Frage an Jan Korte von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Korte,
ist der Bundesbeauftragte für den Datenschtz noch unabhängig, wenn Interessen der
Bundesregierung berührt werden?
taz.de - vor 4 Stunden
Zehntausende Heranwachsende bekommen Werbebroschüren von der Bundeswehr. ... noch gültige Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur ...
03.01.2012
Auszug:
Die entsprechende Vorschrift aus dem Wehrpflichtgesetz diente einst dazu, die Wehrpflichtigen zur Musterung einzubestellen. Doch die Wehrpflicht gibt es nicht mehr. Anfang 2011 traten die letzten Wehrpflichtigen ihren Dienst an. Der gesetzliche Anspruch auf die Adressdaten Jugendlicher blieb der Bundeswehr aber erhalten. "In der Gesetzesbegründung ist festgehalten, dass dies der Werbung Freiwilliger dient", sagt Gausepohl. Das bestätigt auch das für Nachwuchswerbung zuständige Bundesamt für Wehrverwaltung in Bonn.
Der ehemalige Verwaltungsbeamte Reth widerspricht dem. Der schleswig-holsteinische Friedensaktivist verweist auf die noch gültige Formulierung im Wehrpflichtgesetz: Demnach dürfen die Daten "nur zur Übersendung von Informationsmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften verwendet werden". Versandt worden sei jedoch "reine Werbung". Die Risiken von Auslandseinsätzen etwa "werden komplett ausgeblendet". Dabei kämen viele Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung von Auslandseinsätzen zurück. Davon stehe in den Schreiben aber nichts. "Information muss ausgewogen sein, Werbung nicht."
Haben hier im Hinblick auf Information und Werbung der Gesetzestext und die Gesetzesbegründung gegensätzliche Inhalte?
Falls ja: Was ist maßgeblich?
Wurden unter www.bundeswehr-karriere.de die gesundheitlichen Risiken bei Auslandseinsätzen ausgeblendet?
Falls ja: Auf Zigarettenpackungen muß vor Gesundheitsfolgen gewarnt werden.
Ist die sich an Minderjährige richtende Bundeswehrwerbung wegen des völligen Fehlens
von Hinweisen auf gesundheitliche Risiken weniger seriös als die Zigarettenwerbung?
MfG
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
Minderjährige verdienen unseren besonderen Schutz. Aus diesem Grund unterstützt DIE LINKE auch die Bemühungen der Bundesrepublik sich international gegen jegliche Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und gegen ihre Rekrutierung in militärische oder paramilitärische Organisationen einzusetzen. 2004 hat Deutschland das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten ratifiziert und sich damit zu einem weitreichenden Schutz von Minderjährigen verpflichtet. Dieses Engagement ist nach wie vor von großer Bedeutung, denn noch immer werden weltweit geschätzte 250 000 minderjährige Jungen und Mädchen zur Teilnahme an bewaffneten Konflikten gezwungen.
Für die Glaubwürdigkeit dieses Engagements ist allerdings auch ein konsequenter Schutz von Minderjährigen im eigenen Land unerlässlich. In der Bundesrepublik Deutschland werden jedoch noch immer Freiwillige mit einem Mindestalter von 17 Jahren als Soldat oder Soldatin in die Bundeswehr aufgenommen, um eine militärische Ausbildung zu beginnen. Dies ist ein unhaltbarer Zustand, der schnellstmöglich beendet werden muss. Die Bundeswehr entfaltet hierzulande eine breite Öffentlichkeitsarbeit, um sowohl Nachwuchs zu rekrutieren als auch für die deutsche Kriegspolitik zu werben. DIE LINKE sieht darin sowohl eine unzulässige Indoktrinierung von Jugendlichen als auch eine Militarisierung der Gesellschaft. Sie begrüßt deshalb ausdrücklich Proteste gegen die Militärreklame. Um deren Ausmaß erfassen zu können stellt die Bundestagsfraktion DIE LINKE seit langem regelmäßige Kleine Anfragen an die Bundesregierung, zum Beispiel mit der Kleinen Anfrage Drucksache 17/8144 und der Kleinen Anfrage Drucksache 17/6944.
