Frage an Jan van Aken von Benedikt L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr van Aken,
mit Interesse habe ich Ihren auftritt bei "Absolute Mehrheit" mitverfolgt. Zu einer Ihrer Aussagen habe ich eine Fragen:
Sie behaupten "Maximal ein Drittel der Preissteigerung [...] ist auf diese Ökostromumlage zurückzuführen und zwei Drittel gehen zum Beispiel an die großen Konzerne"
Auf welche Zahlen stützen Sie diese Behauptung?
Schon heute machen rund 45 % der Stromkosten steuerliche Belastungen und Umlagen aus, der mit Abstand größte Teil der Preissteigerungen in 2013 wird durch die erhöhungen der EEG-Umlage, der §19 Umlage und der Offshore-Haftungsumlage hervorgerufen, auf diese noch die MwSt. draufgeschlagen wird (wodurch der Staat natürlich zwei mal profitiert, 1. steigen die Umlagen, 2. die Einnahmen durch die MwSt.)
Zu diesen Abgaben gesellen sich noch KWK-G Abgabe, Konzessionsabgabe und Stromsteuer.
Selbstverständlich erhöhen sich auch die sogenannten "Netzentgelte", deren höhe aber durch die Erlösobergrenzen festgesetzt sind und nicht willkürlich erhöht werden können. Diese Netzentgelte steigen vor allem durch die irrsinnigen Kosten im Netzausbau (Stromleitungen, Tranfostationen...) und mit dem EEG verbundene neue Gesetzesvorlagen (SysStabV, Abschalteinrichtungen).
Das ein Konzern interessiert ist, auch einen Gewinn zu erwirtschaften kann man wohl nicht verübeln, vor allem da ein großer Teil dieser Gewinne genutzt werden muss, um die Fehler eines übereifrigen Atomausstiegs zu korrigieren oder auszubaden.
Hier scheint mir, dass Sie versuchen mit alten Floskeln (die Konzeren schäffeln das Geld) die Wählermeinung zu manipulieren um von den Fehlern der Politik abzulenken. Die Energiebranche ist schon heute eine der am besten durchregulierten und überwachten Branchen in unserem Land.
VIelleicht sollte man erst einmal bei den willkürlichen Preissteigerungen der Mineralölbranche anfangen, aber auch hier sind ja die meisten Kosten Steuern und Abgaben, also wieso sollte der Staat hier groß einreifen (wollen)...
Sehr geehrter Herr Lechner,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Die Strompreise sind seit dem Jahr 2007 um mehr als ein Viertel – in absoluten Zahlen: 5,4 Cent – auf heute knapp 26,0 Cent pro Kilowattstunde im Bundesdurchschnitt gestiegen. Dieser massive Preisanstieg ist jedoch keine unmittelbare Folge des Ausbaus erneuerbarer Energien. Denn die sog. EEG-Umlage stieg im selben Zeitraum um 2,6 Cent auf derzeit 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommt: Das steigende Angebot von Strom aus erneuerbaren Energien hat an der Strombörse eine Preis senkende Wirkung von mindestens 0,9 Cent pro Kilowattstunde. Erneuerbare Energien sind damit nur für knapp ein Drittel des tatsächlichen Strompreisanstiegs seit dem Jahr 2007 verantwortlich - und das habe ich am Sonntag gesagt. Dabei sind noch nicht einmal jene rund ein Cent der EEG-Umlage berücksichtigt, die auf das Konto der Befreiungen der energieintensiven Industrie von der Umlage gehen. Diese Befreiungen treiben die EEG-Umlage nach oben, weil die restlichen Verbraucherinnen und Verbraucher dafür zusätzlich zahlen.
Der restliche Preisanstieg lässt sich auf einen Mix von steigenden Rohstoffpreisen, dem Strompreiseffekt des Emissionshandels, Veränderungen bei den Netzentgelten, der aus den genannten Preissteigerungen resultierenden absolut steigenden Umsatzsteuer sowie auf wachsende Gewinne der Versorger zurückführen.
