Frage an Ingo Wellenreuther von Franz D. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Wellenreuther,
obwohl nicht zuständig, hat das Ministerium unter Jens Spahn eine Schutzmaskenbestellung vorgenommen.(siehe Artikel unter https://www.juve.de/nachrichten/verfahren/2020/08/schutzmasken-beschaffung-mueller-wrede-vertritt-ministerium-im-streit-um-beratervertrag-von-ey ) Laut diesem Artikel wurde ein Beratungsauftrag hierzu im Wert von 9,5 Mio Euro an EY (Ernst & Young) vergeben.
Über die Notwendigkeit einer öffentlichen Ausschreibung ist laut dem genannten Artikel jetzt ein Rechtsstreit entstanden, hierbei wird das Ministerium von der Kanzlei Müller-Wrede vertreten.
Hinter diesem Streit steckt laut genanntem Artikel ein noch viel größerer Streit : "Das Gesundheitsministerium wird nämlich von fast 50 Lieferanten und Herstellern von Schutzmasken verklagt. Sie fordern am Landgericht Bonn ausstehende Zahlungen im Gesamtwert von rund 400 Millionen Euro ein."
Kann es sein, dass sich das Gesundheitsministerium unter Jens Spahn in Dinge einmischt, die nicht in ihrem Kompetenz- und Zuständigkeitsbereich liegen und bei einem Misslingen dann damit nichts mehr zu tun haben will?
Wer trägt die Kosten für die Rechtsstreitigkeiten, die das Gesundheitsministerium übernehmen muss und wie hoch können diese schlimmstenfalls werden?
Haftet der Minister persönlich für Schäden, die nachweislich aufgrund fehlerhafter Anweisungen seinerseits entstanden sind und wird den Wählern in den Fernsehnachrichten (z.B. in der Heute-Sendung) mitgeteilt, welche Prozesse das Gesundheitsministerium unter seiner Leitung momentan führt und in Zukunft führen will, unter Angabe der geplanten Kosten?
Können Sie verstehen, dass sich viele Bürger mittlerweile mehr als wundern, wie Politiker ihr Geld (Steuergelder) regelrecht "verschenken" (versenken)?
Was verstehen Sie als Politiker unter einem "Prozesshansl" und, aus eigenem Verschulden Konsequenzen zu ziehen?
Ich hoffe Sie beantworten mir und Millionen Bürgern meine Fragen, nachlesbar in diesem Medium!
Hochachtungsvoll
Sehr geehrter Herr Dohnal,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Zu Details laufender Rechtsstreitigkeiten darf ich aus rechtlichen Gründen als ehemaliger Richter keine Bewertung abgeben. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens nicht zwingend für die Auftragsvergabe erforderlich ist. So kann nach § 14 Abs. 4, Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein öffentlicher Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, „wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein“.
Am 7. September 2020 entschied die beim Kartellamt angesiedelte Vergabekammer, die gerichtsähnlich aufgebaut ist und ihre Tätigkeit unabhängig und im strengen Rahmen der Gesetze ausübt, über einen von mehreren Lieferanten gestellten Nachprüfungsantrag zu der Frage, ob der Beratervertrag mit EY ohne Ausschreibung durch das BMG abgeschlossen werden durfte. Das Ergebnis des Beschlusses (VK 2 – 57/20) lautete: Die Voraussetzungen des §14 Abs. 4, Nr. 3 VgV waren durch den Mangel an Schutzausrüstung in Verbindung mit der Corona-Pandemie gegeben; alle Anträge der Antragstellerinnen wurden zurückgewiesen. Das Bundesgesundheitsministerium habe „zu Recht eine Priorisierung im Sinne der Sicherstellung des Gesundheitsschutzes der Gesamtbevölkerung als Aufgabe der Daseinsvorsorge vorgenommen“. Der Rechtsstreit ist dadurch aber noch nicht beendet, sondern wird wahrscheinlich vor der nächsten Instanz beim OLG Düsseldorf fortgeführt. Dessen Entscheidung bleibt abzuwarten.
Nach derzeitiger Faktenlage besteht offenbar kein Grund, das Vorgehen von Bundesminister Spahn bei der Beschaffung von Schutzausrüstung zu kritisieren. Ganz allgemein ist der öffentliche Eindruck eher der, dass das Gesundheitsministerium unter der Leitung von Jens Spahn die Ausnahmesituation, der sie sich seit Beginn dieses Jahres ausgesetzt sieht, sehr umsichtig und entschlossen meistert.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Wellenreuther