Frage an Joachim Herrmann von Andreas W. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Herrmann,
weiter oben haben Sie in einer Antwort geschrieben:
"Für mich ist es nicht zuletzt deshalb unstrittig, dass jedes nachgewiesene Fehlverhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten konsequent zu ahnden ist."
Nun berichtet die SZ heute wieder über vermeintliche Übergriffe der Bayerischen Polizei.
Dem "Corpsgeist" der Polizei ist es geschuldet, dass Kollegen von gewalttätigen Polizisten meist vor Gericht zu Gunsten der angeschuldigten Kollegen aussagen und so (da meherer Beamte vor Gericht natürlich glaubwürdiger sind als ein "normaler" Bürger) meist keine Verurteilung erfolgt.
Aus eigener Erfahrung im Beknntenkreis weiss ich, dass im Fall gewalttätiger Polizeiübergriffe meist direkt auch Anzeige gegen die Opfer gestellt wird ("Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte"), so dass diese sich auch noch vor Gericht verteidigen müssen. Vor Gericht zählt dann aber meist wieder die Aussage mehrerer Polizeibeamter mehr als die Aussage von Opfern und Zeugen.
Meine Frage nun: Können Sie Zahlen nennen,
1.wie viele Anzeigen gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzungen im vergangenen Jahr gestellt wurden,
2. wie häufig Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzungen im vergangenen Jahr eingeleitet wurden,
3. wie häufig im vergangenen Jahr Gerichtsverfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzungen stattgefunden haben und
4. wie häufig diese mit Freispruch für die Angeklagten ausgegangen sind.
Für den umgekehrten Fall wären ebendiese Zahlen auch sehr interessant. Insbesondere in einer Zeit in der durch den Fall Mollath das sträfliche Versagen der Bayerischen Justiz offenbar wird.
Ich erinnere Sie nochmals an Ihre Aussage, "dass jedes nachgewiesene Fehlverhalten von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten konsequent zu ahnden ist."
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Andreas Wittmann
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wittmann,
vielen Dank für Ihre Frage vom 06.02.2013, in der Sie auch Bezug nehmen auf meine Antwort vom 21.01.2013 zu den Fragen des Herrn Martin Deeg.
In Ihrer Frage greifen Sie die aktuelle Berichterstattung über den Vorwurf eines polizeilichen Übergriffs auf einer Münchner Polizeiinspektion auf. Auch insoweit stehe ich nach wie vor hinter der von Ihnen zitierten Aussage, dass jedes nachgewiesene Fehlverhalten einer Beamtin oder eines Beamten der Bayerischen Polizei konsequent zu ahnden ist. Dies liegt, wie ich ebenfalls bereits deutlich gemacht habe, bereits im ureigensten Interesse der Polizei selbst, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger unbedingt angewiesen ist.
Sämtliche Vorwürfe werden sehr ernst genommen und umfassend aufgearbeitet. Dies gilt im Übrigen auch, wenn Ausgangspunkt zunächst polizeiliche Ermittlungen gegen das vermeintliche Opfer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sind. Im Zuge dieser Ermittlungen wird neben etwaig strafrechtlich relevanten Vorwürfen gegen den oder die betroffene/n Bürger/in selbstverständlich auch geklärt, ob und inwieweit den eingesetzten Beamten ein Fehlverhalten zur Last liegt. Dabei wird seitens der ermittelnden Kriminalpolizeidienststellen und der Staatsanwaltschaft jedem begründeten Verdacht nachgegangen. Nicht außer Acht gelassen werden sollte jedoch in diesem Zusammenhang, dass im Strafrecht - für beide Seiten, d. h. auch für die eingesetzten Polizeibeamten - zunächst die Unschuldsvermutung gilt.
Ihre Befürchtung, dass nicht unabhängig ermittelt werden könnte, kann ich nicht teilen. Die Sachleitung obliegt in allen Verfahren der Staatsanwaltschaft und damit im Rahmen unserer Gewaltenteilung der unabhängigen Justiz. Der Bayerische Landtag hat sich mit den von Ihnen angesprochenen Vorkommnissen ebenfalls befasst und einen entsprechenden umfassenden Bericht angefordert. Dass mögliches Fehlverhalten von Polizeibeamten aufgrund "falsch verstandener Solidarität" der Kollegen oder aufgrund einer vorschnellen Verfahrenseinstellung durch die Justiz unentdeckt und ungeahndet bleibt, muss ich in der von Ihnen formulierten Pauschalität daher entschieden zurückweisen.
Um insoweit gleichwohl für noch mehr Akzeptanz und Transparenz zu sorgen, wurden am 01.03.2012 in einem ersten Schritt zwei spezielle Dienststellen für interne Ermittlungen bei den Polizeipräsidien München und Mittelfranken in Nürnberg geschaffen, an die sich Bürgerinnen und Bürger zusätzlich wenden können. Seit dem 1. März diesen Jahres sind die beiden ´Zentralen Ermittlungsstellen für interne Ermittlungen´ in einem zweiten Schritt dem Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) unterstellt. Durch die größere Distanz zum Einsatzgeschehen beugen wir damit jeglichem Anschein von Befangenheit vor. Auch in dem von Ihnen angesprochenen aktuellen Fall werden die Ermittlungen dort geführt.
Gerade im Zusammenhang mit der in den Medien geführten Diskussion über Übergriffe durch die Polizei, ist es meines Erachtens jedoch genauso wichtig, auch die "andere Seite" in den Blick zu nehmen:
Statistisch gesehen wurden 2011 in Bayern über 14.500 Polizeibeamtinnen und -beamte und damit über 10 Prozent mehr als im Vorjahr Opfer physischer und psychischer Gewalt, indem sie beleidigt, bespuckt, gestoßen, geschlagen oder getreten wurden. Hier wird ein gesamtgesellschaftliches Problem deutlich, dem wir entschlossen entgegentreten müssen.
Vor dem Hintergrund von etwa 1,5 Millionen zu bewältigenden polizeilichen Einsätzen pro Jahr mit zum Teil hohem Konfliktpotential ist demgegenüber die Zahl der gegen bayerische Polizeibeamte eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt als verhältnismäßig gering anzusehen. So lag die Zahl der bei der Bayerischen Polizei angezeigten Körperverletzungen im Amt im Jahr 2011 bei 124. Die entsprechenden Fallzahlen für das Jahr 2012 werden in der jährlichen Polizeilichen Kriminalstatistik enthalten sein, die im März 2013 im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Wie viele dieser Fälle wegen des Verdachts der Körperverletzung durch bayerische Polizeibeamte vor Gericht verhandelt wurden und wie viele mit einem Freispruch endeten, wird demgegenüber nicht zentral erhoben, so dass mir nähere Angaben hierzu leider nicht möglich sind.
Mit freundlichen Grüßen
Joachim Herrmann, MdL