Frage an Jens Koeppen von Christian Clemens W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Koeppen,
ich richte diese Frage im besonderen auch an u.a. Sie in Ihrer Funktion eines aktiven Mitgliedes der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft.
Nach über einem Jahrzehnt aktiv erworbener Erfahrungen im Rahmen online geführter Diskussionen begrüße ich ausdrücklich die Etablierung von Institutionen wie denen der E-Petition des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages und des assoziierten Diskussions-Forums sowie von "Adhocracy".
Der politische Diskurs und die demokratische Teilhabe ist, damit beschäftigt sich die Kommission eingehend, einem grundlegenden Wandel unterworfen. Die sich durch das Internet und andere digitale Medien ergebenden Möglichkeiten verheißen mannigfaltige, neuartige Strukturen politischer Partizipation und Kommunikation. Die diesbezüglich grundlegenden Weichenstellungen haben einen eminent richtungsweisenden Charakter in bezug auf die Etablierung einer damit assoziierten demokratischen Wirklichkeit. Die demokratische Verantwortung der Enquete-Kommission ist somit in Hinblick auf ihre die Zukunft entscheidend mitgestaltende Einflußnahme kaum hoch genug einzuschätzen. Ich möchte, u.a. auch vor dem Hintergrund der jüngst gemachten und beobachteten Erfahrungen, diese Frage auf nur einen Teilaspekt fokussieren: Die Moderation des Forums des Petitionsausschusses setzt die Richtlinien des Forums um. Hierzu gehört z.B. die Löschung von Beiträgen, die "in keinem sachlichem Zusammenhang zum Anliegen der Petition" stehen. Hierbei zeigte sich, welch unruhestiftendes und diskussionsbeeinflussendes Potential diesem Vorgehen innewohnt. Entsprechend habe ich das Thema "Qualitätssicherung auf dem Gebiet der Moderation" gestartet. Ein analoger "thread" ist in Adhocracy unter "Netzwerkbefähigung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter" zu finden. Mich würde interessieren, welche Stellung Sie persönlich zu dieser Thematik beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian C. Werth
Sehr geehrter Herr Werth,
das Internet ist das freiheitlichste und effizienteste Informations- und Kommunikationsforum der Welt. Es hat unser Leben über alle Grenzen hinweg massiv beeinflusst und birgt eine ungeheure Dynamik und riesige Chancen.
Es stellen sich vor diesem Hintergrund neue Aufgaben für die Netzpolitik und für andere politische Bereiche. Die Enquete Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Deutschen Bundestag arbeitet daher seit über 2 Jahren an den Themen der digitalen Welt, mit ihren großen Chancen, aber auch den Herausforderungen, die Digitalisierung und die moderne Kommunikation mit sich bringen.
Unser Ziel ist es, die Möglichkeiten des Internets für alle Lebensbereiche optimal nutzbar zu machen, die moderne Informations- und Kommunikationsgesellschaft zu stärken sowie die wirtschaftliche Betätigung durch die Digitalisierung zu fördern.
Anbieter und Nutzer müssen sich frei und sicher im Netz bewegen können. Dazu muss es, wie in jeder funktionierenden Gesellschaft oder community, Regeln und Leitplanken geben - auch wenn das nicht gern gehört wird. Politik beginnt mit dem Akzeptieren der Realitäten und deshalb müssen solche Leitplanken moderat und zielführend eingesetzt werden.
Die Bürgerbeteiligung ist von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der Enquete Kommission. Daher haben wir den 18. Sachverständigen berufen - den Bürger.
Viele neue Tools wurden eingerichtet, die im Deutschen Bundestag erstmalig "getestet" werden und sich aus meiner Sicht bewährt haben, zum Beispiel Microsites, Foren, Etherpad und Enquetebeteiligung.de. Vieles ist noch zu behäbig und wird noch nicht vielseitig genug genutzt, aber der Anfang ist getan.
Ähnlich verhält es sich mit der E-Petition des Deutschen Bundestages. Ziel ist es, über die übliche Arbeitsweise hinaus zu gehen und den Bürger schneller und direkt zu erreichen. Auch hier stecken wir noch in den Kinderschuhen, aber zunehmend mehr Menschen machen von dem Angebot Gebrauch.
Daher möchte ich auch nicht, dass wir im Vorfeld alles kleinreden, sondern konstruktiv an Verbesserungen arbeiten. Gern schaue ich mir auch Ihre Vorschläge diesbezüglich an. Ich halte Regeln und Richtlinien für die Moderation öffentlicher Foren für unabdingbar, wenn die Foren nicht in die Bedeutungslosigkeit oder in eine Diskussionsschieflage (z.B. Kneipenjargon) geraten sollen. Das ist zum einen wichtig für eine gepflegte Diskussionskultur, die ich auch - und gerade in der neuen Kommunikation - für außerordentlich wichtig halte, und zum anderen für den Schutz der Persönlichkeit vor etwaigen Angriffen oder Beleidigungen. Wer mit offenem Visier streitet, wird auch wahr genommen und von anderen Teilnehmern akzeptiert. Daher halte ich die Regel der Einschränkung von Beiträgen, die "in keinem sachlichen Zusammenhang zum Anliegen der Petition" stehen, für gerechtfertigt, wobei eine Moderation die Beteiligung nicht einschränken oder unterdrücken sollte. Ich denke allerdings nicht, dass das bei der E-Petition der Fall ist.
In anderen Foren ist vielleicht eine lockere Moderation durchaus denkbar. Wir haben darauf zu achten, dass jeder mitgenommen wird, sowohl der netzaffine digital native, als auch der Gelegenheitsnutzer oder Anfänger. Niemand soll und darf abgeschreckt oder ausgegrenzt werden. Wir müssen dieses Verständnis füreinander aufbringen und Brücken bauen zwischen der sogenannten virtuellen und realen Welt, zwischen "Community" und "Internetausdrucker". Das ist meiner Meinung nach eine der größten Herausforderungen.
Auf meiner Homepage moderiere ich Beiträge ebenfalls. Sie dürfen in keinem Fall eine Person beleidigen oder diffamieren und dürfen keinen extremistischen Hintergrund haben. Jeder, der sich sachlich und themenorientiert beteiligt, ist dagegen herzlich eingeladen.
In diesem Zusammenhang bedanke ich mich bei Ihnen für die übermittelten Anregungen.
Mit besten Grüßen
Jens Koeppen MdB