Frage an Ingo Schmitt von Sascha H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schmitt,
Demokratie heißt Volksherrschaft, an die EU hingegen werden immer mehr Souveränitätsrechte abgegeben und die Währungen zugunsten des Euro zusammengelegt, ohne die Bürger zu beteiligen. Warum darf ich als Bürger über so wichtige Fragen, die die Souveränität meines Landes und damit meine Rechte betreffen, nicht mitentscheiden? Mir gehts um zwei Punkte:
1. Fakt ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung den Euro nicht wollte und dass von immer mehr Wohlstand gesprochen wird, obwohl die breite Bevölkerung unter zunehmendem wirtschaftlichen Druck immer weniger davon sieht.
Auf der einen Seite spricht man von Konzepten, wie man mit den Härten der Globalisierung begegnen will, auf der anderen Seite macht man immer neue Abkommen zur Internationalisierung der Märkte. Muss man nicht die Globalisierung selbst hinterfragen und auf vernünftige Alternativen hinarbeiten? Zunehmende Technik kann kein Argument sein, denn auch früher wurden Bananen und Kaffee quer über den Globus verschifft.
2. In den USA warnen z.B. der ehemalige designierte republikanische Präsidentschaftskandidat Ron Paul, weitere Politiker und Journalisten offen vor dem gleichen Vorgehen, das man früher als unseriöse "Verschwörungstheorien" abgetan hat (Belege: Ron Paul: http://de.youtube.com/watch?v=Cq-j-bAGhEw , http://de.youtube.com/watch?v=_ccxQRaLIOM , http://de.youtube.com/watch?v=lcFYC5LrpuI , Lou Dobbs/CNN: http://de.youtube.com/watch?v=ESdn-l6rito&feature=related ). Führende Persönlichkeiten warnen (siehe Belge) davor, dass nach der NAFTA die Nordamerikanische Community (Termin: 2010, vergleichbar mit der EG) nur ein Schritt der Regierung ist, die USA in eine "Nordamerikanische Union" übergehen zu lassen, ebenfalls, OHNE die Bevölkerung miteinzubeziehen.
Warum werden so wichtige und grundlegende Entscheidungen von oben "durchgedrückt" und die Entscheidungen der Bevölkerung vorenthalten?
Sehr geehrter Herr Hillschmidt,
für Ihre Frage bedanke ich mich und nehme hierzu Stellung wie folgt.
Ich gebe Ihnen Recht, dass zwischenzeitlich sehr viele Entscheidungen, die die Bundesrepublik Deutschland angehen, in Brüssel getroffen werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die von Ihnen angesprochenen Souveränitätsrechte. Deutschland war und ist ein souveräner Staat, der eigenständig beschließt über alle Fragen, die unser Gemeinwesen in seinem Kern betreffen.
Vielmehr sind der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament für bestimmte Sachgebiete Rechtsetzungskompetenzen übertragen worden, weil die Staats- und Regierungschefs der vormals 15, heute 27 Mitgliedstaaten in diesen Bereichen europaweit einheitliche Regelungen schaffen wollten. So ist es beispielsweise Europa zu verdanken, heute für weit unter 100,- Euro von Berlin nach Spanien fliegen zu können. Ebenso wären die gefallenen Telefon-Tarife ohne ein Aufbrechen der Monopole nicht denkbar. Für Lebensmittel gelten mittlerweile in Italien, Frankreich, Polen oder Griechenland die gleichen Qualitätsanforderungen wie in Deutschland. Daneben möchte ich darauf hinweisen, dass zahlreiche Infrastrukturprojekte in Berlin wie den östlichen Bundesländern überhaupt nicht zu realisieren gewesen wären ohne die Bereitstellung europäischer Fördermittel.
Dies sind nur einige Beispiele für die vielen Vorteile, die wir aus unserer EU-Mitgliedschaft ziehen, ohne dabei jedoch unsere Souveränität aufgegeben zu haben.
Hinsichtlich der Einführung des Euro kenne ich nicht die Zahlen, die eine Mehrheit von Gegnern der neuen Währung belegen. Blickt man mit einer nunmehr fast siebenjährigen Erfahrung zurück auf die damalige Diskussion, erkennt man jedoch, dass sich die geäußerten Befürchtungen nicht bewahrheitet haben. Der Euro ist heute genauso stabil wie die Deutsche Mark. Der wirtschaftliche Druck auf die Menschen, den Sie ansprechen, wird nicht durch das neue Geld erzeugt. Die Gründe hierfür liegen tatsächlich in der Finanz- und Wirtschaftskrise, die allerdings nur der Endpunkt einer langen Entwicklung ist. In diesem Zusammenhang gebe ich Ihnen Recht, dass man selbstverständlich die Globalisierung hinterfragen muss. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits vor einigen Jahren gefordert, verbindliche Regeln für eine sich grundlegend verändernde Wirtschaftswelt zu schaffen. Nicht die Globalisierung ist das Problem, sondern die Spielregeln, die wir uns hierfür geben. Der Finanzgipfel der G20 Mitte November war ein erster Meilenstein in dieser Richtung. Endlich hat sich die Erkenntnis in den Nationalstaaten durchgesetzt, dass die eigenen Interessen mit denen der anderen verquickt sind und über Landesgrenzen hinwegreichen.
Zu Ihrer Frage nach direkter Mitentscheidung durch die Bürger kann ich Ihnen nur antworten, dass dies momentan nicht möglich ist, weil Volksentscheide im Grundgesetz nicht vorgesehen sind. Selbstverständlich kann man darüber nachdenken, dieses Instrument für bestimmte Fragen, die die Interessen Deutschlands berühren, einzuführen. Die Diskussion ist ja auch in vollem Gange. Ich persönlich bin jedoch skeptisch. Zum einen sind wir in den fast sechzig Jahren Bundesrepublik gut gefahren mit der repräsentativen Demokratie. Zum anderen sollten wir vor dem Hintergrund unserer Geschichte mit zwei Diktaturen vorsichtig sein, weil die Möglichkeit für Plebiszite auch die Gefahr birgt, Populisten und Demagogen wie beispielsweise Herrn Lafontaine Tür und Tor zu öffnen. Denken Sie an die Einführung der D-Mark oder die Gründung der Bundeswehr. Die Mehrheit der Bevölkerung war damals dagegen. Heute sind wir froh, uns auf unsere Soldaten verlassen zu können.
Zu den Diskussionen innerhalb der USA um eine Nordamerikanische Union steht mir als Mitglied des Deutschen Bundestages kein Urteil zu. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich jedoch nur sagen, dass das Beispiel der EU ganz sicher nachahmungswürdig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Schmitt, MdB