Frage an Ingo Wellenreuther von Matthias B. bezüglich Recht
Guten Tag Herr Wellenreuther,
ich möchte Ihnen eine Frage bezüglich der so vehement geforderten Online-Durchsuchung, aktuell Gegenstand des baden-württembergischen Politiksgeschehens, stellen.
Wie vereinbaren Sie dieses sehr umstrittenen und fragwürdige Mittel mit unserem Grundgesetz?
Oder vielleicht fragt man sich als Bürger auch, wie der Staat unsere Daten sicher und vertraulich behandeln will, wenn gerade herauskommt, dass ausländische Regierungen Zugriff auf deutsche Regierungs-PC´s haben?
Ist es wirklich notwendig, dass wir unsere Freiheit so arg beschneiden müssen, um uns eine trügerische Sicherheit vorgaukeln zu lassen?
Die heutigen Möglichkeiten, Daten, Emails usw zu verschlüsseln, das Ausweichen auf Server außerhalb von Deutschland und viele weitere Möglichkeiten, zeigen doch die Sinnlosigkeit dieser Maßnahme. Und eine Verpflichtung der Softwarehersteller, eine Backdoor für den deutschen Staat in ihre Programme aufzunehmen, gefährdet ja mit Sicherheit das Image selbiger Firmen und das Ansehen der deutschen IT.
Schon bei der Vorratsdatenspeicherung fragt man sich wie die aufkommenden Datenmengen zeitgleich überprüft werden sollen, um zeitnah auf mögliche Gefährdungen von uns Bürgern reagieren zu können.
Vielmehr drängt sich mir die Frage auf, wie gut kennen sich unsere Politiker in der IT aus? Ein sehr amüsantes Beispiel war einmal ein Interview von Kindern bei einigen Politikern: "Was bitte ist ein Browser?" (sinngemäß).
Schlimmer finde ich die Tatsache, dass unser Grundgesetz bzw. unsere Grundrechte scheinbar keine Bedeutung mehr haben. Urteile des BVG werden doch nur als lästiges Hindernis gesehen und haben gerade für unser Innenministerium wohl keine Aussagekraft mehr.
Vorratsdatenspeicherung, elektronische Mautbrücken, biometrische Video-Überwachung, Online-Durchsuchung......Das hört sich doch eher nach einen Überwachungsstaat an statt nach einer Demokratie.
Ich sehe Ihrer Antwort gespannt entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
M. Berkemeyer
Sehr geehrter Herr Berkemeyer,
vielen Dank für Ihre Frage zur „Online-Durchsuchung“.
Was Baden-Württemberg betrifft, so sind die Gespräche zwischen Innen- und Justizministerium über die geplante Novellierung des Polizeigesetzes und damit auch die Frage des Ob und Wie der Einführung einer Rechtsgrundlage für „Online-Durchsuchungen“ darin noch nicht abgeschlossen.
Bereits in der Antwort auf die Frage von Herrn Buddenhagen hier in abgeordnetenwatch habe ich zum Thema „Online-Durchsuchungen“ Stellung bezogen. Dabei habe ich bereits klar gestellt, dass für mich eine „Online-Durchsuchung“ nur mit einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage erfolgen kann, die die jeweilige Maßnahme transparent, kontrolliert und nachprüfbar macht. Eine solche Rechtsgrundlage muss selbstverständlich mit unseren hohen rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sein. So ist für mich beispielsweise ein richterlicher Vorbehalt eine zwingende Voraussetzung.
Am 10. Oktober 2007 verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerden gegen die „Online-Durchsuchung“ im Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalens. Vielleicht lassen sich auch in dieser mündlichen Verhandlung Erkenntnisse über eine verfassungsgemäße Ausgestaltung einer Rechtsgrundlage für „Online-Durchsuchungen“ ziehen. Ich persönlich halte nämlich Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht für ein lästiges Hinderns, sondern schätze sie als Richtschnur für politisches Handeln. Ihre Behauptungen, dass unsere Grundrechte scheinbar keine Bedeutung mehr hätten und dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts keine Aussagekraft für die Innenministerien hätten, gehen an der Realität leider vollkommen vorbei.
Bei den kommenden Beratungen innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens werden aber nicht nur juristische Fragen (also insbesondere die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz), sondern auch technische und tatsächliche Fragen für „Online-Durchsuchungen“ zu klären sein. Regelmäßig ziehen die Mitglieder des Bundestags bei schwierigen und komplizierten Themenbereichen den Sachverstand von Experten im Rahmen von Anhörungen zu Rate.
So wird etwa am 19. und 21. September 2007 im Bundestag eine Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“ stattfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Wellenreuther MdB