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Jan Korte
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Frage von Joachim B. •

Frage an Jan Korte von Joachim B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

sehr geehrter hr.korte,
die wahl in thüringen wurden ihrer meinung nach von rechtspopulisten unterstützt.es gab viel einspruch von spd und linken gegen das ergebnis. meine frage:
warum hat ursula von der layen die wahl im europaparlament angenommen obwohl sie von rechtspopulistischen parteien gewählt wurde.gab es von seiten der linken und der spd auch prodeste und aufforderungen die wahl nicht anzunehmen.

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Sehr geehrter Herr Biermann,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich wie folgt beantworten möchte:

Natürlich ist Ihr Vergleich der Wahl des bis dahin weithin unbekannten FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU und FDP und der Höcke-AfD in Thüringen mit der Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin mit den Stimmen der rechtspopulistischen PIS aus Polen und der nationalkonservativen Fidesz Partei von Viktor Orban aus Ungarn nicht gänzlich von der Hand zu weisen. In beiden Fällen ließen sich demokratische Politiker von Rechtsaußen-Abgeordneten, die zum Teil ähnliche Positionen vertreten, ins Amt hieven. Meine Partei hat das im Fall von Ursula von der Leyen, die es ohne die 26 PIS- und die 13 Fidesz-Abgeordneten nicht geschafft hätte, auch kritisiert. Trotzdem gibt es meiner Meinung nach doch einige entscheidende qualitative Unterschiede, die zumindest erklären können, warum der jeweilige Protest gegen die Wahl so unterschiedlich stark ausfiel.

1. Die Kommission von der Leyen ist quasi eine supranationale Koalitionsregierung bestehend aus konservativer EVP, sozialdemokratischer SPE, liberaler ALDE und nationalkonservativer EKR sowie einigen parteilosen Kommissaren, von denen auch einer zur Fraktion der Grünen zählt. Sie besitzt eine deutliche demokratische parlamentarische Mehrheit im Europaparlament und ist, anders als es der Thüringer Ministerpräsident Kemmerich gewesen wäre, nicht auf die Stimmen rechtsextremer Parteien angewiesen.
2. Ein Tabubruch und eine Aufkündigung des demokratischen Konsens liegt – bei aller berechtigter Kritik an den rechtsnationalen Positionen und der Politik von PIS und Fidesz – anders als bei der Thüringer Wahlallianz von FDP, CDU und Höckes AfD, bei der erstmals nach 1945 Rechtsextremen wieder Regierungseinfluss gegeben wurde, nicht vor.
3. Während die AfD im Europaparlament mit ‚Identität und Demokratie‘ (ID) eine gemeinsame Fraktion mit offen rechtsextremen Parteien bildet, sieht das bei PIS und Fidesz anders aus: Die Mitgliedschaft von Fidesz in der EVP-Fraktion, zu der ja auch CDU und CSU gehören, ist zwar im März 2019 suspendiert worden, beendet ist sie aber nicht. Und PIS stellt die größte Gruppe innerhalb der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), die zwar auch nationalkonservative und in weiten Teilen rechtspopulistische Parteien umfasst, aber offen rechtsextrem ist die EKR eben nicht.

Diese Unterschiede halte ich für entscheidend bei der Charakterisierung der beiden Wahlvorgänge.

Mit besten Grüßen
Jan Korte

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