Frage an Jeannine Pflugradt von Alexis S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Pflugradt,
angesichts der aktuellen Debatten um das sogenannte Asylpaket II möchte ich Sie fragen, für welchen Umgang mit dem Themenkomplex Flucht/Asyl/Integration Sie sich als MdB stark machen. Wie gewährleisten Sie und Ihre Fraktion, dass trotz des sog. Asylpakets II das Menschenrecht auf Asyl nicht noch weiter ausgehölt wird als bisher? Welche konkreten Entscheidungen der Bundesregierung und des Bundestages wünschen Sie sich, um die angespannte Stimmung in Teilen der Bevölkerung zu entschärfen? Welchen Umgang mit der drastisch gestiegenen Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten in den vergangenen Monaten schlagen Sie vor? Wie werden Sie dazu beitragen, dass die SPD mit Sigmar Gabriel an der Spitze die CDU in der Fluchtkrise nicht rechts überholt?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen aus Güstrow
Alexis Schwartz
Sehr geehrter Herr Schwartz,
der von Ihnen angefragte Themenkomplex "Flucht/Asyl/Integration" wird besonders von meinen zuständigen Fachkollegen aus dem Arbeitsbereich "Inneres" bearbeitet. Natürlich steht die Thematik aber auch beispielsweise in den Fraktionssitzungen auf der Tagesordnung. Darüber hinaus informieren uns die relevanten Arbeitsgruppen und Fachpolitiker sowie Kabinettsmitglieder regelmäßig über die Entwicklung.
Persönlich interessiert und bewegt mich die von Ihnen angesprochene Thematik natürlich auch sehr, deshalb antworte ich Ihnen heute auch gern.
Die von Ihnen konstatierte Aushöhlung des Rechtes auf Asyl sehe ich nicht. Klar ist, dass sich die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge verringern muss und zwar rasch. Nur dann ist eine menschenwürdige Versorgung der zu uns kommenden Menschen sicherzustellen, und nur dann besteht Aussicht auf Erfolg bei den notwendigen umfangreichen Integrationsaufgaben.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht spürbare Fortschritte. Dazu gehört auch, dass das so genannte Asylpaket II zügig beschlossen und umgesetzt wird. Das Asylpaket II ist konsequent und richtig im Hinblick auf eine notwendige Beschleunigung laufender und kommender Asyl-Verfahren ohne dabei das Recht auf Asyl zu beschneiden. Gleichzeitig sieht das Paket vor, einzelne Länder in denen kein Krieg und keine Verfolgung herrschen zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, sowie die finanzielle Hilfe für Länder, in denen derzeit große Zahlen von Flüchtlingen leben, massiv zu erhöhen. Damit werden die Lebensumstände der Menschen dort verbessert, wo sie gerade leben, so dass sie sich gar nicht erst auf den Weg nach Deutschland machen. Dies ist - um direkt Ihre nächste Frage zu beantworten - eine der konkreten Entscheidung der Bundesregierung, die ich mir wünsche, um die angespannte Stimmung in Teilen der Bevölkerung zu entschärfen.
Die aktuelle Zunahme rechtsextremistisch motivierter Straftaten ist Besorgnis erregend. Ermittlungsergebnisse haben gezeigt, dass viele dieser Straftaten nicht aus dem bekannten, rechtsextremem Milieu heraus durchgeführt werden, sondern sehr häufig von Menschen, die z.B. von der Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft unmittelbar betroffenen sind. Viele latent vorhandene Vorurteile, die von entsprechenden Gruppen gezielt befeuert werden, führen bei Menschen, die für derlei Parolen empfänglich sind zu einer Gewaltbereitschaft, die vorher nie auffällig geworden ist.
Deswegen muss sich der Kampf gegen den Rechtsextremismus meines Erachtens auch nicht in erster Linie gegen bestehende Strukturen im rechtsextremen Milieu richten. Wichtiger erscheint mir, diejenigen politischen Rattenfänger zu bekämpfen, die die nach Deutschland kommenden Flüchtlinge (oder auch andere Minderheiten) zu einer Bedrohung und somit zu einer Gefahr umdefinieren. Insbesondere die Demagogen der NPD und der AfD bedienen Argumentationsmuster, die sich auch bei rassistisch motivierten Gewalttätern finden. Sie vermitteln den Menschen, durch die aktuelle Flüchtlingskrise wäre ihre Art zu leben, ihre Arbeitsplätze, ihre Kinder - einfach alles - gefährdet. Ganz "normale" Menschen sehen sich daher in einer Art Notwehrsituation und greifen Menschen an, die nichts anderes wollen als Schutz und Frieden für sich und ihre Familien. Hier sind die politisch Verantwortlichen - auch und insbesondere in den demokratischen Parteien - zweifellos gefragt, die Diskussion zu versachlichen und den Menschen die Angst zu nehmen.
Zu Ihrer abschließenden Frage: Die SPD hat in ihrer mehr als 150jährigen Geschichte viele Krisen überstanden, ohne dabei Ihre Ur-Tugenden wie zum Beispiel Solidarität und Menschlichkeit in Frage zu stellen. Dies wird auch in Zukunft so bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Jeannine Pflugradt, MdB