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Jens Teutrine
FDP
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Frage von Ulrike M. •

Wieso sagen Sie im Tagesspiegel, dass im Eckpunktepapier zur Kindergrundsicherung "nicht einmal eine Größenordnung" steht, obwohl man die Zahlen einfach addieren kann (je nach Alter 473/503/575 Euro)?

Das Eckpunktepapier ist Ihnen, sehr geehrter Herr Teutrine, sicherlich bekannt. Veröffentlicht ist es z.B. hier https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Familienpolitik/Dokumente/2023_01_BMFSFJ_Eckpunktepapier%20Kindergrundsicherung.pdf

Darin werden der Garantiebetrag mit 250 Euro genau beziffert und für den Zusatzbetrag die Bestandteile (Regelsätze, Wohnkostenpauschale in Höhe von 120 Euro, Teilhabepauschale in Höhe von 15 Euro, Sofortzuschlag) genannt. Die Höhe der Regelsätze und des Sofortzuschlags sind gesetzlich bestimmt und allgemein zugänglich (Anlage zu § 28 SGB XII; § 72 SGB II).

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre wichtige Frage. Denn wie hoch die Kindergrundsicherung eigentlich sein soll, wird in der gegenwärtigen Debatte viel zu selten thematisiert. Immer geht es um zusätzliche 12 Milliarden Euro, die Bundesministerin Paus für die Kindergrundsicherung einfordert, ohne die genauere Verwendung transparent offenzulegen. Nie geht es aber darum, was mit diesem Geld eigentlich bezweckt wird und wie es sich auf die Höhe der Kindergrundsicherung auswirken soll.

In der Tat haben wir derzeit ein unübersichtliches Netz verschiedener Sozialleistungen für Kinder: Der Bund allein stellt 150 familienpolitische Leistungen und Maßnahmen zur Verfügung. Keiner Familie ist es zuzumuten, bei diesem Dschungel an Ansprüchen den Überblick zu behalten.

Ein komplexes System und viel Bürokratie führen leider zu der Situation, dass beispielsweise beim Bildungs- und Teilhabepaket nur 15 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel abgerufen werden, dafür aber ein Drittel des Geldes in Bürokratie versickert. Insgesamt zeigt sich so ein Bild eines nicht unterfinanzierten dafür aber zutiefst dysfunktionalen Sozialstaates.

Was es braucht, ist daher eine Vereinfachung des bestehenden Leistungsnetzes. Als FDP wollen wir die Kindergrundsicherung so umsetzen, wie wir sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben: Im Zentrum soll die Bündelung und die zielgenaue Auszahlung der bestehenden Ansprüche stehen. Wie sie es beschreiben, ist es die Vorstellung der Koalition, dass die bisherigen Leistungen automatisch zusammengerechnet werden und unbürokratisch digital beantragt werden können. Dafür soll, wie es im Koalitionsvertrag beschrieben ist, ein digitales Kinderchancenportal, welches auch den Zugang zum Bildungs- und Teilhabepaket vereinfachen soll, eingeführt werden.

Gerade aber dieses Hauptanliegen kommt in dem Eckpunktepapier von Frau Paus zu kurz. Viele Punkte, die nicht im Koalitionsvertrag vereinbart sind, versucht Lisa Paus durch die Hintertür durchzusetzen, beispielsweise die Aufweichung des AsylBLG und die direkten Auszahlungen der Mittel für die Mitgliedschaft in einen Sportverein. Gleichzeitig fehlen im Eckpunktepapier Aspekte, die im Koalitionsvertrag vereinbart sind, beispielsweise das Kinderchancenportal und die Frage nach dem Lohnabstand. Auch interministerielle Arbeitsgruppen unter Federführung des Familienministeriums, die hierzu Vorschläge entwickeln sollten, sind ergebnislos. Insgesamt zeigt sich daher, dass es Frau Paus nicht gelingt ein funktionierendes Konzept für die Kindergrundsicherung zu entwerfen und viele Fragen der Reform unbeantwortet bleiben.

Auch die von Ihnen angesprochene Höhe der Kindergrundsicherung wird in dem Eckpunktepapier nicht ausführlich thematisiert. Zwar beschreibt das Eckpunktepapier wie hoch derzeit die kindesbezogenen Sozialleistungen sind. Darüber hinaus möchte aber Familienministerin Paus auch eine Neudefinition des soziokulturellen Existenzminimums für Kinder vornehmen, was unmittelbar zu einer Veränderung der bestehenden Leistungen führen würde. Das Eckpunktepapier sieht also keineswegs vor, dass die bisherigen Leistungen lediglich addiert werden, sondern zielt im Ergebnis auf eine Anhebung ab. Sie spricht auch öffentlich davon, dass die Höhe der Leistungen steigen sollen. Auf die Nachfrage nach konkreten Zahlen, weicht Familienministerin Paus aus.

Angesichts dieser nur vagen Formulierung der Leistungshöhe bei gleichzeitiger konkreter Forderung einer Summe von 12 Milliarden Euro, ist die Frage nach der Größenordnung der Kindergrundsicherung durchaus berechtigt.

Es geht der FDP schließlich nicht darum die Kindergrundsicherung zu verhindern, sondern im Gegenteil konstruktiv an einem mehrheitsfähigen Entwurf mitzuwirken. Dieser muss aber zuerst die strukturellen Probleme des Sozialstaates lösen, bevor nochmal mehr Geld in das System gespült wird. Darauf haben sich auch die Grünen im Koalitionsvertrag verständigt. Jedenfalls die Familien und Kinder haben eine konstruktive Debatte über die Kindergrundsicherung verdient.

Mit freundlichen Grüßen

Jens Teutrine

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