Nun zum Problem der Datenweitergabe an die Bundeswehr zu Werbezwecken.
Die "Rekrutierung von Freiwilligen" ist im neugefassten Wehrpflichtgesetz geregelt, vor allem in § 58 - Erhebung personenbezogener Daten bei den Meldebehörden. Familienname, Vorname, gegenwärtige Anschrift deutscher Staatsangehöriger, die im nächsten Jahr volljährig werden, werden jährlich bis zum 31. März von den Meldebehörden an das Bundesamt für Wehrverwaltung übermittelt. Die Datenübermittlung unterbleibt, wenn die Betroffenen ihr nach dem Melderechtsrahmengesetzes widersprochen haben.
Dies ist die geltende gesetzliche Grundlage. Solange an dieser sich nicht grundsätzlich etwas ändert, darf die Bundeswehr, trotz anderslautender internationaler Abschlüsse und Konventionen, Jugendliche mit Werbemitteln indoktrinieren.
Ich meine, dass für die Zukunft gerade in Sachen Widerspruchsrecht gegen die Datenübermittlung an das Bundesamt für Wehrverwaltung viel mehr Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden muss, damit alle über ihr Widerspruchsrecht informiert sind! Ihr Protest ist diesbezüglich nicht nur politisch vollkommen berechtigt, sondern auch sehr wichtig und hilfreich.
Wie § 58 Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes darlegt, darf „Informationsmaterial über die Tätigkeiten versandt werden". Dabei dürfte es sich um das typische Werbematerial der Bundeswehr handeln. Man könnte an dieser Stelle eine gesetzliche Klarstellung einfügen, dass dieses Informationsmaterial auch ein realistisches Bild der Tätigkeit inkl. der Gefahren zeichnen muss. Alternativ wäre es auch denkbar, dass eine Regelung gefunden wird, die Bundeswehrkritikern im Gegenzug ebenfalls erlaubt die Betroffenen anzuschreiben und mit Informationsmaterial zu versorgen. Letzteres wird vermutlich an den ungleichen finanziellen Mitteln von Bundeswehr und Bundeswehrkritikern scheitern. Meine Fraktion wird prüfen, inwieweit wir hier tätig werden können. Allerdings sind wir eigentlich grundsätzlich gegen die Möglichkeit von Werbemaßnahmen der Bundeswehr, egal ob diese per Post an Jugendliche oder direkt durch Jugendoffiziere bei Werbeveranstaltungen an Schulen durchgeführt werden.
Ich hoffe Ihnen damit weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte
Sehr geehrter Herr Reth,
DIE LINKE lehnt es ab, dass die Bundeswehr bei Kindern und Jugendlichen Reklame macht.
Das betrifft unter anderem Werbebesuche von Jugendoffizieren und Wehrdienstberatern in Schulen, Klassenausflüge in Kasernen und
Reklameveranstaltungen à la Bundeswehr-Beachen oder Bundeswehr-Olympix usw., wo sportbegeisterte Jugendliche angesprochen werden, mit dem Ziel, sie für die Bundeswehr zu gewinnen. Ermöglicht wird das durch Kooperationsvereinbarungen von Bundesländern mit der Bundeswehr. Darin wird die Armee zum offiziellen Bildungspartner erklärt.
Bei all diesen Werbeformaten verschweigt die Bundeswehr die blutige Realität des Krieges und wirbt stattdessen mit Sport, Technik, Kameradschaft, usw.
DIE LINKE setzt sich außerdem auch gegen die Sonderstellung ein, die die Bundeswehr durch den Zugriff auf die Meldedaten bekommt.
Der Zweck dieser Bestimmung hat sich mit der Wehrpflicht erledigt. Der Bundeswehr die gezielte Reklame zu ermöglichen, ist kein angemessener Grund, sie hier besser zu stellen, von der datenschutzrechtlichen Sicht mal ganz zu schweigen.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Herr Schaar, kann da leider nicht viel machen.
Deshalb setzt sich DIE LINKE für eine Änderung dieser Rechtslage ein.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte