Konkret; wie kämpft die Bundestags-Fraktion „DIE LINKE“ für die inhaftierten Oppositionellen in Russland? Wodurch wird Ihre Solidarität für die Demokraten in Russland sichtbar? Was kann dabei helfen?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Mangelnder sozialer und ökonomischer Fortschritt, Oligarchisierung, Inhaftierung von Oppositionellen, Unterdrückung von Protesten und die Einschränkung von bürgerlichen Freiheits- und Menschenrechten, massive Wahlfälschungen und vieles mehr sind bittere Realität in Russland und zugleich kein Alleinstellungsmerkmal russischer Regierungspolitik. All dies thematisiert meine Fraktion seit vielen Jahren regelmäßig im Bundestag, insbesondere in den entsprechenden Ausschüssen. Diese tagen allerdings nicht öffentlich – die Öffentlichkeit beantragen wir zwar in jeder Legislatur, aber die anderen Fraktionen verhindern mehr Transparenz – ansonsten könnten die entsprechenden Äußerungen und Initiativen dort auch zur Kenntnis genommen werden.
Klar ist: Linke Oppositionelle stehen - neben anderen - unter massiver Repression in Russland und brauchen unsere Solidarität. Bereits vor dem Krieg hat sich die Fraktion DIE LINKE. deshalb mit dem Antrag „Situation der Menschenrechte linker politischer Kräfte in Russland“ (https://dserver.bundestag.de/btd/19/250/1925087.pdf) für Oppositionelle in Russland eingesetzt. Und auch die Verhaftung von Alexej Nawalny haben Außenpolitiker der LINKEN wiederholt verurteilt (z.B. hier Andrej Hunko: https://www.andrej-hunko.de/europa/reden/5139-andrej-hunko-redet-im-europarat-zu-fall-nawalny). Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich die Menschenrechtslage in Russland dramatisch verschlechtert. Betroffen sind insbesondere auch Menschen, die sich dem Krieg auf unterschiedliche Art und Weise verweigern. Kriegsdienstverweigerung wird in Russland jedoch mit bis zu 15 Jahren Haft drakonisch bestraft. Russische Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, die sich nicht an dem völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine beteiligen wollen, brauchen deshalb unsere Solidarität. DIE LINKE hat daher seit Kriegsbeginn gefordert, dass die Bundesregierung für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer humanitäre Visa für eine sichere Einreise in die EU zur Verfügung stellen muss. Mit unserem entsprechendem Antrag „Nach Teilmobilmachung – Russischen Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern Schutz bieten“, der leider von allen anderen Bundestagsfraktionen abgelehnt wurde, haben wir konkret versucht die Situation der Betroffenen zu verbessern: https://dserver.bundestag.de/btd/20/036/2003684.pdf. Wie aus Zahlen des Bundesinnenministeriums auf eine entsprechende schriftliche Frage von mir hervorgeht, hatten von Beginn des Kriegs im Februar 2022 bis Ende April dieses Jahres 2485 männliche russische Staatsangehörige im wehrfähigen Alter von 18 bis 45 Jahren einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt. In 814 Fällen wurde über die Anträge entschieden, davon nur ganze 55 positiv und 88 negativ. In den verbleibenden 671 Fällen kam es zu einer „formellen Verfahrenserledigung“. Ich finde das skandalös und habe die geringe Zahl positiv beschiedener Asylanträge deutlich kritisiert. Denn wenn weit über 100.000 Männer im wehrfähigen Alter Russland verlassen und sich Putins Krieg verweigern, aber nur 55 von ihnen in Deutschland offiziell Schutz finden, läuft etwas gewaltig schief. Trotz vollmundiger Ankündigungen tut die Bundesregierung überhaupt nichts, um junge Russen darin zu bestärken, nicht gegen die Ukraine zu kämpfen. Es ist zynisch, dass die Bundesregierung die Dezimierung von Putins Armee durch Waffenlieferungen betreibt, aber nicht durch Unterstützung von Desertion und Kriegsdienstverweigerung. Die Bundesregierung muss jetzt mit den europäischen Partnern und den Anrainerstaaten Russlands Absprachen treffen, wie russischen Männern im wehrfähigen Alter Visa und Schutz ermöglicht werden könnten. Denn wenn es eines gibt, was durch und durch unterstützenswert ist, dann doch die Kriegsdienstverweigerung in Putins Russland.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte