Frage an Joachim Herrmann von Markus H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Hermann,
zu ihrer Pressemitteilung 127/09 vom 31.3 möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen.
(nachzulesen auf: www.stmi.bayern.de/presse/archiv/2009/127.php )
Am Ende des Artikels findet sich folgender Satz:
"Killerspiele widersprechen dem Wertekonsens unserer auf einem friedlichen Miteinander beruhenden Gesellschaft und gehören geächtet. In ihren schädlichen Auswirkungen stehen sie auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie, deren Verbot zurecht niemand in Frage stellt."
Wodurch definieren Sie den Wertekonsens unseres friedlichen Miteinander?
Täglich sind im Fernsehen brutale und gewaltverherrlichende FIlme zu sehen. Während dem Militärdienst werden Wehrpflichtige zum Töten ausgebildet. Inwiefern sind diese Tatsachen mit unserem Wertekonsens vereinbar, im Gegensatz zum simulierten Töten in Videospielen?
Desweiteren setzen Sie die Auswirkungen mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern gleich, meiner Meinung nach ein misslungener Vergleich. Hierzu hätte ich gerne eine wissenschaftlichen Beleg, der den Zusammenhang zwischen Computerspielen und Gewaltbereitschaft belegt. Es ist anzunehmen, dass persönliche und seelische Probleme im sozialen Umfeld (Mobbing, Isolation) die Hauptursachen für Amokläufe unter Jugendlichen sind. Gewaltspiele sind für Minderjährige gar nicht zulässig, wodurch man auf eine eher geringe Jugendgefährdung schließen sollte.
Auch den Vergleich mit den Drogen halte ich für sehr unpassend.
Alkohol und Tabak sind trotz ihrer Integration in die Gesellschaft und Legalität ernstzunehmende Drogen. Bemerken Sie nicht, dass das Verbot von sogenannten weichen Drogen schon seit Ewigkeiten in Frage gestellt wird? Ist Ihnen bewusst, dass die gesundheitlichen Risiken durch Cannabiskonsum durchaus mit denen von Alkohol und Zigaretten vergleichbar sind und die Verfolgung der Konsumenten Justiz und Polizei mit gewaltigen Summen belastet?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen, M. Hoffmann
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
am 26.12. letzten Jahres hatten Sie mir einige Fragen zu meiner Pressemitteilung vom März 2009 zum Thema Killerspiele gestellt. Da das Thema unverändert von großer Aktualität ist, werden Sie mir nachsehen, dass ich Ihnen erst heute antworte.
Das Thema gewalthaltige Computerspiele ist mir ein ernstes Anliegen. Als Innenminister setze ich mich schon lange mit den problematischen Auswirkungen gewalthaltiger Computerspiele auseinander und mache mir ernsthafte Sorgen um die zunehmende Selbstverständlichkeit von Gewalt in unserer Gesellschaft. Mit meinem Vergleich mit Drogen und Kinderpornografie wollte ich vor allem aufrütteln. Denn während Drogenkonsum in unserer Gesellschaft mit Recht nicht akzeptiert ist und Kinderpornografie allgemein auf Verabscheuung stößt, werden die Gewaltorgien auf Computerbildschirmen in ihren Auswirkungen leider von Vielen verharmlost und schön geredet.