Fragt man allerdings nicht nach den Kosten der Ökostrom-Umlage, wie es in der Pro7-Sendung geschehen ist, sondern nach den Energiewendekosten insgesamt, so empfehle ich eine interessante Berechnung des Öko-Instituts, siehe http://www.oeko.de/presse/pressemitteilungen/dok/1438.php
Zu den Energiewendekosten zählen nach der Definition des Öko-Instituts neben einem Teil der EEG-Umlage (die preistreibende Wirkung der EEG-Umlage-Befreiung der energieintensiven Industrie wurde natürlich heraus gerechnet) auch die Zusatzkosten der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie die Strompreiswirkungen des EU-Emissionshandels (hier "europäische Umweltpolitik" genannt).
Danach betragen die Netto-Energiewendekosten 2012 gegenüber dem Strommarkt 2003 - also in einem Zeitraum von zehn Jahren - rund 2,7 Cent/kWh, und im nächsten Jahr 3,9 Cent/kWh. Eine gute Grafik dazu finden Sie auf: http://www.flickr.com/photos/oekoinstitut/8076483383/in/set-72157631743776613/
Zur Preissteigerung werden demnach 2013 neben den genannten 3,9 Cent für die Energiewende auch 3,3 Cent aus dem Anstieg der Brennstoffpreise sowie den Ausnahmen für die energieintensive Industrie beitragen. In Prozent ausgedrückt wären dann im nächsten Jahr etwa 54 Prozent der Strompreissteigerung energiewendebedingt, heute sind es etwa 47 Prozent. Allerdings werden die Kosten 2014 wieder etwas sinken.
Was bei dieser Analyse fehlt, ist jedoch der Fakt, dass die Endkundenpreise für Haushaltskunden höher sind, als sie sich aus den eben genannten Daten erklären lassen: Um immerhin rund zwei Cent könnte der Strompreis niedriger liegen, gäbe es eine funktionierende Aufsicht und Regulierung des Endkundengeschäfts beim Strom. Denn hier, bei der Festlegung des Strompreises für Privathaushalte, organisieren sich die Versorger zu Lasten der Haushaltskunden leistungslos Sonderprofite.
Wie kommt das? Betrachten wir die Strompreisbildung etwas anders: Während die Beschaffungskosten für Strom am Börsen-Terminmarkt heute kaum über dem Niveau von 2007 liegen, sind die Endpreise für Haushaltsstrom – abzüglich Steuern, EEG-Umlage und Netzentgelte – um über zwei Cent gestiegen. Das hat eine Studie von des Energieexperten Gunnar Harms herausgefunden. Siehe: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/energie/PDF/Studie-Harms-Wirkung_Boersenpreise_auf_Verbraucherstrompreise.pdf
Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass der Endkundenmarkt immer noch stark monopolisiert ist bzw. der Wettbewerb seine Funktion nicht erfüllt. Denn die Vertriebskosten der Versorger dürften kaum oder nur marginal gestiegen sein.
Die Strompreisaufsicht der Länder wurde im Jahr 1997 abgeschafft, seitdem werden nur noch der Großhandelsmarkt überwacht (mehrfach, denn die energieverbrauchenden Firmen, die sich direkt an der Börse mit Strom eindecken, haben daran großes Interesse) sowie der Bereich der Netzentgelte (über die Bundesnetzagentur, auch das nutzt vor allem der Wirtschaft). Die bisherige Strategie, beim Endkundengeschäft, also bei jenem, welches vorrangig Haushaltskunden betrifft, allein auf Wettbewerb zu setzen - also darauf, dass jeder den Stromanbieters wechseln kann - ist jedoch offensichtlich gescheitert. Die Bundesregierung muss daher ein Konzept für eine effektive, staatliche Aufsicht über das Endkundengeschäft erarbeiten. Dieser Aufsicht ist unserer Ansicht nach ein Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern von Verbraucher-, Umwelt- und Sozialverbänden zur Seite zu stellen.
Mit meinen besten Grüßen
Jan van Aken