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Joachim Herrmann
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Frage von Guido L. •

Frage an Joachim Herrmann von Guido L. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Herrmann,

am 11.03.2012 strahlte das ZDF, Format "planet-e", einen Beitrag über die Evakuierungs- und Versorgungskonzepte der Bevölkerung im Falle eines (hoffentlich niemals eintretenden GAUs) in einem deutschen Atomkraftwerk aus. Exemplarisch wurde die Situation in Umfeld des AKWs Gundremmingen (nahe Günzburg, liegt also in Ihrem Zuständigkeitsbereich) beleuchtet. Dabei traten erschreckende Defizite hinsichtlich des Wissensstands der zuständigen Entscheidungsträger zutage. Z.B. wusste der GF der MESSE AUGSBURG überhaupt nicht, dass im Evakuierungsfall tausende von Menschen in "seinen" Messehallen untergebracht werden sollen. Auch die Alarmierung mittels (leider mittlerweile großflächig abgebauter) Sirenen wurde im Beitrag angeschnitten. Sie kamen im Beitrag auch zu Wort:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1583160/Stoerfall-Deutschland#/beitrag/video/1583160/St%C3%B6rfall-Deutschland (Minute 23.45 - 25.18).
Mein (subjektives) Fazit: Chaotische Zustände in Bayern, was die Zuständigkeiten und Kompetenzen im Falle eines eventuellen GAUs betrifft.
Zur Erinnerung: In Bayern "laufen" momentan noch die AKWs "ISAR 2", "Gundremmingen B+C", "Grafenrheinfeld" sowie der Forschungsreaktor "FRM-2" in Garching.

Meine Fragen:
- Wann sorgen Sie für geordnete Strukturen im bayerischen Katastrophenschutz?
- Werden die abgebauten bzw. stillgelegten Sirenen wieder reaktiviert?
- Sorgen Sie für die Bereitstellung von Jod-Tabletten für die Bevölkerung bei den Feuerwehren und Apotheken (steht zwar als Verpflichtung im Gesetz, wird de facto bis heute nicht umgesetzt)?

Ich wohne ca. 25 km nördlich von München (85386 Eching). "ISAR 1+2" (Ohu) befinden sich ca. 60 km von meinem Wohnort entfernt. Zum FRM-2 sind es 7 km Luftlinie.
- Wohin soll ich im (hoffentlich niemals eintretenden) Evakuierungsfall flüchten?
- Wo bekomme ich kurzfristig "meine" Jod-Tabletten?

Für die Beantwortung meiner Fragen bedanke ich mich im Voraus und verbleibe

mfG
Guido Langenstück

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Sehr geehrter Herr Langenstück,

ich danke Ihnen für Ihre Fragen zu den Katastrophenschutzmaßnahmen im Falle eines kerntechnischen Unfalls in Bayern.

Zu Ihren Fragen kann ich Ihnen im Einzelnen Folgendes mitteilen:

Wann sorgen Sie für geordnete Strukturen im bayerischen Katastrophenschutz?

Der bayerische Katastrophenschutz verfügt über funktionierende und effektive Strukturen. Diese Strukturen haben sich auch in der jüngeren Vergangenheit bei Großschadenslagen wie z.B. Hochwasser- und Schneekatastrophen bewährt. Dennoch arbeiten wir natürlich ständig daran, die technischen Vorhaltungen und die Strukturen des Katastrophenschutzes für die Zukunft weiterzuentwickeln. Mit mehr als 470.000 Einsatzkräften der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr verfügt Bayern von allen Bundesländern über das größte Einsatzkräftepotenzial.
Die bestehenden Katastrophenschutzsonderpläne, z.B. für kerntechnische Unfälle aber auch für andere Gefahrenlagen, bieten für die Bewältigung von komplexen Gefahrenlagen die Grundlage für die Arbeit der Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes. In regelmäßig stattfindenden Übungen wird die Bewältigung von Katastrophenlagen, auch von kerntechnischen Unfällen, geübt. Zu den Strukturen des bayerischen Katastrophenschutzes empfehle ich Ihnen einen Blick auf die Internetseite des Bayerischen Staatsministerium des Innern unter: www.innenministerium.bayern.de/sicherheit/katastrophenschutz/katastrophenschutz/

Werden die abgebauten bzw. stillgelegten Sirenen wieder reaktiviert?

Während des Kalten Krieges wurden umfangreiche Systeme zur Bevölkerungs-warnung aufgebaut. Die Zivilschutz-Sirenen wurden jedoch Ende 1992 als solche außer Betrieb genommen.

Von den ehemaligen Zivilschutzsirenen wurden ca. 8.000 von 11.000 Sirenen kostenlos von den bayerischen Gemeinden übernommen. Diese dienen bis heute weiterhin lokal für Zwecke des Brand- und Katastrophenschutzes und werden auf Kosten der Gemeinden weiterbetrieben.

In den Jahren 1999-2001 haben wir in einem staatlichen Förderprogramm ca. 1.000 Sirenen im 25 Kilometer-Umkreis um die Kernkraftwerke in Bayern so nach-gerüstet bzw. ausgestattet, dass sie über Funk angesteuert und mit ihnen das Signal "Rundfunkgeräte einschalten und auf Durchsagen achten" (einminütiger Heulton) gegeben werden kann.

Anfang des Jahres 2002 haben wir ein Förderprogramm aufgelegt, um auch die Sirenen in der Umgebung von Betrieben mit erheblichem Gefahrenpotenzial (der Störfall-Verordnung unterliegende Betriebe mit sog. erweiterten Pflichten) entsprechend nachzurüsten bzw. um neue Sirenen zu errichten. Aus dem Sicherheitskonzept Bayern standen hierfür im Fonds zur Förderung des Katastrophenschutzes Fördermittel von 3,25 Mio. € zur Verfügung. Mit diesen Mit-teln konnten wir auch die Neuerrichtungen von Sirenen zur Schließung von Lücken bei der Sirenenwarnung in der Umgebung kerntechnischer Anlagen bezuschussen.

Wir haben somit in den vergangenen Jahren vor allem in der Umgebung von Kernkraftwerken in erheblichem Umfang Sirenen wieder aufgebaut bzw. reaktiviert, um eine schnelle Warnung der Bevölkerung zu erreichen.

Sorgen Sie für die Bereitstellung von Jodtabletten für die Bevölkerung bei den Feuerwehren und Apotheken?

Es gibt in Bayern ein Jodtablettenverteilungskonzept, das bereits in mehreren Übungen erprobt wurde und eine schnelle Verteilung der Kaliumjodidtabletten an die betroffene Bevölkerung innerhalb weniger Stunden gewährleistet. Im Ereignis-fall kann die Bevölkerung die Jodtabletten bei den Feuerwehrgerätehäusern und Apotheken nach Aufforderung durch die Katastrophenschutzbehörden abholen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Jodtabletten ist in ganz Bayern gewährleistet. Die Jodtabletten werden je nach Entfernung zu kerntechnischen Anlagen vor Ort gelagert bzw. aus zentralen Jodtablettenlagern des Bundes angeliefert.

Wohin soll ich im hoffentlich niemals eintretenden Evakuierungsfall flüchten?

Wohin bei Ereignissen mit einer Freisetzung von gesundheitsgefährdenden Stof-fen evakuiert wird, ist im wesentlichen von der Windrichtung, aber auch von anderen Faktoren im Zeitpunkt des Ereignisses bzw. der Freisetzung abhängig. Daher kann erst im konkreten Fall entschieden werden, ob und wohin evakuiert werden soll.

Sollte eine Evakuierung erforderlich sein, werden Sie daher über Rundfunkdurch-sagen von der Katastrophenschutzbehörde über den Evakuierungsweg und den Aufnahmeort informiert, zu dem Sie sich begeben sollten.

Wo bekomme ich kurzfristig „meine“ Jodtabletten?

Sobald Sie im Ereignisfall zum Abholen der Jodtabletten per Rundfunkdurchsage aufgefordert wurden, erhalten Sie diese am nächstgelegenen Feuerwehrgerätehaus oder an der nächstgelegenen Apotheke.

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Herrmann
Staatsminister

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