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Irmgard Freihoffer
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Frage von Sabine G. •

Frage an Irmgard Freihoffer von Sabine G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Freihoffer,

aus Ihrem Jahrgang und Geburtsort kann ich wohl schließen, dass Sie nicht aus der
PDS hervorgegangen sind. Da ich d.J. erstmals erwäge, die LINKE zu wählen, wüsste ich
gerne, was S i e motiviert hat, den LINKEN beizutreten.

Danke für Ihre vielleicht hilfreiche Antwort. MfG. S. G.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau G.,

bevor ich Ihre Frage beantworte, möchte ich Folgendes vorausschicken: In der Partei DIE LINKE habe ich mich zum ersten Mal 2007 vor der Kommunalwahl in Regensburg eingebracht. Seit 2008 bin ich für die LINKE Stadträtin in Regensburg, bis vor kurzem war ich allerdings parteilos und bin erst in diesem Jahr eingetreten. Politisch bin ich also nicht in einer Partei groß geworden, sondern in der Gewerkschaft (GEW und DGB) und in der globalisierungskritischen Organisation Attac.

Zu meiner Motivation, mich ab 2007 für DIE LINKE zu engagieren, war die Erkenntnis, dass mit der rot-grünen Reformpolitik unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ein grundlegend falscher Weg eingeschlagen worden war. Dazu gehörten die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Zudem sind die Umweltpolitik, die zunehmende Militarisierung der Außenpolitik und der Einfluss von Firmen, Konzernen und Bauträgern u. a. über Firmenspenden auf unsere Politik - leider nehmen auch die SPD und Grünen dieses Geld gerne an – Gründe für mich, in der LINKEN aktiv zu sein.

Ich will zu den genannten Themenfeldern einige konkrete Punkte grob umreißen und bitte um Verständnis dafür, wenn ich hier auf die genannten Themen nur kurz eingehen kann.

- _Schwächung der gesetzlichen Rente_: Mit dem Märchen bzw. Schreckensszenario der demographischen Entwicklung wurden die Renten abgesenkt und das Renteneintrittsalter angehoben. Zwar ist es richtig, dass die Lebenserwartung steigt und immer mehr Rentner*innen auf immer weniger Arbeitende kommen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Verschwiegen wird dabei geflissentlich, dass die Produktivität aufgrund des technischen Fortschritts und der Industrialisierung ständig steigt (ca. 1-2% pro Arbeitsstunde jedes Jahr).

Das ist der Grund, warum auch mit immer weniger Menschen immer mehr produziert werden kann. Und das zeigt sich auch am Bruttoinlandsprodukt, das stetig steigt. Das Problem bei den Renten ist also nicht die demographische Entwicklung, sondern – wie auch bei den Einkommen - die Verteilung des gesellschaftlich erwirtschafteten Wohlstands. Deshalb sollten auch alle Einkommensarten, also auch Vermögenseinkünfte, in die gesetzliche Rentenkasse einbezogen werden. Dies wäre nicht nur gerechter, sondern würde auch zu einer Absenkung des Beitragssatzes bei den Arbeitnehmern und -gebern und damit zu einer Reduzierung der Sozialabgaben führen.
Wenn wir nicht endlich massiv gegensteuern, d. h. die Renten wieder auf das alte Niveau von über 50 % und den Niedriglohnsektor deutlich anheben, werden wir eine beispiellose Altersarmut bekommen.

Die Regierungen, die seit der damaligen rot-grünen forderten, die Leute sollten sich wegen der Absenkung des Rentenniveaus in Zukunft zusätzlich privat versichern, haben völlig ignoriert, dass Leute mit geringem Einkommen gar keine oder nur eine geringe Chance dazu haben. Darüber hinaus bescherte die private Vorsorge vor allem den Versicherungskonzernen neue Einnahmequellen, die noch dazu staatlich gefördert wurden. Zudem gehen die privaten Versicherungen nicht effizient mit dem Geld im Sinne der Prämienzahler*innen um, da sie hohe Summen für Marketing ausgeben – was das staatliche, umlagefinanzierte Rentensystem nicht braucht. Außerdem müssen sie die Renditeerwartungen der Anteilseigner*innen befriedigen. Ein weiterer negativer Aspekt: Auch die Versicherungskonzerne müssen ihr Geld anlegen und so wächst der Druck auf den Kapitalmärkten, die immer wieder neue, spekulative Anlageformen hervorbringen müssen, da zu viel Geld unterwegs ist, das nach Anlage sucht. So wird das globale Finanzkasino der Kapitalmärkte weiter befeuert.

- _Hartz 4_ als weiteres Kernstück der Agenda 2010 senkte nicht nur die Sozialleistungen z. B. für Arbeitslose nach spätestens einem Jahr auf ein menschenunwürdiges Niveau ab, es hatte auch negative Auswirkungen auf die Arbeit insgesamt, weil Hartz 4 letztlich ein Drohpotenzial für alle abhängig Beschäftigten entfaltet und die Möglichkeit der Lohnabsenkung bzw. zu geringen Lohnsteigerungen deutlich begünstigt als auch andere für Beschäftigte nachteilige Auswirkungen. So konnte sich Schröder damals brüsten, dass es in Deutschland den größten Niedriglohnsektor gäbe. Und so geht auch die Einkommensschere immer weiter auf, prekäre Beschäftigung nahm zu.

- Die _Steuerreformen_ von Rot-Grün nach der Jahrtausendwende haben die hohen und sehr hohen Einkommensbezieher völlig unnötig entlastet, mit negativen Folgen: Immer größere Vermögen sammeln sich in wenigen Händen an; das Geld wandert auf Finanzmärkte, erzeugt Druck zur Privatisierung, weil es immer weniger Anlagemöglichkeiten gibt, das spekulative Kapital nimmt zu und damit die Gefahr von Blasen. Zugleich fehlt dringend benötigtes Geld für die Daseinsvorsorge wie für Bildung und Pflege. Eine vernünftige pädagogische Arbeit ist z. B. in Klassen mit deutlich über 20 oder sogar über 30 Schüler*innen nicht möglich, wenn Kinder in ihren Elternhäusern nicht die Unterstützung und emotionale Wärme bekommen, die für ihre Entwicklung dringend notwendig wäre. Hier bräuchten wir dringend mehr Personal.

- Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich auch der _Umgang mit natürlichen Ressourcen_. Wie Jane Fonda sagte: „Wir gehen mit dieser Welt um, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum.“ Leider sind auch die Grünen hier bei allen guten Vorsätzen immer wieder inkonsequent gewesen und haben zu oft der Wirtschaft nachgegeben. Da könnte ich auch einiges aus der Lokalpolitik hier in Regensburg erzählen, z. B. was ihr Eintreten für den Autobahnausbau der A3 im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans anbelangt. Des Weiteren wird auch weder bei den meisten in der SPD noch bei den Grünen (die Unionsparteien und FDP sind natürlich noch weiter von dem Thema weg) die Notwendigkeit gesehen, sich mit dem Paradigma des ewigen Wachstums auseinanderzusetzen. Mit endlichen Ressourcen kann man aber nicht unbegrenzt wachsen.

Und gerade im Hinblick auf die zunehmenden Konflikte in der Welt spielt der Klimawandel eine große Rolle. So hat sich beispielsweise die Situation in Syrien auch durch mehrere aufeinanderfolgende Dürren verschärft, auch wenn es für den Bürgerkrieg in Syrien viele Ursachen gab, insbesondere die Diktatur Assads und die Militarisierung des Konflikts von außen.

- Weitere Punkte für mein Engagement bei der LINKEN sind der _Welthandel und die Freihandelsabkommen_. Egal, ob solche Freihandelsabkommen wie früher über die Welthandelsorganisation WTO oder wie jetzt bei TTIP, CETA und TiSA ohne WTO ausgehandelt werden, klar ist, dass dies immer hinter verschlossenen Türen passiert und große Konzerne bei diesen Abkommen zwar mitreden können, die Öffentlichkeit und selbst die gewählten politischen Vertreter keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu den Dokumenten haben. In was für einer Demokratie leben wir eigentlich? Warum haben keine zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Gewerkschaften und Umweltverbände noch Wissenschaftler*innen Zugang zu diesen Dokumenten, um deren Auswirkungen prüfen zu können? Wenn man nicht nur tatenlos zusieht, sondern z. B. Agrarkonzerne, die in Entwicklungsländern den einheimischen Kleinbauern über sogenanntes Landgrabbing Land zur Bewirtschaftung entziehen, noch fördert, dann soll man nicht Flüchtlinge, die der Armut und Perspektivlosigkeit entfliehen, bekämpfen, sondern die Ursachen.

- _Parteispenden:_ Hier ist man an einem ganz neuralgischen Punkt unserer Demokratie angelangt: Wenn man die politischen Willens- und Entscheidungsprozesse unabhängig von der Wirtschaft machen will, dann muss man die Parteienfinanzierung ändern. Firmenspenden an Parteien gehören verboten. Die LINKE ist die einzige Partei im Bundestag, die keine Firmenspenden annimmt. Nicht nur bei den großzügigen Spenden der Automobilindustrie stellt es mir immer wieder die Haare auf, auch die Grünen z. B. bekommen immer wieder mal Spenden vom Südwestmetall-Verband, zu deren Mitgliedern eine ganze Reihe von Rüstungsfirmen wie Heckler & Koch (Pistolen, Gewehre), Diehl Defence (Lenkflugkörper, Munition) oder MTU (Militärtriebwerke) gehören. Ebenso halte ich die Forderung der LINKEN, die Spenden von Privatpersonen, wie z. B. der BMW-Erben Quandt und Klatten, wenigstens auf 25.000 € zu begrenzen, für sinnvoll.

- _Friedens- und Außenpolitik:_ Schon im Dezember 2009 wurde mit dem Vertrag von Lissabon (EUV) als wichtigste Gesetzesgrundlage der EU die Militarisierung der EU festgeschrieben: Vor allem in Artikel 43(3) heißt es: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Ein Vertrag, der ursprünglich als Europäische Verfassung deklariert war, sollte eigentlich Offenheit für die Zukunft zulassen, hier wurde aber einseitig Aufrüstung festgeschrieben. Das Bestreben, nun der Forderung der USA nachzukommen und 2% des Bruttoinlandsprodukts für Militär auszugeben, ist Irrsinn. Es gibt überhaupt keine belastbaren Erkenntnisse darüber, warum gerade 2 % des BIPs sinnvoll sein sollen bzw. inwiefern die Erhöhung der Militärausgaben die Sicherheit in Europa und der Welt verbessern soll.

Ein Vergleich der Militärausgaben 2016 der Nato, Russlands und China zeigt übrigens auch, dass weitere Aufrüstung fehl am Platze ist: Russland: 69 Mrd. $, China 215 Mrd , Nato Europa: 242 Mrd. $, Nato gesamt: 921 Mrd. $.

Des Weiteren muss das Todesgeschäft mit den Rüstungsexporten an diktatorische Regime und in Krisengebiete sofort eingestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Irmgard Freihoffer