Portrait von Jan Rübke
Jan Rübke
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Jan Rübke zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Anja T. •

Frage an Jan Rübke von Anja T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Rübke,

auf der Tourismus-Homepage der Stadt Hamburg wird so die Herbertstraße beschrieben:
„Vor neugierigen Blicken geschützt, gibt es hier käufliche Liebe. Der Zutritt ist nur für Männer über 18 Jahren erlaubt: Die berühmt-berüchtigte Herbertstraße in Hamburg.
Die etwa 60 Meter lange Gasse, die vor den Blicken Neugieriger durch Tore geschützt wird, gehört zum alten Mythos St. Pauli. Hier gibt es die käufliche Liebe seit dem 19. Jahrhundert. Und nur Männern über 18 Jahren wird Zutritt gewährt. Frauen sollten es erst gar nicht wagen, dort hinein zu wollen - sie erwarten Beschimpfungen, faule Eier, kalte Duschen oder mit Urin gefüllte Eimer.“
https://www.hamburg-tourism.de/sehen-erleben/sehenswuerdigkeiten/herbertstrasse/
Halten Sie diese Werbung für angebracht und zeitgemäß?
Können sie mir sagen, wodurch es legitimiert ist, dass eine Straße der Stadt Hamburg ein jugendgefährdender Ort ist von dem auch Frauen ausgeschlossen sind?
Wurden die Tore und Beschilderungen, die „vor neugierigen Blicken schützten“, von der Stadt angebracht? Zum Schutz der Sexarbeiterinnen? Wenn ja, warum nur dort?
Im Wahlprogramm der Linken heißt es:
„…DIE LINKE versteht sich als Partei mit sozialistischem und feministischem Anspruch… Alle politischen Entscheidungen und Vorschläge müssen systematisch danach beurteilt werden, welche Auswirkungen sie auf Frauen und auf Männer haben…“
Gibt es außer der Herbertstraße weitere Straßen, die nicht an einer Stadtentwicklung, im Sinne ihres Wahlprogramms, teilhaben?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Protesten von Anwohner*innen und Feminist*innen?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten
Anja Twest

Portrait von Jan Rübke
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau T.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Herbertstraße auf St. Pauli ist ja nur einer der Orte Hamburgs, an denen Prostitution stattfindet. Sie steht aber sozusagen synonym für Sexarbeit in Hamburg und hat eine herausgehobene Rolle, da sie durch Sichtblenden zunächst nicht einsehbar und zudem für Jugendliche und Frauen gesperrt ist. Dennoch kann es natürlich keiner Frau verweigert werden, durch die Herbertstraße zu gehen – dies wäre in der Tat verfassungswidrig. Aber dort arbeiten Frauen, die Frauen wiederum in der Regel nicht zu ihrer Kundschaft zählen. Und das verdient einen gewissen Respekt. Und vor allem Respekt ist es, der vielen Menschen beim Umgang mit Prostituierten leider fehlt. Sie möchten auch nicht gerne fotografiert werden, denn es ist immer noch ein Nachteil in dieser Gesellschaft, als Prostituierte erkannt zu werden. Der Sichtschutz für die Herbertstraße wurde zwar in der Nazizeit eingeführt, hat aber heute keine stigmatisierende Funktion mehr. Daher fordert DIE LINKE auch nicht, ihn zu beseitigen.

St. Pauli ist zudem ein Stadtteil mit viele engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die ihren Lebensraum selbst gestalten und ihn lebenswert finden. DIE LINKE ist auf St. Pauli sehr engagiert und verankert und setzt sich gegen Gentrifizierung ein, also insbesondere auch gegen Immobilienspekulation und Mietwucher. Genauso setzt sie sich für die Rechte von allen Menschen, die dort ihren Arbeits- und Lebensraum haben, also auch für Prostituierte. DIE LINKE steht konsequent an der Seite der Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern und fordert vom Hamburger Senat, Hilfestrukturen auszubauen und Angebote zur Aufklärung der Rechte aufzustocken. Da viele Menschen aus anderen Ländern in Hamburg der Prostitution nachgehen, sind auch ausländerrechtliche Anpassungen erforderlich: So fordern wir etwa ein unabhängiges Aufenthaltsrecht für Frauen und ein Abschiebeverbot, etwa wenn Frauen bereit sind, gegen Zuhälter und Zwangsprostitution auszusagen. Zu Prostitution/Sexarbeit hat DIE LINKE in Hamburg eine klare Haltung: Menschen, die dieser Tätigkeit nachgehen, dürfen nicht kriminalisiert werden. Sie bedürfen vielmehr des umfassenden Schutzes und einer guten Sozialarbeit. Meistens handelt es sich um Menschen, die sich in extrem schwierigen Lebenslagen befinden. Oft wird der Prostitution auch deswegen nachgegangen, weil eine Drogenabhängigkeit vorliegt. Das doppelte Stigma erschwert es diesen Frauen, Männern und auch Transsexuellen, etwa eine vernünftige Wohnung zu finden oder eine andere Arbeit. Oder auch nur ein normales Familienleben zu führen.

Wenn Sie Interesse an der Geschichte von St. Pauli und zur Prostitution haben, empfehle ich Ihnen die „Historische Huren-Tour“, siehe hier: http://www.hurentour.de/ Dort können Sie bestimmt auch weitere Fragen loswerden.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage zufriedenstellend beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Jan Rübke