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Jens Zimmermann
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Frage von Roman S. •

Guten Tag Herr Zimmermann, ist es aus Ihrer Sicht möglich, verurteilte Verfassungsfeinde, wie z.B. Höcke, über gesetzliche Wege aus Parlamenten fernzuhalten?

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Sehr geehrter Herr S.,

unsere wehrhafte Rechtsordnung sieht verschiedene Optionen vor, Personen und Parteien mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen aus den Parlamenten herauszuhalten. Die Maßnahmen sind allesamt rechtsstaatlich. Wenn einzelne Maßnahmen gegen einzelne Abgeordnete ergriffen werden, dann weil es Gesetze gibt, gegen die der einzelne AfD-Abgeordnete zuvor verstoßen hat und weil ein Gericht das festgestellt hat.

Wahlrechtsausschluss durch Richterspruch:

Das wird besonders deutlich, wenn man das Wahlgesetz betrachtet. Nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 BWahlG verliert ein Abgeordneter seine Mitgliedschaft, wenn der Erwerb des Mandats ungültig war, weil die Wählbarkeitsvoraussetzungen nicht vorlagen (§ 15 BWahlG). Das ist auch der Fall wenn eine Person gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 BWahlG durch Richterspruch vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. Diese schwerwiegende Sanktion wird im Strafgesetzbuch explizit und nur bei staatsgefährdenden Straftaten angeordnet. Die Folge ist nicht nur ein Verbot Parteimitglied zu sein (§ 10 Abs. 1 Satz 4 PartG), sondern auch aktiv an der Bundestagswahl teilzunehmen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 PartG). Herr Höcke wurde zwar bereits wegen verschiedener Straftaten verurteilt, jedoch bislang wegen keiner, die einen Wahlrechtsausschluss zur Folge hat. Auch in der bundesdeutschen Geschichte gab es bislang nur wenige Fälle in denen ein Wahlrechtsausschluss ausgesprochen wurde.

Aufhebung der Immunität durch den Bundestag

Wegen anderer Straftaten sind Ermittlungsmaßnahmen zulässig. In diesen Fällen entscheidet der Bundestag im Vorfeld über die Aufhebung der Immunität des jeweiligen Abgeordneten (Art. 46 Abs. 2 GG). Die Immunität von Höcke wurde bspw. schon sieben Mal aufgehoben. Nach einer Aufhebung ist eine strafrechtliche Verurteilung, auch zu einer Freiheitsstrafe möglich. Auch auf diesen Weg können Abgeordnete vom Parlament ferngehalten werden.  Dem Bundestag bleibt es jedoch vorbehalten, die Freiheitsentziehung auszusetzen (Art. 46 Abs. 4 GG). Dass dies nicht nur ein hypothetisches Szenario ist, zeigt der Fall des bayrischen „Landtagsabgeordneten“ der AfD, der wegen Verdachts u.a. auf Volksverhetzung von der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft genommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist der bayrische Landtag noch nicht zur konstituierenden Sitzung zusammengekommen, sodass der „Abgeordnete“ noch über keine Immunität verfügte.

Parteiverbot durch das Bundesverfassungsgericht:

Als weitere Möglichkeit bleibt ein Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG. In der Folge verlören die AfD-Abgeordneten ihre Mitgliedschaft im Bundestag (§ 46 Abs. 1 Nr. 5 BWahlG). Die Anforderungen an ein solches Parteiverbot sind jedoch hoch. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, dass die AfD seit 2021 umfänglich vom Bundesverfassungsschutz beobachtet wird, weil es Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche und rechtsextreme Bestrebungen gibt. Bei einer weiteren Radikalisierung bei gleichzeitigem Mandatserfolg, erhärten sich auch die Überlegungen ein solches Verbotsverfahren einzuleiten. Dies schließe ich für die Zukunft nicht aus.

Grundrechtsverwirkung durch das Bundesverfassungsgericht:

Eine letzte und bisher ungenutzte Möglichkeit ist die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG. Danach könnte das BVerfG aussprechen, dass einzelne AfD Abgeordnete ihre Freiheitsrechte missbrauchen, ihre Grundrechte für eine bestimmte Zeit verwirken. Auf diesen Weg könnten AfD abgeordnete ebenfalls ihr Mandat verlieren. Die rechtlichen Maßstäbe sind allerdings noch ungeklärt.

Das bringt mich zu meiner letzten Bemerkung: Die hier aufgeführten Maßnahmen sind eine Ultima Ratio unseres Rechtsstaats. Ihre Bedeutung hängt von der Seltenheit ihres Einsatzes ab. Wir werden diese Maßnahmen deshalb nicht leichtfertig ergreifen. Am Ende des Tages befreit uns nichts davor, tagtäglich politisch gegen die AfD anzukämpfen. Unser Ziel bleibt es, dass die AfD in den nächsten Wahlen nicht mehr im Parlament vertreten ist, weil die Wählerinnen und Wähler das nicht wollen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Jens Zimmermann

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