Immer mehr Menschen müssen hungern, wann tut ihre Koalition endlich was?
Sehr geehrter Herrn Teutrin,
Die Sozialverbände schlagen Alarm, denn die Menschen die auf diese soziale Absicherung angewiesen sind kommen damit nicht mehr hin, der Regelsatz ist zu niedrig und wie ich gelesen habe bei vielen Menschen schon Mitte des Monats leer.
Wann wird ihre Koalition tätig?
Reichen die diversen Meldungen von den man mittlerweile immer mehr liest damit sie was tun oder müssen erst Millionen von Menschen klauen gehen damit sie endlich Tätig werden?
Sehr geehrter Herr S.,
wie ich bereits auf Ihre Anfrage vom 12.10.2022 geschrieben habe, entspricht die derzeitige Berechnung des Regelsatzes allen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts und sichert daher das Existenzminimum zuverlässig ab.
Anders als vielleicht angenommen wird er nicht pauschal vom Deutschen Bundestag bestimmt, sondern über eine statistische Warenkorbmethode ermittelt, die auf dem Konsumverhalten der einkommensschwächsten 20 Prozent der Haushaltseinkommen basiert.
Es handelt sich bei dem Regelsatz also nicht um einen künstlich klein-gerechneten Satz, sondern um einen Betrag, von dem tatsächlich 20 Prozent der Haushalte ohne Sozialleistungen alle zum Lebenserhalt nötigen Ausgaben tätigen. Dabei ergibt es sich von selbst, dass von dem Regelsatz keine Luxusaufwendungen oder ein Leben gänzlich ohne Sparsamkeit möglich sind. Niemand aber, der Sozialleistungen bezieht, wird etwas Menschenunwürdiges zugemutet.
Darüber hinaus hat die Ampel-Koalition bereits viele Gesetze auf den Weg gebracht, die die Mehrbelastung durch die Inflation abschwächen. Mit dem Bürgergeld wurde beispielsweise die automatische Anhebung des Regelsatzes angepasst, sodass nunmehr die Inflation mittels einer Prognose im Voraus ausgeglichen wird und nicht, wie es bisher der Fall war, erst nachträglich angepasst wird. So ist auch bei stark steigenden Preisen eine Bedarfsunterversorgung ausgeschlossen. In der Debatte rund um das Bürgergeld gab es eine hohe Sensibilität für den Lohnabstand - der gewährleistet soll, dass es sich Erwerbsarbeit immer spürbar lohnen muss.
Zudem wurden im letzten Jahr zahlreiche Entlastungspakete auf den Weg gebracht, von denen insbesondere Empfänger von Sozialleistungen profitiert haben. Beispielsweise gab es eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro und einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro pro Monat für jedes Kind in von Armut betroffenen Familien.
Bei allen Debatten um die Höhe von Sozialleistungen darf aber nicht aus den Augen gelassen werden, dass wir den Sozialstaat insgesamt neu denken müssen. Es darf nicht sein, dass bei Leistungen für Kinder, beispielsweise dem Bildungs- und Teilhabepaket, ein Drittel der zur Verfügung stehenden Mittel in Bürokratie versickern und nur 15 Prozent der Leistungen überhaupt von den Anspruchsberechtigten abgerufen werden. Insgesamt gibt es über 130 verschiedene Leistungen und Maßnahmen für Familien. Dieses Bürokratielabyrinth kostet viel Geld und führt dazu, dass Betroffene sich nicht zurechtfinden und entmündigt fühlen. Ziel muss es daher sein, den Sozialstaat zunächst in seinen Strukturen zu reformieren, das heißt digitaler und moderner zu gestalten, bevor wir einfach mehr Geld ausgeben.
Mit dem Bürgergeld und der Kindergrundsicherung verfolgt die Koalition gleich zwei große Reformen des Sozialstaats, die gerade diese Modernisierung zum Ziel haben. Ihren Vorwurf, wir würden in diesem Bereich nicht tätig werden, möchte ich daher entschieden zurückweisen.
Sozialpolitischer Fortschritt misst sicher allerdings nicht an der Höhe der Sozialleistungen, sondern an der Effektivität der Maßnahmen und der Chance zu sozialen Aufstieg. Die Brücke in den Arbeitsmarkt sollte daher weiter gestärkt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Teutrine