Frage an Joachim Herrmann von Ulrich O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Herrmann,
in der Talkshow Maybrit Illner "Fluchtpunkt Deutschland - zwischen Hilfe und rechter Gewalt" schlug Sascha Lobo vor, die Flüchtlinge als Vertriebene zu bezeichnen.
Auf diesen Vorschlag antworteten Sie mit den Worten: "Ich hoffe, Sie meinen es nicht so bös´, aber es ist eine Beleidigung der Vertriebenen, der wirklich damals vor 70 Jahren Vertriebenen, die in diesen Kontext zu stellen."
Könnten Sie mir bitte erläutern, inwiefern Lobos Vorschlag eine Beleidigung für die Vertriebenen darstellt? Denn eine Beleidigung impliziert per se, dass eine der Gruppen (hier: Flüchtlinge) als weniger wertvoll zu bewerten wäre.
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Oberender
P.S.: Auf den heutigen Demonstrationen gegen Asylbewerber hätte Ihre Aussage bestimmt zu Applaus geführt.
Sehr geehrter Herr Oberender,
gern will ich Ihnen erläutern, warum ich von einer Beleidigung der Vertriebenen gesprochen habe, als Herr Lobo in der Sendung von Maybrit Illner die infolge des zweiten Weltkriegs vertriebenen Deutschen mit heutigen Asylbewerbern gleichgesetzt hat. Denn Herr Lobo bezog sich ganz explizit auf Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten, die zur Zeit in großer Zahl zu uns kommen. Sie entscheiden sich aus freien Stücken, aus wirtschaftlichen Gründen unter Missbrauch des Asylrechts nach Deutschland zu kommen. Ihre Anerkennungsquote liegt deshalb nahezu bei null. Sie können jederzeit in ihre Heimat zurückkehren.
Die deutschen Heimatvertriebenen hingegen mussten aufgrund der Beschlüsse der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs ihre angestammte Heimat für immer aufgeben und wurden in den Ländern aufgenommen, die weiterhin bei Deutschland verblieben. Das war eine selbstverständlich nationale Verpflichtung aller Deutschen, die das Glück gehabt hatten, nicht vertrieben zu werden. Deshalb ist die Situation damals auch nicht wirklich vergleichbar mit der gegenwärtigen Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien. Damals kamen Deutsche wie Sie und ich zu uns. Bei den Syrern und allen anderen anerkannten Asylbewerbern handelt es sich hingegen um fremde Staatsangehörige, denen gegenüber wie unseren asylrechtlichen Verpflichtungen nachkommen.
Auch der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius, hat beim Tag der Heimat in Berlin am 29. August darauf hingewiesen, dass die Vertreibung Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg und die Lage von freiwilligen Migranten aus wirtschaftlichen Gründen nicht vergleichbar sind.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL