Frage an Jeannine Pflugradt von Torsten H.
Sehr geehrte Frau Pflugradt,
ich bin enttäuscht, dass Sie gegen das Fracking-Verbot in Deutschland gestimmt haben. Warum haben Sie sich so verhalten, obwohl doch ganz klar ist, dass Fracking ein umweltzerstörendes Verfahren ist?
Ich verstehe Ihre Entscheidung nicht.
Freundliche Grüße,
Torsten Harder
Sehr geehrter Herr Harder,
vielen Dank für Ihre kritische Frage zum Thema „Fracking“ über „Abgeordnetenwatch“.
Ob und inwieweit Fracking ein "umweltzerstörendes Verfahren" ist, muss erst noch herausgefunden werden. Abschließende wissenschaftliche Forschungen dazu stehen noch aus, so dass ich Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht nicht grundsätzlich ablehnen würde. Einer darüber hinaus gehenden Nutzung würde ich nach gegenwärtigem Kenntnisstand jedoch nicht zustimmen können.
Bei den beiden Anträgen von Grünen und Linken in der Plenar-Sitzung vom 28. April 2016 ging es aber gar nicht um diese Frage. Intention der Anträge war, die Regierungskoalition vorzuführen.
Natürlich weiß die Opposition, dass das Thema Fracking auch in der Regierungskoalition stark umstritten ist. Umso weniger kann ich nachvollziehen, dass die Anträge kurzfristig auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt wurden - und dann auch noch ohne Debatte, sondern lediglich zur Abstimmung. Die Opposition wollte damit erreichen, diejenigen Abgeordneten der Regierungskoalition, die dem Thema Fracking kritisch gegenüberstehen, in Erklärungsnot bei ihren Wählerinnen und Wählern zu bringen.
Ich habe mit "Ja" gestimmt, aber nicht weil ich Fracking befürworte (was nicht der Fall ist), sondern weil ich mich nicht von der Opposition vor den Karren spannen lassen wollte. Gleichzeitig habe ich zu meinem "Ja" daher eine Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages abgegeben, deren Text ich Ihnen hiermit zur Verfügung stelle:
Erklärung nach §31 GO BT
der Abgeordneten Jeannine Pflugradt
Entwurf eines Gesetzes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fracking-Technik (Drucksachen 18/7551, 18/8125) sowie dem Antrag der Fraktion DIE LINKE „Verbot von Fracking in Deutschland“ (Drucksachen 18/4810, 18/8113) „Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absoluten Vorrang.“ Diese Festlegung aus dem Koalitionsvertrag im Kapitel zum Thema Fracking ist für mich Maßstab für das Handeln in der Großen Koalition. Wir wollen ein Gesetz, das die Umweltstandards für die bereits vorhandene Erdgasförderung verschärft. Wir wollen klare Regelungen und Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für Behörden und für Unternehmen schaffen.
Nach heutigen Informationen ist Fracking von Schiefer- und Kohleflözgas nicht verantwortbar. Die Risiken für Mensch und Umwelt überwiegen die potentiellen wirtschaftlichen Chancen. Um Wissenslücken zu schließen, halten wir in diesem Bereich allenfalls Erprobungsmaßnahmen in eng begrenztem Rahmen und unter strenger wissenschaftlicher und umweltfachlicher Aufsicht mit dem Zweck für zulässig, die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Umwelt, insbesondere den Untergrund und den Wasserhaushalt, wissenschaftlich zu erforschen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass sich nur gemeinsam mit den Bundesländern Akzeptanz für solche Erprobungsmaßnahmen gewinnen lässt. Deshalb streben wir gemäß des Koalitionsvertrags eine Beteiligung der Länder im Rahmen möglicher Probebohrungen an.
Selbstverständlich ist für mich, dass beim Umgang mit Fracking am Ende der Deutsche Bundestag die Entscheidung treffen muss. Eine Expertenkommission kann das demokratisch-legitimierte Organ Deutscher Bundestag zwar beraten, aber keinesfalls ersetzen.
Derzeit halten sich die Erdgasfirmen an ein faktisches Moratorium, in der Erwartung eines Gesetzes mit neuen gesetzlichen Regelungen. Das gibt auf Dauer keine Rechtssicherheit und gefährdet Arbeitsplätze in der seit über 50 Jahren in Deutschland praktizierten, herkömmlichen Erdgasförderung.
Ein undifferenziertes Verbot, wie von Grünen und Linken gefordert, konnte sich auch im Bundesrat nicht durchsetzen, obwohl Grüne und auch Linke an zahlreichen Landesregierungen beteiligt sind. Auch in den Ländern, in denen sie Verantwortung tragen wurde bislang nirgends ein generelles Förderverbot für bereits vorhandene Fördermethoden ausgesprochen.
Die Große Koalition hat auf Grundlage von Gesetzentwürfen aus dem Bundesumweltministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium bereits zahlreiche Verbesserungen vereinbaren können. Ich setze nunmehr auf die Einigungsfähigkeit innerhalb der Großen Koalition und erwarte vom Koalitionspartner, das Regelungspaket zügig mit uns zusammen umzusetzen. Würde es nicht verabschiedet, bestünde die Gefahr, dass die derzeit auf Eis liegenden Anträge der Unternehmen neu gestellt werden. Einen Schutz gibt es dann allein in Wasserschutzgebieten in den Kernzonen, nicht aber den notwendigen weitergehenden Schutz der Oberflächengewässer oder auch des Wassers für Lebensmittel und Mineralquellen. Zudem wollen wir mit dem Gesetz eine Beweislastumkehr bei Bergschäden aufgrund von Erdbeben einführen, die durch konventionelle Erdgasförderung hervorgerufen werden.
Angesichts dieser ernsthaften Herausforderungen ist es von Grünen und Linken kein parlamentarisch seriöses Verhalten, eine Abstimmung zum diesem Thema ohne Debatte zu beantragen. Ein solcher, allein taktisch motivierter Winkelzug wird der Problematik nicht gerecht. Auch aus diesem Grund lehne ich diese Anträge ab.“
Mit freundlichen Grüßen
Jeannine Pflugradt, MdB