Nehmen Sie Ihr Amt ernst?
Sehr geehrter Herr Teutrine
Sie geben auf der Seite des Bundestages an, dass Sie über keinen berufsqualifizierenden Abschluss verfügen und auch über keine berufliche Erfahrung. Ihre Erfahrung setzt sich ausschließlich aus Tätigkeiten für die FDP-Parteiorganisation zusammen.
Wie können Sie fundierte Entscheidungen, die Auswirkungen auf viele Menschen haben, ohne eine eine fundierte berufliche Qualifikation treffen, gerade im sozialen Bereich?
Darüber hinaus geht aus den Protokollen des Bundestages hervor, dass Sie an nahezu 10 Prozent der Plenartagungen und mehr als 7 Prozent der Abstimmungen gefehlt haben, also nicht Ihren beruflichen Pflichten nachgekommen sind. Auch sind keine Fragen an die Bundesregierung verzeichnet, was im Rahmen der Regierungskontrolle die Kernaufgabe des Parlaments ist.
Wie können Sie ein solches Verhalten, welches bei anderen Arbeitnehmern zu Konsequenzen führt, erklären, dass Sie an einer solch hohen Anzahl von Tagen Ihren Pflichten nicht nachgekommen sind?
Sehr geehrte Frau B.
ich möchte Ihrer Darstellung meiner Person mit aller Deutlichkeit widersprechen:
1. Seit meinem 18. Lebensjahr finanziere ich mir meinen Lebensunterhalt stets eigenständig. Unter anderem habe ich als Nachtwache in einer Wohngruppe für Demenz-Kranke, im Baumarkt und später als Seminarleiter für politische Bildung sowie im Online-Marketing gearbeitet. Ich finde, dies sind alles ehrenwerte Tätigkeiten, die mir immer wieder neue Perspektiven eröffnet haben. Auch mein schulischer Werdegang, der auf einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache begann, ist eine Lebenserfahrung, die wenige Politiker teilen und aus meiner Sicht gerade im sozialen Bereich einen Mehrwert bietet. Kritisieren Sie gerne meine Äußerungen, Überzeugen und meine konkrete politische Arbeit, der ich versuche mit bestem Gewissen nachzugehen, aber Ihren Vorwurf, es fehle mir an (beruflicher) Erfahrung, um gute parlamentarische Arbeit zu machen, weise ich zurück.
2. Auf den Vorwurf, dass ich meinen Pflichten als Abgeordneter nicht nachkommen würde, möchte ich ebenfalls eingehen. Es stimmt, dass ich Stand 13. März 2023 an 5 von 75 Abstimmungen nicht teilgenommen habe. Diese fanden vorwiegend am 17. Und 18. März 2022 statt, wo ich krankheitsbedingt nicht in den Bundestag kommen konnte. Ebenso verhält es sich mit meiner Abwesenheit bei Plenarsitzungen. Hier konnte ich krankheitsbedingt an Sitzungen im Jahr 2022 nicht teilnehmen oder habe schlicht vergessen meine Anwesenheit durch eine Unterschrift nachzuweisen. Nach Daten der DAK haben sich im Jahr 2022 Arbeitnehmer durchschnittlich 20 Tage und damit wesentlich häufiger als ich krank gemeldet. Mir zu unterstellen, ich würde überdurchschnittlich häufig fehlen, ist daher absurd. Im Übrigen führt selbst, wenn ich meine Abwesenheit bei der Bundestagspräsidentin entschuldige, inklusive ärztliches Attest dazulege, dazu dass diese als Fehltage dokumentiert werden. Auch führt dies - aus meiner Sicht richtigerweise - zu einer Kürzung der Leistungen nach §§ 14 und 15 AbgG.
3. Weiterhin kritisieren Sie, ich hätte noch keine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Es ist gängige Praxis, dass das Instrument der Anfrage von den Oppositionsfraktionen zur Kontrolle der Regierung wahrgenommen wird. Als Mitglied einer Fraktion, die an der Regierung beteiligt ist, habe ich andere Möglichkeiten an Informationen zu kommen, die Regierung zu kontrollieren und politische Arbeit zu betätigen. Übrigens habe ich im Plenum durchaus beim Format der Regierungsbefragung Themen artikuliert. Als zuständiger Politik für die Bürgergeldreform meiner Fraktion habe ich im letzten Jahr außerdem das Bürgergeld-Gesetz maßgeblich mitverhandelt und hier selbstverständlich auch Kontakt zum Bundesministerium für Arbeit und Soziales und zum zuständigen Minister Hubertus Heil gehabt. Offizielle Anfragen an das Ministerium haben sich aufgrund der Zusammenarbeit aber erübrigt.
Insgesamt zeigt Ihre Frage aber, dass anders als jeder andere Beruf, Politiker und insbesondere Abgeordnete in einem ganz besonderen Abhängigkeitsverhältnis stehen – nicht zu einem Vorgesetzten, sondern zu den Wählerinnen und Wählern. Es ist daher gut und keineswegs selbstverständlich, dass die Arbeitsnachweise der Abgeordneten so transparent und umfänglich veröffentlicht werden und jedem Bürger zur Verfügung stehen. Für Ihre kritische Analyse dieser Daten bin ich Ihnen daher im Prinzip sehr dankbar, wünsche mir aber, dass Sie mit meinen Erklärungen noch einmal mit einem anderen Blick auf die Angaben schauen.
Für weitere Nachfragen stehe ich Ihnen auch gerne unter jens.teutrine@bundestag.de zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Teutrine