Frage von Rafael G. •

Sehr geehrter Herr Blankenburg, auf meine Email habe ich bislang keine Rückmeldung bekommen. Ich bitte Sie noch vor der Wahl am kommenden Sonntag um eine Aussage um Thema AfD-Verbot.

Wie stehen Sie zum AfD-Verbot? Unterstützen Sie das avisierte Verfahren?

Portrait von Jakob Blankenburg
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen bereits per E-Mail beantwortet habe. Der Transparenz wegen möchte ich allerdings auch in diesem Rahmen Stellung beziehen.

Unser Gesetzgesetz stellt mit Artikel 21 Absatz 2 das Parteiverbotsverfahren als schärftes Schwert der wehrhaften Demokratie bereit. Es erlaubt das Verbot von Parteien, deren Ziele und Handeln darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. Vergangene Verfahren haben jedoch gezeigt: Das Bundesverfassungsgericht legt höchste Maßstäbe an, wenn es um die Einstufung einer Partei als verfassungswidrig geht – und das aus gutem Grund. Ein Parteiverbot hätte nämlich drastische und weitreichende Konsequenzen. Um es zu begründen, muss nachgewiesen werden, dass eine Partei planvoll das Funktionieren der Demokratie zerstören will. Dies erfordert konkrete, gewichtige Belege, die zumindest die Möglichkeit nahelegen, dass das Vorgehen der Partei erfolgreich sein könnte. Entsprechende Beweise müssen bereits mit der Antragsschrift dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.

Im Fall der AfD bezweifeln viele Expert*innen, dass die bislang öffentlich zugänglichen Fakten für ein Verbot genügen. Schockierende Enthüllungen, wie die Beteiligung an Diskussionen über zutiefst rassistische „Remigrationspläne“ auf einem Geheimtreffen in Potsdam, sind alarmierend, reichen aber juristisch womöglich nicht aus. Ein zentraler Baustein der Beweiserhebung sind die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden. Dass die AfD rechtmäßig durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet wird, hat nach dem Verwaltungsgericht Köln nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster als Berufungsinstanz bestätigt. Das Bundesamt darf somit Erkenntnisse über die Handlungen der AfD auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln sammeln. Mit der angekündigten Hochstufung der AfD zu „gesichert rechtsextrem“ könnte ein verstärkter Einsatz solcher Maßnahmen mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit zulässig werden. Genau hier sehe ich eine große Chance, die nicht durch einen verfrühten Antrag verspielt werden darf. Die Beweissammlung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz muss nämlich vor der Einreichung eines Prüfantrags abgeschlossen sein, da ab diesem Zeitpunkt Staatsferne gewahrt werden muss. Andernfalls hat der Antrag keine Chance – das haben wir beim ersten NPD-Verbotsantrag 2003 gesehen.

Doch nicht nur die Beweislage hat gegen die Verabschiedung eines Verbotsantrags Ende Januar gesprochen. Nach einem solchen Beschluss im Deutschen Bundestags müsste eine detaillierte Antragsschrift für das Bundesverfassungsgericht erstellt werden, was Monate in Anspruch nimmt. Da jedoch mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages Ende März alle offenen Anträge verfallen, wäre der Beschluss eines Verbotsantrages Ende Januar ein rein symbolischer Akt ohne reale Wirkung. Symbolpolitik wird allerdings dem Ernst der Thematik nicht gerecht. Hinzu kommt, dass die Union und die FDP bereits im Vorfeld ihre Ablehnung signalisiert haben. Ohne eine breite parlamentarische Unterstützung besitzt ein Antrag nicht die nötige politische Substanz und wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Vor diesem Hintergrund sorge ich mich, dass ein schlecht vorbereiteter Schnellschuss am Ende scheitert – sei es aufgrund fehlender Beweise, prozeduraler Probleme oder mangelnder politischer Mehrheiten – und der AfD sowie ihren menschenverachtenden Positionen mehr Legitimität verschafft. Meiner Meinung nach ist die sorgfältige Vorbereitung eines Antrags wichtiger als eine schnelle Einbringung. Schließlich wird es Jahre dauern, bis das Bundesverfassungsgericht ein Urteil fällt – selbst wenn wir morgen eine Antragsschrift einreichen würden. Eine parlamentarische Initiative, die Expert*innen mit der Beweissammlung und der Auslotung der Erfolgschancen eines Parteiverbotsverfahrens beauftragt, erscheint mir wesentlich zielführender.

Sehr geehrter Herr G., die SPD-Bundestagsfraktion und ich haben uns in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit der Möglichkeit beschäftigt, einen Antrag auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD zu stellen. Ich kann Ihnen versichern: es gab und gibt niemandem in meiner Fraktion, der*die nicht gegen die Partei vorgehen will. Die Diskussion über ein mögliches AfD-Verbotsverfahren darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Rechtsextremismus in Deutschland nicht allein durch ein Parteiverbot bekämpfen lässt. Als Sozialdemokrat*innen setzen wir auf politische Bildung, Aufklärung über Verschwörungsideologien – und eine lebendige demokratische Streitkultur. Den Kampf gegen Rechts können wir jedoch nicht allein gewinnen. Er kann nur im Schulterschluss mit einer engagierten Zivilgesellschaft gelingen, die tagtäglich für unsere gemeinsamen demokratischen Werte eintritt.

Mit besten Grüßen

Jakob Blankenburg

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