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Jens Brandenburg
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Frage von Norbert B. •

Warum rechnet die Bundesregierung (besser: Hr. Lindner) die Zinskosten entgegen einer Empfehlung der Bundesbank so ab, daß mit mehr Zinskosten weniger Staatsausgaben begründet werden können?

Sehr geehrter Herr Brandenburg,

die Bundesbank
(https://www.bundesbank.de/resource/blob/868092/6d58ccda8e2c2befe6b932173971fdfa/mL/2021-06-bundesschulden-data.pdf, erste Seite: "Die Umstellung auf eine künftig periodengerechte Verteilung der Zinsausgaben wäre ökonomisch sachgerechter und hätte einige weitere Vorteile.", ich habe keinen Nachteil der Änderung gefunden)
und andere
(https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-12/bundeshaushalt-christian-lindner-zinsen-rechenmethodik,
https://www.youtube.com/watch?v=HcuYSMwLtd0 ab Minute 17:00,
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-12-maerz-2024-100.html ab Minute 40)
schlagen vor, die Buchung von Zinskosten zu ändern und so 17 Milliarden im Bundeshalt freizumachen.

Warum tut die Bundesregierung das nicht, und begründet mit der Schuldenbremse die Verschiebung lebensnotwendiger Reformen (z.B. Heizungsumbau)?

Danke & Grüße von
Norbert B.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr B.

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zur Abrechnung der Agio- und Disagiokosten des Bundes.

Nach gegenwärtiger und geübter Buchungspraxis des Bundes, nicht nur dieser Koalition, werden Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit Wertpapieren im Jahr der Emission an den Finanzmärkten in den Bundeshaushalt gebucht.

Aufgrund dieser Buchungspraxis wurde in den vergangenen Zeiten sehr niedriger Zinssätze der Haushalt in den betreffenden Jahren nur in vergleichsweise geringem Umfang belastet. Spiegelbildlich dazu führt diese Buchungspraxis in der gegenwärtigen Phase höherer Zinssätze zu hohen jährlichen Belastungen des Bundeshaushaltes. Die Bundesbank hat nun vorgeschlagen, die Buchungspraxis so umzustellen, dass der betreffende Betrag über die Laufzeit des Wertpapieres gebucht wird. Dies hätte zur Folge, dass der Bundeshaushalt in Zeiten höherer Zinsen nominell weniger stark belastet ist, als es aktuell der Fall ist, dafür aber in Zeiten niedrigerer Zinsen stärker belastet wird.

Für beide Buchungssystematiken lassen sich sicherlich Argumente finden. Allerdings ist die periodengerechte Abrechnung, also eine Abrechnung über die Laufzeit der Wertpapiere, schon allein aufgrund der im Bundeshaushalt angewandten Kameralistik mindestens rechtfertigungsbedürftig.

Den Vorschlag, die Buchungssystematik in der gegenwärtigen Lage umzustellen, um mehr Investitionen zu mobilisieren, halte ich jedoch nicht für überzeugend.

 

Erstens investieren wir bereits auf Rekordniveau. Die Investitionsquote beträgt im Haushalt 2024 14,8%, während sie vor Corona zwischen 10% und 11% lag und auch in absoluten Zahlen investieren wir mit 70,5 Mrd. EURO in vorher nicht erreichter Höhe. Dass mehr zur Verfügung stehende Haushaltsmittel tatsächlich in mehr Investitionen fließen würden, ist nicht sicher und bleibt einer kontrafaktischen politischen Einigung vorbehalten. Dass mehr Investitionsmittel tatsächlich zu mehr Investitionen führen würden, darf ebenfalls bezweifelt werden, da dadurch nicht mehr Ingenieure und Handwerker zur Verfügung stehen, die Mittel in den entsprechenden Vorhaben umzusetzen.

Zweitens ist der Anstieg der Zinsausgaben - egal welche Buchungssystematik man zugrunde legt - bedrohlich. 2021 betrugen die jährlichen Zinskosten des Bundes noch 3,9 Mrd. Euro. Aktuell betragen sie 37,5 Mrd. EURO, mit steigender Tendenz. Nach der von der Bundesbank vorgeschlagenen periodengerechten Verbuchung lägen die Zinskosten bei 20 Mrd. EURO (https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-12/bundeshaushalt-christian-lindner-zinsen-rechenmethodik), was immer noch mehr als eine Verfünffachung innerhalb von drei Jahren wäre. Diesen Trend müssen wir umkehren!

Drittens würde die Umstellung der Buchungssystematik in der gegenwärtigen Situation - nicht ganz zu Unrecht - den Vorwurf der Trickserei und Schönrechnerei auf sich ziehen. Denn dieselben Politiker würden die Buchungsregeln mit den gleichen Gründen wieder ändern, sobald sich der (Dis-)Agieneffekt umkehrt. Eine solche Entscheidung darf nicht nach Kassenlage getroffen werden. Zumal da, auch wenn der Fokus auf die rein barwertmäßigen Belastungswirkungen gelegt wird, gilt: Agio-Einnahmen sind keine echten Einsparungen im Haushalt, da ihnen höhere Zinsausgaben in der Zukunft gegenüberstehen. Auch Disagien sind keine echten Mehrausgaben, denn ihnen stehen niedrigere Zinsausgaben in der Zukunft gegenüber.

Aus diesen Gründen stehen wir Freien Demokraten für die Bereitstellung der für die Zukunftsinvestitionen nötigen Haushaltsmittel innerhalb der Schuldenbremse und werden uns auch zukünftig dafür einsetzen, diese durch echte Einsparungen an anderen Stellen zu finanzieren.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Brandenburg

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