Frage an Isabelle Vandre von Florian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Vandre,
zur Zeit bewegt mich ein Thema auf landespolitischer Ebene ganz besonders: der Entwurf zum neuen Polizeigesetz. Dieser sieht vor, polizeiliche Befugnisse massiv auszuweiten. Darunter nur drei Beispiele als Spitze eines viel größeren Eisberges:
- Ausweitung der Videoüberwachung an öffentlichen Straßen und Plätzen und an „Objekten“, die allein abhängig von der Gefahreneinschätzung der Polizei zu „gefährdeten“ Objekten erklärt werden (§ 31 Abs.2).
- Allein abhängig von der Einschätzung durch die Polizei Einstufung von Personen als Gefährder, die somit massiven Repressionen und Überwachungen ausgesetzt werden, u. a. Gewahrsamnahmen bis zu einem Monat, Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote, Online-Durchsuchungen etc. (§ 28a bis § 28f).
- Einsatz von Spionagesoftware („Staatstrojaner“) unter Ausnutzung von Sicherheitslücken zur Überwachung von verschlüsselter Kommunikation (§ 33d).
Diese geplanten Maßnahmen machen mir Angst. Sie weichen die wichtige Trennung von Polizei und Geheimdienst weiter auf. Schwammige Formulierungen wie die der "potentiellen Gefährdung" oder des Einsatzes von Explosivmitteln (wie bspw. Handgranaten) gegen diese unter ebenso schwammigen Bedingungen (§ 61 Abs. 3) weiten den Handlungsspielraum zu stark in das Präventive, ohne dabei klare Regeln zu setzen. Der Polizei wird hier in gewisser Weise Narrenfreiheit gewährt. Mit dem Gesetzentwurf werden Menschen unter Generalverdacht gestellt und es hilft dabei, solche, die ohnehin schon von polizeilicher Diskrimnierung betroffen sind, noch stärkeren Repressionen auszusetzen.
Mich würde daher interessieren:
- Wie stehen Sie zum neuen Polizeigesetz?
- Werden Sie etwas unternehmen, um eine massive Ausweitung polizeilicher Befugnisse zu verhindern?
- Wenn ja, wie sehen diese Unternehmungen aus?
- Wenn nein, wie rechtfertigen Sie diesen Gesetzentwurf?
Mit freundlichen Grüßen
F. S.
Lieber Herr S.,
ich stehe dem Entwurf zur Novellierung des Polizeigesetzes kritisch gegenüber und habe diese Position sowohl in der Fraktion, als auch im Landesvorstand deutlich gemacht. Neben der von Ihnen bereits geschilderten Befugnisausweitungen stört mich insbesondere die Terrorismusdefinition. Diese bezieht sich auf §129a StGB und war bereits in der Vergangenheit z.B. Grundlage zur Überwachung der Oragnisator_innen von Dresden Nazifrei. Auch der Sozialwissenschaftler Andrej Holm, der sich kritisch mit Gentrifizierungsprozessen auseinandersetzt, wurde als angebliches Mitglied einer terroristischen Organisation heimlich ausgehorcht, nur weil die Polizei ihn für intellektuell in der Lage hielt, die Bekennerschreiben der militanten Gruppe zu verfassen. Der letzte auf § 129a StGB fußende Skandal war die jahrelange Überwachung und Bespitzelung einer ganzen Fangruppe von Chemie Leipzig wegen angeblicher terroristischer Absichten. Meine Befürchtung ist, wenn eben jener Paragraph die Grundlage der Novelle wird, die neuen Befugnisse zur Terrorismusbekämpfung auch gegen antikapitalistische Bündnisse und Strukturen zur Anwendung kommen kann.
Ich erachte es außerdem als falsch sich auf den derzeitigen bundesweiten Sicherheitsdiskurs einzulassen, weil dieser dominiert wird von konservativen Law & Order Vorstellungen. Gegen diese muss mensch immer erst andiskutieren aktuell, bevor mensch sich der aus linker Perspektive relevanten Frage, wie Freiheitsrechte ausgebaut werden können, widmen kann.
Deswegen glaube ich, dass es falsch ist das Polizeigesetz jetzt anzufassen und hoffe es kommen gleich ganz viele Menschen zur Demo.
mit freundlichen Grüßen
Isabelle Vandre