Frage an Irmgard Freihoffer von Siegfried L. bezüglich Verkehr
Sie sagten in einer Podiumsdiskussion, dass der A3 Ausbau zwischen Rosenhof und Nittendorf rechtswidrig sei. Wie begründen Sie das?
Sehr geehrter Herr L.,
ja, sowohl der geplante sechsstreifige A3-Ausbau als auch weitere Autobahnausbauvorhaben im Bundesverkehrswegeplan sind rechtswidrig und es schon erstaunlich, wie die Bundesregierung, genauer gesagt das Bundesverkehrsministerium, also die Exekutive, sich über den Bundestag, den Gesetzgeber, hinwegsetzen kann. Von Gewaltenteilung ist da nicht mehr viel übrig. Weil nicht nur nationales, sondern auch EU-Recht verletzt wurde, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland am 26. August 2016 Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht (siehe https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/mobilitaet/mobilitaet_beschwerde_eu_komission_bundesverkehrswegeplan.pdf ). Da hier die mächtigen Interessen der Automobilbranche mit im Spiel sind und sich auch beim Abgasskandal schon gezeigt hat, dass unsere Bundesregierung auch auf EU-Ebene das durchsetzt, was die Autobranche wünscht, habe ich bei dieser Beschwerde ebenfalls nicht viel Hoffnung, dass das Recht und die Vernunft sich durchsetzen.
Der im Bundesverkehrswegeplan 2030 geplante A3-Ausbau bei Regensburg zwischen Rosenhof und Nittendorf ist rechtswidrig, weil eine Prüfung alternativer Verkehrsträger nicht durchgeführt wurde.__
Im UVPG § 19b Abs. 2 heißt es:
„Bei der Verkehrswegeplanung auf Bundesebene nach Nummer 1.1 der Anlage 3 werden bei der Erstellung des Umweltberichts in Betracht kommende vernünftige Alternativen, die die Ziele und den geographischen Anwendungsbereich des Plans oder Programms berücksichtigen, *insbesondere alternative Verkehrsnetze und alternative Verkehrsträger* ermittelt, beschrieben und bewertet.“
Zum Begriff der „vernünftigen Alternativen“ stellt beispielsweise der Kommentar von Landmann, Rohmer, Umweltrecht I (August 2015) zum Begriff der „in Betracht kommenden vernünftigen Alternativen“ (UVPG, § 19b, Abs. 2) fest:
"Denn die Schwelle der Vernünftigkeit ist schon unter den Vorzeichen einer effektiven Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 SUP-Richtlinie nicht übermäßig hoch anzusiedeln (so für die Abwägung aber noch BVerG, Urt. v. 25.1.1996, Az 4 C 4 5/95, BVerwGE 100, 238 [259]). Die Argumentationslast wird also umgekehrt: Nur eine Planungsvariante, die sich plausibel als unvernünftig darstellen lässt, kann a limine ausgeschieden werden. (Randnummer 24)
Der Verwaltungsrechtler Michael Sauthoff konstatiert:
„*So ist bei größeren Fernstraßenprojekten auch der Ausbau von Schienenverbindungen als Alternative zu betrachten, bei Straßenprojekten in Verdichtungsräumen der Ausbau des ÖPNV. *Dieser umfassende Alternativenbegriff korrespondiert mit dem umfassenden Verständnis der Umweltauswirkungen, wie es in Anhang I lit. b) der SUP-Richtlinie und in § 19 b Abs. 2 UVPG zum Ausdruck kommt.“[1] <#_ftn1>
Für den genannten Abschnitt wurde keine
Verkehrsträgeralternativenprüfung durchgeführt[2] <#_ftn2>. Damit ist
der Entwurf des BVWPs 2030 nicht gesetzes- und eurparechtskonform
(Richtlinie 2001/42/EG vom 27.6.2001). Gemäß § 19b Abs. 2 des Gesetzes
über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ist eine Prüfung von
Verkehrsträgeralternativen Pflicht. Dies müsste auch entsprechend
dokumentiert werden. Im Projektdossier PRINS findet man bei dem
genannten Ausbau der A3 unter Punkt 1.4 „Der Anmeldung zugrunde gelegte
Alternativenprüfung“ nur den Hinweis:
*„Alternativen zum bestandsorientierten Ausbau der A3 hätten wesentlich
größere Eingriffe für Mensch und Natur zur Folge. Alternativen wurden
daher nicht geprüft.“ *
Dass rechtliche Vorgaben der EU und des Bundes mit solch krachend
unlogischen Aussagen ausgehebelt werden können und keine Konsequenzen zu
befürchten sind, macht sprachlos.
Von einer generellen Überlastung der A3 im Raum Regenburg kann im
Übrigen nicht die Rede sein. Dass es immer wieder zu den
Hauptverkehrszeiten zu stockendem Verkehr kommt, liegt an den wachsenden
Pendlerzahlen. Von den mittlerweile ca. 100.000 Ein- und Auspendlern
(allein in Stadt und Landkreis) fahren 60 % zweimal täglich mit dem PKW.
Wir bräuchten deshalb endlich eine effiziente Stadt-Umlandbahn. Obwohl
z. B. bis Neutraubling, einem weiteren Industrie- und Gewerbestandort im
östlichen Landkreis, bereits ein Gleis existiert, haben die politisch
Verantwortlichen bisher keinen Versuch unternommen, diesen Ort mit einer
S-Bahn anzubinden.
Die derzeit veranschlagten 371 Mill. € (Stand 2014, ohne Planungskosten)
für den sechsspurigen Ausbau der A3 sind ein volkswirtschaftlicher und
ökologischer Irrsinn. Dieser Ausbau verhindert Nachhaltigkeitsziele im
Sinne einer sowohl umweltverträglichen als auch effizienten Mobilität.
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Die grundlegenden Tendenzen des BVWPs 2030 haben z. B. auch
Umweltverbände heftig kritisiert. So hatte der BUND bereits im Mai 2013
den damaligen Stand der Anmeldungen von Fernstraßenprojekten eines
Großteils der Bundesländer zum nächsten Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
2015 bewertet. Die Ergebnisse fasste er folgendermaßen zusammen:
„Die Pläne der Länder zum Neubau von Straßen waren nicht nur
überdimensioniert, unfinanzierbar und umweltzerstörerisch. Sie
widersprachen auch den Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums, wonach
die Investitionen die Auswirkungen auf Klimagase, Luftschadstoffen, Lärm
und Flächenzerschneidung berücksichtigen müssen.“[3] <#_ftn3>
Die dem Entwurf des BVWPs zugrundeliegenden Verkehrsprognosen zeigen,
dass aktive Gegenmaßnahmen z. B. zu Steigerungen beim MIV und beim
Güterverkehr auf der Straße vom Verkehrsministerium nicht diskutiert
werden und damit die Frage nach einer nachhaltigen, d. h. langfristig
sinnvollen, ökologischen und effizienten Mobilität ausgeklammert wird.
So wird beim Straßengüterverkehr zwischen 2010 und 2030 eine Zunahme von
ca. 39 % angenommen, beim MIV trotz abnehmender Einwohnerzahl von ca.
10% und beim Luftverkehr von ca. 65 %.
Mit solchen rein affirmativ aufgeführten Prognosen verzichtet Politik
auf den Anspruch, Steuerung im Sinne einer zukunftsfähigen und
nachhaltigen Mobilität vorzunehmen. So werden aus Prognosen
vermeintliche Sachzwänge, denen nur allzu häufig mit den bekannten
Mitteln des Straßenaus- oder
-neubaus begegnet wird.
Dieser Mangel beim BVWP 2030 dürfte auch dem Umstand geschuldet sein,
dass weder das Umwelt- noch das Gesundheitsministerium bei der
Erstellung des Entwurfs eingebunden waren, obwohl dies gemäß dem UVPG
Pflicht wäre (siehe § 14f Abs. 4 UVPG).
Mit freundlichen Grüßen
Irmgard Freihoffer
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[1] <#_ftnref1> Zeitschrift für Umweltrecht 1/2006, S. 19
[2] <#_ftnref2> Die Autobahndirektion Süd, die auf meine Anfrage vom
6.4. erst am 21.4.16 antwortete, konnte die Frage, ob eine
Verkehrsträgeralternative geprüft wurde, nicht beantworten. Erst eine
telefonische Nachfrage beim Bundesverkehrsministerium ergab, dass
Verkehrsträgeralternativen _nicht_ geprüft wurden.
[3] <#_ftnref3> BUND-Analyse der Straßenanmeldungen der Bundesländer für
den Bundesverkehrswegeplan 2015, Stand 13.2.2014;
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/mobilitaet/140213_bund_mobilitaet_analyse_bundesverkehrswegeplan.pdf,
S. 3.