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Ingo Wellenreuther
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Frage von Ulrich B. •

Frage an Ingo Wellenreuther von Ulrich B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Wellenreuther,

das Leid der Menschen in Syrien, die Bombardements von Schulen, Krankenhäusern und ganzen Stadtvierteln, das alles ist kaum auszuhalten. Verständlich, dass Menschen nach schnellen Lösungen suchen. Aber militärische Lösungen sind nicht schnell. Sie sind noch nicht einmal Lösungen: Weder in Afghanistan, noch im Irak noch in Libyen ist es gelungen, durch militärische Interventionen Frieden zu schaffen: Die Kämpfe gehen einfach weiter. Deshalb braucht Syrien zivile Lösungen. Sie haben vor einem Jahr für den Bundeswehreinsatz in Syrien gestimmt. Planen Sie, das auch am 10. November zu tun - trotz der Erfolglosigkeit des Einsatzes?

Freundliche Grüße
Ulrich Beer-Bercher

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Beer-Becher,

vielen Dank für Ihr Schreiben, indem Sie mich auffordern, dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung und Ergänzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS nicht zuzustimmen.

Ich habe am 10. November für den Antrag der Bundesregierung gestimmt und möchte Ihnen dies gerne nachfolgend begründen.

Die Anschläge in Frankreich, Belgien, der Türkei, aber auch in Deutschland haben gezeigt, dass von der Terrororganisation IS trotz des erfolgreichen Vorgehens der internationalen Anti-IS-Koalition, insbesondere im Irak und in Syrien, weiterhin ein bewaffneter Angriff ausgeht, der uns auch in Europa sehr konkret betrifft und gegen den das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung gegeben ist.

Der IS stellt aufgrund seiner extremistisch-salafistischen Gewaltideologie, seiner terroristischen Handlungen, seiner anhaltenden schweren, systematischen und ausgedehnten Angriffe auf Zivilpersonen sowie seiner Anwerbung und Ausbildung ausländischer Kämpfer auch aus Sicht des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dar. Seine Anschläge gelten der Lebensweise und den Werten, die alle Bürger Europas miteinander verbinden. Gleichzeitig richtet sich die Bedrohung durch den IS auch gegen die Werte muslimischer Gesellschaften. Die meisten Opfer seiner terroristischen Angriffe sind Muslime. Auch die islamischen Staaten in der Region sind aktiv im Kampf gegen den IS engagiert.

Der Bedrohung durch den IS muss weiterhin entschieden und in einem abgestimmten Ansatz begegnet werden. Neben der Beteiligung an der internationalen Anti-IS-Koalition sowie Ausrüstungshilfen und Ausbildungsunterstützung für die irakischen Sicherheitskräfte und die Sicherheitskräfte der Region Kurdistan- Irak tragen Ertüchtigungsmaßnahmen für Jordanien und Tunesien, aber auch beispielsweise Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau in Libyen, dazu bei, die Verbreitung von weiteren Keimzellen von dem IS zu verhindern.

Die Staats- und Regierungschefs der NATO haben auf dem Gipfel in Warschau am 8./9. Juli 2016 beschlossen, die internationale Koalition im Kampf gegen den IS mit AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeugen vom türkischen und internationalen Luftraum aus zu unterstützen. Ziel ist, mittels der Aufklärungsflüge und Weitergabe der dabei gewonnen Daten in Echtzeit an die internationale Anti-IS-Koalition zur Verdichtung des Lagebilds beizutragen.
Deutschland unterstützt die internationale Koalition im Kampf gegen den IS unmittelbar durch Bereitstellung von Aufklärungsmitteln. So können auch grenzüberschreitende Bewegungen der IS -Kämpfer erkannt sowie die tatsächliche Größe des Operations- und Einflussgebietes von dem IS aufgeklärt werden. Deutschland unterstützt darüber hinaus mit Tankflugzeugen zur Luft-zu-Luft-Betankung, einer Fregatte als Begleitschutz für den französischen Flugzeugträger sowie Personal in Stäben und Hauptquartieren.

Darüber hinaus wird sich Deutschland an der Unterstützung der NATO für die internationale Anti-IS-Koalition durch Bereitstellung der Besatzungen von AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeugen beteiligen. Der Einsatz der AWACS-Flugzeuge dient der Verdichtung des Lagebildes unter Weitergabe der dabei gewonnenen Erkenntnisse in Echtzeit an die internationale Anti-IS-Koalition. Der damit einhergehende Beitrag zur Luftraumkoordinierung dient auch der Sicherheit der deutschen Aufklärungsflugzeuge Tornado sowie der Tankflugzeuge, die im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition eingesetzt werden. Zu den Aufgaben des AWACS-Einsatzes zählt ausdrücklich nicht die Übernahme einer Feuerleitfunktion. Das strategische und operative Kommando der AWACS-Flugzeuge verbleibt bei der NATO.

Die fortgesetzte und ausgeweitete Beteiligung am Kampf gegen den IS stellt einen Kernpunkt unseres sicherheitspolitischen Engagements in der Region dar, um damit der unmittelbaren und direkten Gefahr für Deutschland, unsere Bündnispartner und die internationale Gemeinschaft entgegenzutreten. Der Einsatz dient dem entschlossenen Vorgehen gegen strategische Versorgungswege und Ressourcen sowie Anführer, Kämpfer und Anhänger von dem IS.

Die beträchtlichen Fortschritte im Kampf gegen den IS, die aus dem bisherigen Vorgehen der internationalen Anti-IS-Koalition erzielt wurden, sollen mit dem deutschen Beitrag gefestigt und weiterentwickelt werden. Die Bundesregierung ist gleichzeitig führend an internationalen Stabilisierungsbemühungen zugunsten vom IS befreiter Gebiete beteiligt, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die betroffenen Menschen in ihrer Heimat verbleiben bzw. dorthin zurückkehren können.

