Frage an Jan Korte von René S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Korte,
vor rund 3 Wochen ist an der Universität Heidelberg anscheinend ein als Student getarnter Mitarbeiter des LKA-Baden-Württemberg aufgeflogen. Er hat, wie unterschiedliche Zeitungen etc. berichten, über einen längeren Zeitraum hinweg die Heidelberger linke Szene beobachtet.
Hier nur drei Links zu entsprechenden Artikeln:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,735784,00.html
http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/heidelberger-linke-szene-ausgespaeht/
http://www.fr-online.de/politik/der-simon-von-der-polizei/-/1472596/5034678/-/index.html
Was halten Sie von verdeckten Ermittlungen ohne konkreten Tatverdacht (egal ob in der linken oder der rechten Szene, in islamistischen Kreisen oder anderswo)? Handelt es sich dabei um Generalverdächtigungen oder um Prävention? Wie weit darf und wie weit muss ein Staat gehen, um sich und seine Bürger zu schützen?
Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus.
Sehr geehrter Herr Schultens,
vielen Dank für Ihre Frage. Es wird Sie vermutlich nicht überraschen, wenn ich Ihnen verrate, dass ich von einem Einsatz verdeckter Ermittler ohne konkreten Tatverdacht rein gar nichts halte.
Und selbst bei einem solchen Tatverdacht ist der Einsatz hochproblematisch:
Egal welche Rechtsgrundlage (StPO zur Strafverfolgung oder Polizeigesetze der Länder zur Gefahrenabwehr/vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) am Anfang angewendet wird - ein „tatsächlicher Anhaltspunkt“ für „künftige Straftaten“ auch bei „Kontakt- und Begleitpersonen“ (so die Formulierungen im einschlägigen Polizeigesetz von Baden-Württemberg) ist für die Staatsschutzabteilungen der Polizei stets leicht gefunden. Der Schritt vom konkreten Ermittlungsverfahren oder der Gefahrenabwehr hin zum Generalverdacht gegen bestimmte Gruppen oder Szenen und dann zur allgemeinen Ausforschung ist somit praktisch vorprogrammiert. Der von Ihnen erwähnte Fall in Heidelberg zeigt beispielhaft wie das staatliche Spitzelunwesen vonstatten geht. Die Staatsschutzabteilungen der Polizei verfahren offensichtlich nach dem rechtswidrigen Prinzip, ‚uns sind erst mal alle Linken suspekt, also forschen wir auch alle aus, einen Grund werden wir dann schon finden‘. Und der Fall belegt einmal mehr, dass es so gut wie keine Kontrollmöglichkeiten gegen diese Praxis gibt.
Die Rechtsgrundlagen für solche Einsätze müssen also in Bund und Ländern erheblich restriktiver gestaltet werden, wenn Grundrechte nicht routinemäßig zertreten werden sollen.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Korte