Frage an Ingo Wellenreuther von Karin F. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Wellenreuther,
der aktuelle Skandal um die Cum Ex Geschäfte finde ich wirklich bedenklich. Tatsächlich werden wir alle von reichen Menschen, die es sich leisten können um unsere Steuern betrogen. Dass den Betroffenen, die Veröffentlichung nicht gefällt, ist mir klar, aber wer Unrecht begeht, muss auch dafür gerade stehen.
Eine Grundtatsache, die übrigens jede*r seinen Kindern beibringt.
Dass jetzt gegen den Chefredakteur von Correctiv Oliver Schröm ermittelt wird, kann ich als Normalbürgerin nicht verstehen. Es wird wegen des Verdachts auf „Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen” nach §17 UWG (Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb) ermittelt. Dabei ist es das erste Mal, dass dieser Paragraph auf einen Journalisten angewendet wird.
Umso mehr besorgt mich das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG), das der Bundestag derzeit berät. Der aktuelle Entwurf gefährdet den Informantenschutz und somit die Grundlage investigativer journalistischer Arbeit. Dieser Angriff auf die Pressefreiheit muss abgewendet werden.
Ich glaube, es ist im Sinn eines jeden Steuerzahlers, dass Cum Ex Geschäfte und alle Steuerhinterziehungen aufgedeckt werden.
Es kann und darf nicht sein, dass es Menschen gibt, für die unsere Gesetze nicht zu gelten scheinen.
Wie sollen wir das unseren Kindern erklären? Dass es Regeln gibt, diese aber für manche nicht gelten?!
Ich bitte um Ihre Meinung.
Freundliche Grüße aus Rüppurr,
K. Frey
Sehr geehrte Frau F.,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. Dezember 2018.
Hinsichtlich der sogenannten "Cum/Ex- Geschäfte" bin ich Ihrer Meinung, dass diese Art von Geschäften nicht nur bedenklich, sondern sogar rechtswidrig sind und konsequent geahndet werden müssen.
Der Deutsche Bundestag hat sich im Rahmen eines Untersuchungsausschusses mit „Cum/Ex“- Geschäften befasst. Der Untersuchungsausschuss hat zwischen April 2016 und Februar 2017 in 19 öffentlichen Beweisaufnahmesitzungen fünf Sachverständige und rund 70 Zeuginnen und Zeugen gehört. Der Ausschuss hat 107 Zeugenbeweisbeschlüsse und 96 Aktenbeweisbeschlüsse gefasst. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Cum/Ex-Geschäfte waren und sind rechtswidrig. Das hat das Finanzgericht Kassel am 10. März 2017 durch Urteil (4 K 977/14) bestätigt.
Die Steuer- und Justizbehörden müssen und dürfen bei Cum/Ex-Geschäften umfassend ermitteln. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 2. März 2017 (2 BvR 1163/13) bestätigt. Es bestehen gute Aussichten, dass die Steuer- und Justizbehörden unberechtigte Steuererstattungen mit Zins und Zinseszins zurückzuerhalten sowie strafrechtliche Verurteilungen erwirken.
Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern leisten sehr gute Arbeit. Sie konnten in zahlreichen Fällen verhindern, dass zu Unrecht beantragte Anrechnungen oder Erstattungen der Kapitalertragssteuer auch tatsächlich angerechnet oder ausgezahlt wurden. Außerdem ist es ihnen gelungen, den Großteil der irrtümlich bereits angerechneten oder erstatteten Kapitalertragsteuern erfolgreich zurückzufordern. Die tatsächliche Schadenshöhe durch Cum/Ex-Geschäfte dürfte deshalb nur einen Bruchteil der öffentlich immer wieder genannten 12 Milliarden Euro ausmachen.
Die Arbeit des Untersuchungsausschusses hat ebenso den Vorwurf widerlegt, dass das Bundesfinanzministerium mit dem Jahressteuergesetz 2007 Cum/Ex-Geschäfte über das Ausland legalisiert habe.
Ob und welche staatsanwaltlichen Ermittlungen es im Zusammenhang mit „Cum/Ex“- Geschäfte konkret gibt, kann ich Ihnen nicht mitteilen. Dies ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörde.
Abschließend kann ich Ihnen zum Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) mitteilen, dass die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film für das Funktionieren der Demokratie eine unerlässliche Voraussetzung sind. Dies wird von CDU und CSU in jedem Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt. Die Meinungsbildung für an das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist in der Koalition noch nicht abgeschlossen. Der Entwurf sieht aber vor, den Bedürfnissen von Unternehmen und Journalisten ausgleichend Rechnung zu tragen. Der Gesetzentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen dient auch dem Schutz von Whistleblowern und Journalisten. Zu diesem Zweck enthält es Regelungen für Sachverhalte, in denen der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen nicht rechtswidrig ist. Das gilt zum Beispiel für Fälle, in denen die Handlung der Ausübung der Meinungs- und Informationsfreiheit oder der Aufdeckung von Fehlverhalten und rechtswidrigen Handlungen dient.
Mit besten Grüßen
Ingo Wellenreuther