Institutionen aus. Dabei ist, wie Sie es ebenfalls tun, klar zu differenzieren zwischen dem modernen, aufgeklärten Islam einerseits und dem archaisch geprägten salafistischen Islamismus andererseits. Moslems, die den Glauben friedlich ausüben und die Werteordnung des Grundgesetzes achten, sind ein Teil unserer Gesellschaft. Wir sollten uns eine Kultur des gegenseitigen Verständnisses, des Respekts und der Anerkennung zum Ziel setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL