Frage an Ingo Wellenreuther von Tim G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Wellenreuther,
vielen Dank für Ihre Antwort. Bitte gestatten Sie eine Nachfrage: Sie schlagen vor, ein neues Bundesgericht für Urheberrecht dun gewerblichen Rechtsschutz in Leipzig zu errichten und im Gegenzug den 5. und den (neuen) 6. Strafsenat des BUndesgerichtshofes nach Karlsruhe zu verlegen, um die "Spaltung des BGH" zu überwinden. Wie genau haben Sie diesen Vorschlag denn im Einzelnen begründet? Urheberrecht und gewerbliche Schutzrechte sind Teile des Zivilrechts, also des Privatrechts. Revisionsinstanz ist dafür bislang der BGH (dort vornehmlich der I. Zivilsenat). Sie wollen also statt einer Spaltung des Strafrechts eine Aufspaltung des Zivilrechts? Was sollte daran besser sein? Zumal in Zivilsachen vor dem BGH nur dort zugelassene Rechtsanwältinnen vor dem BGH tätig werden können. Diese müsste sich also auch aufteilen oder zwischen Karlsruhe und Leipzig pendeln. Ist es möglich, dass die Bundesjustizministerin diesen Vorschlag deshalb abgelehnt haben könnte, weil er nicht durchdacht ist, und nicht weil sie einer anderen Partei angehört?
Wäre es nicht viel sinnvoller, die Spaltung zu überwinden, indem man den BGH in Zivil- und Strafrecht aufteilt und letzteres komplett nach Leipzig gäbe? Das schlägt zum Beispiel ja auch der ehemalige Vorsitzender Richter am BGH und namhafte Strafrechtskommentator Thomas Fischer vor.
In Ihrer "Stadt des Rechts" gibt es keinerlei rechtswissenschaftliche Lehre und Forschung, richtig? Leipzig ist die älteste Juristenfakultät Deutschlands, an welcher u.a. Goethe und Leibniz studiert haben. Kein würdier Standort für den Bundesgerichtshof? Und was genau ist schlimm daran, dass eine Behörde wie die Bundesanwaltschaft mehrere Standorte hat? Haben die meisten Bundesministerien das nicht auch?
Ist die "Rutschklausel" nun geltende Beschlusslage des Bundestages und wenn ja, wann sorgt der Bundestag dafür, dass sein Beschluss von der Justizministerin umgesetzt wird, also ein weiterer Strafsenat nach Leipzig kommt?
Sehr geehrter Herr Gerber,
danke für Ihre erneute Nachricht.
Meine inhaltliche Argumentation zur Abschaffung der Rutschklausel finden Sie in meiner damaligen Medieninformation. Diese finden Sie unter https://www.ingo-wellenreuther.de/artikel/wellenreuther-spaltung-des-bgh-ueberwinden-und-sog-rutschklausel-abschaffen
Das Bundesjustizministerium hat damals argumentiert, dass die Errichtung eines neuen Bundesgerichtes für den gewerblichen Rechtsschutz daran scheitern würde, dass der Bund bereits auf Grundlage des Art. 96 Absatz 1 des Grundgesetzes das Bundespatentgericht geschaffen habe. Diese Argumentation verkennt in meinen Augen, dass der Bund dadurch nur teilweise von seiner Ermächtigung in Art. 96 Absatz 1 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht hatte, wie der Wissenschaftliche Dienst in seinem aktuellen Sachstandsbericht zu diesem Thema vom 29.11.2018 ausführt. Weite Teile des gewerblichen Rechtsschutzes werden durch das Bundespatentgericht nicht abgedeckt und dies ermöglicht deshalb die Errichtung eines weiteren Bundesgerichts im Sinne des Art. 96 Absatz 1 des Grundgesetzes, die in Leipzig erfolgen könnte, um damit die Rückverlegung der beiden Strafsenate nach Karlsruhe und die Abschaffung der Rutschklausel zu kompensieren.
Im Übrigen ist Leipzig – bei allem Respekt – eine von 43 rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland. Insofern ist Karlsruhe als „Residenz des Rechts“ mit dem Sitz des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Generalbundesanwaltschaft tatsächlich einmalig und beheimatet in Zukunft auch den Sitz der Bundesstiftung „Forum Recht“.
Mit besten Grüßen
Ingo Wellenreuther