Die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den IS werden von einer breiten internationalen Koalition getragen, die sich 2014 in Reaktion auf die territoriale Expansion des IS herausgebildet hat und der auch Deutschland angehört. Sie umfasst 64 Staaten sowie EU, Arabische Liga und Interpol und verfolgt eine umfassende Strategie mit den Handlungslinien Militär, Unterbrechung der Finanzströme, Unterbrechung des Zulaufs von ausländischen Kämpfern, Kommunikationsstrategie und Stabilisierung. Deutschland beteiligt sich in allen fünf Bereichen an der Arbeit der internationalen Koalition, einschließlich der Arbeitsgruppe Militär, und führt gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten den Vorsitz der zivilen Arbeitsgruppe Stabilisierung.

Diese Gruppe verfolgt das Ziel der Stabilisierung der vom IS befreiten Gebiete in Syrien und Irak. Die Arbeit konzentriert sich zum einen auf schnell wirksame Maßnahmen, mit denen der Verbleib der betroffenen Bevölkerung bzw. die Rückkehr von Flüchtlingen ermöglicht und die Grundlage für ein langfristigeres Entwicklungsengagement gelegt wird.

Hierzu gehören strukturbildende Infrastruktur- und Wiederaufbaumaßnahmen der Übergangshilfe in den Bereichen Bildung/Beschäftigung, Gesundheit und Wasser im Irak. Sie kommen den vom Konflikt betroffenen Menschen zugute und unterstützen den Abbau von Spannungen zwischen Geflüchteten und aufnehmenden Gemeinden. Durch Unterstützung der lokalen Behörden, die Förderung des Wiederaufbaus und die Stärkung konstruktiver Akteure aus der Zivilgesellschaft soll der Grundstein für dauerhafte Stabilität, Sicherheit und Entwicklung gelegt werden.

Deutschland ist somit neben seinem militärischen Engagement ein zentraler Akteur bei Stabilisierungsmaßnahmen und den Bemühungen um einen politischen Rahmen. Für 2017 plant die Bundesregierung, ihr Stabilisierungsengagement im Irak und in Syrien unter diesen Zielsetzungen fortzusetzen.

Der deutsche militärische Beitrag ist somit eingebettet in einen breiten zivilen Ansatz. Übergeordnetes Ziel bleibt eine umfassende politische Friedenslösung für Syrien, aber auch die dauerhafte politische und wirtschaftliche Stabilisierung und Transformation des Irak.

Die Bundesregierung ist aktives Mitglied der internationalen Syrienkontaktgruppe und unterstützt den VN-Sondergesandten Staffan de Mistura bei seinen Bemühungen, den Konflikt friedlich zu lösen. Das deutsche Stabilisierungsportfolio ist so aufgebaut, dass dieser übergeordnete politische Prozess direkt und indirekt begleitet wird, u. a. durch eine Unterstützung der Arbeit der Oppositionsdelegation in Genf. Auch vor Ort tragen die Stabilisierungsbemühungen dazu bei, ein verbessertes Verhandlungsumfeld zu schaffen. Gleichzeitig werden lokale Friedensinitiativen unterstützt.

Im Irak ist die Stabilisierung und der Wiederaufbau der vom IS befreiten Gebiete im Zentralirak ein primäres Ziel. Hierdurch soll die Legitimität staatlicher Strukturen in den befreiten Gebieten gestärkt und eine Politik der nationalen Versöhnung der irakischen Regierung angeregt und unterstützt werden. Darüber hinaus ist die Bundesregierung in vom IS befreiten Gebieten über einen ungebundenen Finanzkredit i. H. v. 500 Mio. Euro im Bereich Stabilisierung unterstützend tätig. Im Rahmen entwicklungspolitischer Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung die Stabilisierung aufnehmender Gemeinden und Unterstützung von Binnenvertriebenen und syrischen Flüchtlingen, um Bleibeperspektiven vor Ort zu schaffen. Langfristig soll im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ein Beitrag zu nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung, guter Regierungsführung und Versöhnungs- und Dialogmechanismen in einem gesamtirakischen Ansatz geleistet werden, um die strukturellen Ursachen von Flucht wirksam mindern zu können.

Syrien, Irak und die Flüchtlingsaufnahmeländer in der Region bleiben weiterhin Schwerpunkt der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung. Bei der Syrien-Konferenz in London im Februar 2016 hat die Bundesregierung mit 2,3 Mrd. Euro für den Zeitraum 2016 bis 2019 die größte bilaterale Zusage für Hilfsmaßnahmen und strukturbildende Unterstützung in Syrien und den Nachbarländern abgegeben.

Um Bleibeperspektiven vor Ort zu schaffen, wurde im Rahmen der Syrien-Konferenz die "Beschäftigungsinitative Syrienkrise/Cash-for-Work" ins Leben gerufen mit dem Ziel, 50.000 neue Jobs in der Region zu schaffen. Seit Beginn des Krieges in Syrien beläuft sich die Unterstützung der Bundesregierung auf 2,47 Mrd. Euro, davon 1,24 Mrd. Euro humanitäre Hilfe und 1,1 Mrd. Euro mittel- und langfristige Übergangshilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Im Irak hat die Bundesregierung seit 2014 ca. 591 Mio. Euro bereitgestellt, davon ca. 435 Mio. Euro Entwicklungszusammenarbeit, und ist damit einer der größten Geber.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Wellenreuther

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