Frage an Ingo Wellenreuther von Peter S.
Sehr geehrter Herr Wellenreuther,
mich würde Ihre persönliche Begründung zur Ablehnung des Anti-Korruptionsgesetzes interessieren, welchem Sie als einer von drei Abgeordneten des Deutschen Bundestages widersprochen haben.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Ströhmer
Sehr geehrter Herr Ströhmer,
vielen Dank für Ihren Beitrag zum Thema Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung, welchen ich gerne beantworte.
Der Gesetzentwurf eines Strafrechtänderungsgesetzes zur Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung zielt darauf ab, einen Straftatbestand zu schaffen, der "strafwürdige korruptive Verhaltensweisen von und gegenüber Mandatsträgern" erfasst. Bisher macht sich in Deutschland nur strafbar, wer als Mandatsträger seine Stimme bei Wahlen und Abstimmungen im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes verkauft. Dies genügte den Vorgaben der Übereinkommen (z.B. dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption) nicht. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode gab es mehrere Versuche, den Sachverhalt gesetzlich klarer zu regeln. Eine entsprechende Novelle ist dann allerdings stets an nicht ausgereiften Formulierungsvorschlägen gescheitert.
Und hier ist für mich auch der entscheidende Punkt zu finden, warum ich bei der besagten Abstimmung im Deutschen Bundestag mit Enthaltung gestimmt habe (und nicht, wie Sie es beschreiben, mit "Ablehnung"). Der Gesetzentwurf drückt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Abgeordneten aus und erzeugt dabei ein Verfolgungsklima mit ungewissem Ausgang. Zudem stellt er eine Gefahr für das freie Mandat durch die Möglichkeit einer politischer Instrumentalisierung dar. Vor allem enthält der im Gesetz verankerte "Tatbestand" (und um diesen geht es insbesondere) unbestimmte Rechtsbegriffe: zum Beispiel "ungerechtfertigter Vorteil bei Wahrnehmung des Mandats", "eine Handlung im Auftrag/Weisung". Dadurch wird nebenbei die Schwelle für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sehr niedrig angesetzt. Der Teufel steckt dementsprechend sprichwörtlich im Detail. Die Betroffenen müssen klar erkennen, was erlaubt ist und was nicht. Eine Reform ist daher nur sinnvoll, wenn Parlamentarier genau wissen, wann sie sich strafbar machen und wann nicht. Es muss absolute Klarheit herrschen.
Zudem ist es überdies originäre Aufgabe für Abgeordnete, Interessen zu vertreten. Eine Einladung eines Verbandes beispielsweise darf nicht dazu führen, dass Bundestagsabgeordnete gleich ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Es darf nicht sein, dass mit strafrechtlichen Mitteln moralische Standards aufgestellt werden.
Der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung hat für mich dementsprechend keine 100% ausreichende Ausgestaltung gefunden, welche einerseits unlauteres und strafwürdiges Verhalten erfasst und andererseits den Grundsatz eines freien Mandats und den Besonderheiten des politischen Prozesses Rechnung trägt.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Wellenreuther