Frage an Ingo Wellenreuther von Markus P. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Wellenreuther,
am 19. Juli entschied der Bundestag, die Beschneidung aus religiösen Gründen bei Jungen zuzulassen, selbst wenn keine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Aus folgenden Gründen kann ich dies nicht nachvollziehen. Vielleicht können Sie dazu Stellung nehmen?
* die körperliche Unversehrtheit des Kindes wird verletzt. Dieser Eingriff ist auch mit Schmerzen bzw. Unanehmlichkeiten verbunden. Eine erzieherische "Ohrfeige" ist jedoch verboten! Verhältnismäßigkeit
* die Religionsfreiheit des Kindes wird verletzt. Denn ihm wird aus religiösen Gründen ein mehr oder weniger sichtbares Zeichen dieser Religion aufgeprägt. Wie würde es z.B. bewertet werden, wenn den Kindern ein Kreuz tätowiert wird?
* es erfolgt ein Eingriff in die Sexualität des Kindes, da es den Geschlechtsverkehr anders empfinden wird.
* wo ist der Unterschied zur Beschneidung bei Mädchen? Auch dies wird ja mit der Religion begründet? Ist nun Art. 3 GG verletzt? Oder werden wir auch deren Beschneidung erlauben?
Mit freundlichem Gruß
M. Pietrek
Sehr geehrter Herr Pietrek,
vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich Ihnen gerne antworte.
Genau genommen hat der Bundestag mit großer Mehrheit und Stimmen aus allen Fraktionen des Bundestags Folgendes beschlossen: "Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im Herbst 2012 unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist."
Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mein Kollege Dr. Krings MdB, hat in der Debatte meines Erachtens zu Recht darauf hingewiesen, dass mit dem Beschluss das Ritual der Beschneidung weder inhaltlich befürwortet noch dafür geworben werden soll - denn einem derartigen Akt kann man mit guten Gründen sehr skeptisch gegenüber stehen; auch Sie führen dazu einige Punkte an -, dass aber die gesellschaftliche und innerreligiöse Debatte über die Beschneidung nicht unter dem Damoklesschwert der Strafandrohung stattfinden soll, gerade weil hier elementare Bestandteile von Religionsausübungen betroffen sind. Ich begrüße es, dass das Gerichtsurteil und der Beschluss des Bundestags nun zu Diskussionen über dieses Thema führt und ich würde es sehr befürworten, wenn die betroffenen Religionsgemeinschaften diese Debatte selbst fördern und die aufkommenden Fragen aufnehmen würden.
Unabhängig davon halte ich es für sehr sinnvoll, wenn dieses Ritual ausschließlich von einem Arzt vorgenommen werden darf und unter Ausschluss von Schmerzen für das Kind (Maßnahmen der Anästhesie).
Eines ist aber ganz eindeutig: Von dem Beschluss des Bundestags zu Beschneidungen ist die Genitalverstümmelung von Mädchen strikt zu trennen, diese bleibt zweifelsfrei nach wie vor zur Recht strafbar. Die vorsätzliche sexuelle Verstümmelung von Frauen ist ein barbarischer Akt, der meist mit starken Schmerzen und schweren körperlichen und psychischen Schäden verbunden ist, und den ich daher ganz klar verurteile.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Wellenreuther MdB