Dabei ist die immer wieder zu lesende Behauptung schlichtweg falsch, es gäbe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über die schädliche Wirkung gewalthaltiger Computerspiele. Zwischenzeitlich gibt es zahlreiche Untersuchungen anerkannter Wissenschaftler aus der Medienwirkungsforschung und den Neurowissenschaften, wonach die Gewaltbereitschaft steigt und die Fähigkeit sinkt, Mitleid zu empfinden, je intensiver jemand gewalthaltige Computerspiele spielt. Das Spielen derartiger Spiele, bei dem der Spieler handelnder Akteur ist und in eine mittlerweile fotorealistische virtuelle Welt eintaucht, unterscheidet sich hinsichtlich der schädlichen Auswirkungen dabei ganz deutlich vom bloßen passiven Betrachten vergleichbarer Filme. Der Leiter der Klinik für Psychiatrie am Universitätsklinikum Ulm, Professor Dr. Manfred Spitzer, sagt dazu: „Diese Spiele hinterlassen tiefe Spuren im Gehirn: Es gibt viel Gewalt, es gibt keine Alternativen zu Gewalt, sie tut nicht weh, und ich komme davon. Wenn ich das 200.000 Mal multimedial lerne, dann habe ich das intus.“
Sie haben selbst alle Möglichkeiten, im Internet zu recherchieren. Prüfen Sie selbst, wie überzeugend die Studien und Forschungsergebnisse sind, die dort zu finden sind, und vor allem, prüfen Sie kritisch, welchen Interessen sie dienen und welcher Geldgeber dahinter steht. Hier geht es um einen Milliardenmarkt. Hinweisen möchte ich besonders auf den internationalen Kongress „Computerspiele und Gewalt“ im November 2008, dessen Ergebnisse unter http://www.hm-medienkongress.de nachgelesen werden können. Eine neue Metastudie aus den USA, die 130 Forschungsergebnisse mit mehr als 130.000 Versuchspersonen auswertet, kommt zu eindeutigen Ergebnissen: "Wir können nun mit höchster Zuversicht sagen", so der Mitautor der Studie, Craig Anderson, "dass man unabhängig von der Forschungsmethode und von den Kulturen, die in dieser Studie getestet wurden, dieselben Ergebnisse erhält", also dass mit gewalthaltigen Computerspielen die Wahrscheinlichkeit für kurz- und langfristig erhöhtes aggressives Verhalten steigt. Einzelheiten finden Sie unter http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32176/1.html
Als Politiker und Innenminister, der ich tagtäglich mit der zunehmenden Gewalt gerade auch junger Menschen zu tun habe, können mich diese Forschungsergebnisse nicht kalt lassen. Ich trage auch Verantwortung für meine häufig auch noch jungen Polizeibeamten, die bei ihrer täglichen Arbeit selbst Opfer von Gewalt werden. Wir können auch die Tatsache nicht wegdiskutieren, dass bei fast allen Amokläufen, die wir in Deutschland bislang erleben mussten, der Amokläufer im Besitz von Killerspielen war.
Ich fordere deshalb schon lange ein gesetzliches Herstellungs- und Verbreitungsverbot für Killerspiele. Ein solches findet sich zwar bereits grundsätzlich in § 131 Strafgesetzbuch (StGB), der Gewaltdarstellungen unter Strafe stellt und über eine Verweisung auch auf „Datenspeicher“ anwendbar ist. Mit Ausnahme weniger Beschlagnahmen läuft dieser Straftatbestand bei Computerspielen aber weitgehend leer. Die Ursache liegt vor allem in der nach meiner Ansicht viel zu großzügigen Kennzeichnungspraxis der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK). Ein Spiel, das von der USK einmal für den Markt freigegeben worden ist – dazu reicht die Kennzeichnung „keine Jugendfreigabe“ aus –, kann nach der derzeitigen Rechtslage nicht mehr von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert werden. Im Ergebnis entfällt dann auch jede Möglichkeit einer Strafverfolgung nach § 131 StGB, da Herstellern und Verbreitern derartiger Spiele kein strafrechtlich relevanter Vorsatz mehr nachgewiesen werden kann. Das geltende Jugendschutzrecht lässt daher zu, dass höchst problematische, gewalthaltige Spiele in Deutschland frei verkäuflich sind. Ist ein Spiel erst einmal freigegeben, gelangt es schnell in die Hände von Kindern und Jugendlichen; der Aufdruck „keine Jugendfreigabe“ hat hier eher Anreizwirkung. Eltern, das müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, sind häufig schon aus Zeitgründen nicht in der Lage, dies zu verhindern.
Ich freue mich, dass Sie anders als viele Andere bei diesem Thema ernsthafte Fragen stellen und nach Antworten suchen. Ich würde mich freuen, wenn meine Antworten Anlass für Sie wären, über die Problematik noch einmal nachzudenken. Wir wollen keine Gesellschaft, in der Gewalt zur Selbstverständlichkeit wird. Deshalb muss Gewalt geächtet werden, auch auf den heimischen Computern. Der Staat allein kann mit Verboten oder durch Erziehung zu Medienkompetenz in den Schulen nur einen Teil beitragen. Gefordert sind wir alle, wenn es darum geht, eine humane Gesellschaft zu verwirklichen, die der Werteordnung des Grundgesetzes und damit in erster Linie der Würde des Menschen entspricht.
gez. Joachim Herrmann, MdL
Staatsminister