Frage an Joachim Günther von uwe h. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Günther,
1. Ist Ihrer Meinung der Verkauf von 49% der DB notwendig, wenn ja warum?
Es wird in der Öffentlichkeit kommuniziert dass sich die Leistungsfähigkeit der Bahn im Fernverkehr, in den Nebenstrecken, im nationalen und internationalen Wettbewerb verbessern soll.
2. Warum sollten private Investoren Gewinne aus dem internationalen Logistikgeschäft nutzen um deutsche Nebenstrecken zu unterstützen und den deutschen Pendlern preiswertere und attraktive Angebote in der Fläche zu unterbreiten?
3. Kennen Sie potentielle Investoren und deren Vertreter?
Der Bund kann das Netz durch Zahlung eines Wertausgleichs wieder unter seine Kontrolle bringen. Der Wertausgleich wird teilweise doppelt so hoch wie der geplante Verkaufserlös geschätzt?
4. Würden Sie darin einen Verkauf des Netzes durch die Hintertür sehen?
5. Sind Sie dafür bei Verkauf sofort Rücklagen für den später eventuell zu zahlenden Wertausgleich zu bilden?
6. Kennen Sie das britische privatisierte Eisenbahnsystem persönlich?
7. Glauben Sie das eine privatisierte DB zu mehr Wettbewerb mit positiven Auswirkungen für den deutschen Bahnkunde führt? Wenn ja, wie? Der Bahnkunde will ja zu einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Ort, es gibt aber nur ein Gleis auf dem nicht zwei Züge gleichzeitig fahren können. Also kann sich bestenfalls nur der Kunde zwischen zwei Anbietern entscheiden dem die Zeit egal ist. Oder? Ist das der Wettbewerb den Sie wollen?
8. Sehen Sie einen Widerspruch zwischen Wert der DB und geplantem Verkaufserlös?
9. Sehen Sie einen Widerspruch in dem Versprechen dass durch die Privatisierung mehr in die DB investiert werden kann und den Renditeerwartungen der Investoren?
10. Welche 10 Vorteile (die sich auch nachprüfen und abrechnen lassen) sehen Sie für die Kunden einer privatisierten DB im Vogtland?
11. Warum ist es Ihrer Meinung nach noch nicht gelungen Angebote zu unterbreiten die genau auf die Zielgruppe der wöchentlichen Fernpendler zugeschnitten sind?
Vielen Dank
Uwe Härtel
Für die FDP ist die anstehende Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG ein wichtiges Thema. Dabei orientieren wir uns unverändert an den Zielen der Bahnreform, die wir 1993 als Regierungsfraktion maßgeblich auf den Weg gebracht haben. Wir wollen den Verkehrsträger Schiene stärken und die Belastungen des Steuerzahlers senken. Das Schlüsselinstrument dafür ist Wettbewerb auf der Schiene, den wir konsequent fördern wollen. Eine Wettbewerbsbranche Schienenverkehr ist auch die beste Gewähr für die Sicherung von Beschäftigung im Bahnsektor. Dies sind somit die Leitlinien für unsere Position zur Bahnprivatisierung.
Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt das Modell der geplanten Teilprivatisierung, das Verkehrsminister Tiefensee jetzt vorgestellt hat, entschieden ab. Ich will aber nicht ausschließen, dass dabei für uns auch andere Motive maßgeblich sind, als die in Ihrem Brief angesprochenen Punkte. Wir wenden uns nicht grundsätzlich gegen eine Privatisierung der Deutschen Bahn, sondern wollen sichergestellt wissen, dass Wettbewerb auf der Schiene möglich ist und eine klare Unterscheidung zwischen staatsnahen und staatsfernen Aufgaben erfolgt.
Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion muss daher bei der Privatisierung zwischen den Infrastrukturbereichen einerseits und den Transport- und Logistikbereichen andererseits unterschieden werden. Nach Art. 87e Absatz 3 Grundgesetz muss der Bund dauerhaft Mehrheitseigentümer der Infrastrukturgesellschaften bleiben. Das ist auch sinnvoll, weil die Infrastruktur – also vor allem das Schienennetz – dauerhaft nur mit hohen Zuschüssen des Bundes unterhalten werden kann. Eine Privatisierung würde dazu führen, dass die Zuschüsse letztlich in Aktionärsdividenden verwandelt würden, was selbstverständlich nicht Sinn der Sache sein kann. Außerdem muss auch berücksichtigt werden, dass die Infrastruktur als Drehscheibe des Verkehrs auch das Schlüsselinstrument ist, um Wettbewerb auf der Schiene zu behindern. Aus diesem Grunde wollen wir, dass die Infrastruktur erstens vom restlichen DB-Konzern getrennt und zweitens nicht privatisiert wird.
Nach unserer Auffassung kann es nicht im Interesse des Bundes oder allgemein des deutschen Steuerzahlers liegen, mit der Deutschen Bahn AG unter Einsatz von Steuermitteln einen global agierenden Mobilitäts- und Logistikdienstleister aufzubauen. Ein solcher Staatskonzern passt nicht in die Unternehmenslandschaft. Es wäre eine grobe Verletzung der ordnungspolitischen Spielregeln gegenüber privaten Unternehmen derselben Branche, die sich nicht auf eine staatlich garantierte Konkursfestigkeit verlassen können. Aufgabe des Staates ist die Wahrnehmung der Infrastrukturverantwortung – nicht mehr und nicht weniger. Als Transport- und Logistikunternehmer ist der Staat weder gefragt noch kompetent. Ein integrierter Börsengang verbietet sich aus allen diesen Gründen. Die Privatisierung der Transport- und Logistiksparten hingegen ist für die FDP eine selbstverständliche Forderung, denn diese Geschäftsfelder haben - anders als die Infrastruktur - nichts mit staatlichen Aufgaben zu tun.
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach welchem der Bund zwar formaler Eigentümer der Infrastrukturgesellschaften bleiben soll, das wirtschaftliche Eigentum in diesen Gesellschaften jedoch der DB AG übertragen wird. Damit kommt es faktisch doch zu einer Teilprivatisierung des Schienennetzes. Es handelt sich um ein verkapptes Integrationsmodell. Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt dieses so genannte „Eigentumssicherungsmodell“ ab. Es besitzt alle Nachteile des Integrationsmodells im Hinblick auf nachteilhafte Wirkungen auf den Wettbewerb, die Stärkung der Schiene im intermodalen Wettbewerb und die Entwicklung der Kosten für die Steuerzahler. Besonders absurd ist, dass der Bund später – will er das Netz als bundeseigenes Unternehmen weiter führen – einen Wertausgleich zahlen muss, der mit mindestens 7,5 Milliarden Euro höher sein wird, als die jetzt für die Hälfte des Gesamtkonzerns zu erwartenden Privatisierungserlöse (5 – 8 Mrd. Euro).
Aus all diesen Gründen halten wir es für richtig, die Infrastruktur bei einer bundeseigenen Gesellschaft zu belassen und die Transport- und Logistiksparten der Bahn zu privatisieren. Diese Privatisierung halten wir jedoch – möglicherweise im Unterschied zu der von Ihnen vertretenen Position – für richtig, weil nicht einzusehen ist, warum der Bund sich dauerhaft als Transport- und Logistikunternehmer betätigen sollte. Einig sind wir mit Ihnen in der Ablehnung des jetzigen Privatisierungskurses der Regierung. Durch unser Modell wäre auch sichergestellt, dass es zu keinen Streckenstilllegungen in der „Fläche“ kommt. Gleichzeitig würde das System Schiene insgesamt durch verbesserten Wettbewerb gestärkt.