Wann wird Deutschland das Recht der Kinder zur paritätischen Betreuung durch beide Eltern eingeräumt? Wann werden Väter und Mütter gleichberechtigt behandelt?
Sehr geehrte Herr Oetjen,
es geht um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern nach der Trennung mit Kindern.
Ich verstehe, dass überwiegend Väter auf die Betreuung verzichten und Mütter dies übernehmen (wollen) in Deutschland. Der Ansatz führt dazu, dass diese Kinder später weitergegeben, dass Frauen das alleine schaffen und Väter nicht. So ist es auch bei mir verankert. Kinder lieben beide Eltern und haben kein Recht darauf dies vor dem 14 Lebensjahr kundzutun. Und warum muss so etwas vor Gericht verhandelt werden? Das sollte sich ändern. Es ist in der EU anerkanntes Kindesrecht, in Deutschland noch immer nicht. Kinder haben ein Recht auf beide Eltern.
Bitte setzen Sie sich für unsere Kinder ein. Danke
Alexander E.
Sehr geehrter Herr E.,
herzlichen Dank für Ihre Frage zu einem so bedeutenden Thema. Ich werde versuchen, Ihr Anliegen so gut wie möglich zu beantworten, ich muss allerdings dazu sagen, dass ich kein Experte im Familien- und Scheidungsrecht bin, weshalb ich weder die juristische Korrektheit noch Vollständigkeit der folgenden Angaben garantieren kann. Nichtsdestotrotz teile ich Ihre Sorge, dass unter der Trennung der Eltern zum Großenteil die Kinder zu leiden haben. Ein Sorgerechtsstreit, wie Sie ihn beschrieben haben, belastet die gemeinsamen Kinder zusätzlich neben der ohnehin bereits bestehenden psychischen Belastung durch die Trennung der Eltern. Ich finde es deshalb wichtig, sich für eine Familienrechtsreform und damit gleichzeitig für das Wohlergehen der Kinder einzusetzen. Einen entsprechenden Antrag brachte meine Kollegin Katrin Helling-Plahr bereits 2021 in den Deutschen Bundestag ein, der damals jedoch von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde.
Um Ihre Frage zu beantworten, weshalb die Sorgerechtsverhandlungen vor Gericht stattfinden müssen, möchte ich zunächst verdeutlichen, dass sobald sich zwei Ehepartner auf eine Trennung geeinigt haben, die rechtliche Prozedur der Scheidung beginnt, welche zwangsläufig vor einem Familiengericht verhandelt werden muss. Zu diesem Prozess gehören auch, insofern gemeinsame Kinder vorhanden sind, die Sorgerechtsverhandlungen, insbesondere dann, wenn zwischen beiden Parteien Uneinigkeit über das Sorgerecht des Kindes bzw. der Kinder herrscht. Auch bei einvernehmlichen Trennungen führt kein Weg am Gericht vorbei, schließlich entspricht die Scheidung der richterlichen Auflösung der Ehe. Das Ziel ist es dabei stets, zusätzliche Nachteile für beide Personen zu verhindern und gleichzeitig das Kindeswohl zu garantieren.
Die Ausgestaltung des Umgangs mit den Kindern wird gesetzlich nicht reguliert, damit die Gestaltungsfreiheit der Eltern gewährleistet wird. Dennoch gibt es Bestrebungen auf die Möglichkeit eines Wechselmodells hinzuweisen, sodass beide Elternteile an dem Alltag der Kinder teilnehmen können. Dabei soll streng paritätische Betreuung jedoch nicht verpflichtend gemacht werden, da dies nicht in allen Fällen die bestmögliche Betreuung der Kinder bedeuten würde. Weiterhin wird eine Änderung im Unterhaltsrecht angestrebt, sodass die meist klare Aufteilung eines bezahlenden und eines betreuenden Elternteils aufgehoben wird, wodurch längst überholte Familien- und Rollenbilder, wie Sie diese ebenfalls beschrieben haben, endlich überwunden werden würden. Unterdessen bin ich nicht der Meinung, dass durch das bisherige Verfahren und das häufige Übernehmen des größeren Betreuungsanteils durch die Mutter unabdingbar die Annahme entsteht, dass der andere Elternteil zur ausreichenden Betreuung nicht fähig wäre. Dem von Ihnen hergestellten Kausalzusammenhang muss ich an dieser Stelle deshalb widersprechen.
Ihre Aussage, dass Kinder vor ihrem 14. Lebensjahr kein Mitspracherecht in Sorgerechtsverfahren haben, ist nicht ganz richtig. Denn in jedem Verfahren kommt es zu einer Kindeswohlprüfung, bei der die Kinder immer nach ihrem Empfinden und ihrer Meinung gefragt werden. Es wird jedoch der Wille von älteren Kindern stärker gewichtet als der von jüngeren. Die Aufhebung dieser unterschiedlichen Gewichtung wäre meiner Meinung nach jedoch nicht der richtige Schritt, da an allererster Stelle das Wohl des Kindes stehen sollte und dieses kann von jüngeren Kindern in den allermeisten Fällen nicht ausreichend beurteilt werden. Um die Stimme der Kinder angemessen in Sorgerechtsverfahren einfließen zu lassen, sollen Familienrichterinnen und -richter in Zukunft mehr Möglichkeiten haben, sich in Bereichen wie Pädagogik und Psychologie fortzubilden. Diese Fortbildung kann aufgrund der Unabhängigkeit von Richterinnen und Richtern nicht zwingend angeordnet werden, doch ich denke, es ist trotzdem ein wichtiger Schritt, den Willen der Kinder stärker zu berücksichtigen.
Ich hoffe, dass ich Ihrem Anliegen gerecht wurde und Ihre Fragen ausreichend beantworten konnte. Sollten Sie Nachfragen haben, können Sie mich gerne jederzeit kontaktieren.
Mit freundlichen Grüßen
Jan-Christoph Oetjen