Wann wird das papierlose Büro Wirklichkeit?
Sehr geehrter Herr Zimmermann,
ich versuche mich am papierlosen Büro. Das ist in Deutschland eigentlich unmöglich. Anders als in den meisten unserer Nachbarländern hat die Papierform immer noch ein Vorrecht. Dokumente gelten nur als Dokumente, wenn sie in Papierform vorliegen (z.B. für Heiratsurkunden, Sozialversicherungsausweis, Grundbuchauszüge, Verfügungen, Policen, Mietverträge, Steuerunterlagen, Vollstreckungsbescheide). Zum Teil gelten Aufbewahrungsfristen über Jahrzehnte (z.B. Urteile). Noch schlimmer sieht es in der Geschäftswelt aus, wo kleine Unternehmen manchmal Garagen anmieten müssen, um ihren Akten aufzubewahren. In Dänemark gilt hingegen ein digitales Dokument mittlerweile als das Original und Ausdrucke nur als Kopie und nicht umgekehrt. Viele Länder bereiten sich auf automatische Prozesse mittels KI vor, was in Deutschland wegen der Papierform gar nicht geht. Wann stellt die Politik endlich die Weichen für das 21. Jahrhundert?
Mit freundlichen Gruessen
Andy R.
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie haben recht, dass das Schriftformerfordernis in vielen Fällen Papier verlangt und auch Aufbewahrungsfristen erheblichen Aufwand verlangen. An beiden Punkten setzt die Bundesregierung derzeit an. Im Rahmen des Deutschlandpakts stellt die Digitalisierung der Verwaltung eine zentrale Säule dar.
Im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) ist sowohl eine Reduzierung der Schriftformerfordernisse als auch eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen geplant. Ersteres soll so weit wie möglich komplett abgeschafft werden und ansonsten auf die Textform (z. B. E-Mail) herabgestuft werden. Bei den handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege wie z. B. Rechnungskopien, Kontoauszüge und Lohn- und Gehaltslisten ist eine Verkürzung von zehn auf acht Jahre geplant. Die Unternehmen können die Belege daher früher als bisher entsorgen und sparen dadurch erhebliche Aufbewahrungskosten.
Neben dem BEG IV sind weitere gesetzliche Maßnahmen im Kommen, um die Trendwende in den bürokratischen Belastungen zu erreichen. Mit dem neuen Instrument des Praxis-Checks werden bürokratische Belastungen über alle politischen Ebenen und im Zusammenspiel verschiedener Regelungen und Normen identifiziert. Beispielsweise betrifft das auch den ihrerseits angesprochenen Bereich der Unternehmensgründungen.
Ein wesentlicher Schritt für die Digitalisierung stellt die Reform des Online-Zugangsgesetzes (OZG) statt. Im Fokus stehen insbesondere 15 für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besonders relevante Verwaltungsleistungen. Sie sollen spätestens 2024 in allen Teilen Deutschlands flächendeckend digital zur Verfügung stehen. Auch wenn Gesetze in Deutschland im Regelfall von den Ländern und Kommunen ausgeführt werden, sollen bestimmte „Basisdienste“ durch den Bund zur Verfügung gestellt werden, ohne die die Digitalisierung der Verwaltung nur schwer möglich ist. Dazu gehört ein bundesweit gültiges digitales Bürger- und Organisationskonto, die sogenannte Bund-ID. Außerdem soll einheitlich geregelt werden, dass es Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen ermöglicht wird, ihre Daten nur einmal angeben zu müssen – und sie nicht bei jedem Antrag neu eingetragen werden müssen („Once-Only“-Prinzip). In diesem Rahmen ersetzt das OZG Schriftformerfordernisse im Rahmen der digitalen Beantragung von Verwaltungsleistungen sowie durch die Einführung eines schriftformorientierten qualifizierten elektronischen Siegels.
Unser Ziel ist es, den langjährigen digitalen Reformstau zu überwinden. Schriftformerfordernisse müssen künftig die Ausnahme darstellen. Das macht die Verwaltung nicht nur effizienter, sondern auch kostengünstiger.
Gerne stehe ich für Rückfragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Zimmermann