Frage an Ingo Schmitt von Kemal Y. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Abend Herrn Ingo Schmitt. Meine Frage an sie lautet,warum stimmen sie für den Einsatz von Soldaten in Afghanistan? Was hat für Vorteile für die Bundesrepublik Deutschland?
Sehr geehrter Herr Yüksel,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 18. September 2009.
Sie haben Recht, dass ich am 2. Juli 2009 dem Einsatz von Soldaten in Afghanistan zugestimmt habe. Ich möchte Ihnen auch gern erklären warum und somit Ihre zwei Fragen beantworten:
Aufgrund der weitreichenden Verquickung zwischen der Taliban-Regierung und Al-Qaida wurde den USA in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 vom UN-Sicherheitsrat das Recht auf Selbstverteidigung zuerkannt. Der folgende Einsatz amerikanisch geführter Streitkräfte in Afghanistan hatte den Sturz der Taliban zur Folge. Seither engagieren sich verschiedene Nationen im Land in dem Bestreben, den Terrorismus zurückzudrängen und rechtsstaatliche Strukturen zu etablieren. Dieses ist im unmittelbaren Interesse der deutschen Sicherheitspolitik, da auch die Bundesrepublik vom internationalen Terrorismus bedroht ist, wie aktuelle Beispiele immer wieder zeigen. Die Bundeswehr ist durch einen Beschluss des Parlaments seit dem 22. Dezember 2001 (BT-Drucksache: 14/7930 und Verlängerungen) am ISAF-Einsatz (International Security Assistance Force) in Afghanistan beteiligt. Das übergreifende Ziel des Einsatzes ist es, die afghanischen Behörden in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Stabilität in ihrem Land zu sorgen.
Ich habe dem Einsatz zugestimmt, da dieser auch unserem Schutz dient. Der Prozess gegen die sogenannte "Sauerland"-Gruppe zeigt: Es gibt direkte Verbindungen zwischen Al-Qaida/Taliban und Terroristen in Deutschland und damit eine unmittelbare Gefahr für unsere Sicherheit. Die Terroristen von Al-Qaida und Taliban sind nicht irregeleitete Idealisten, die durch Dialog von ihrem Weg abgebracht werden könnten. Sie sind entschlossene Fanatiker, die wieder ihre Gewaltherrschaft errichten wollen. Ein einseitiger Rückzug der Bundeswehr würde nur den Terroristen in die Hände spielen. Er würde die Gefahr für Deutschland nicht verringern, sondern im Gegenteil: Die Terroristen würden sich dadurch nur ermutigt fühlen, Anschläge gegen unser Land durchzuführen. Ein einseitiger Rückzug würde auch den ISAF-Einsatz untergraben. Damit würden wir unsere NATO-Partner, die mit ihrem Einsatz auch zu unserer Sicherheit beitragen, im Stich lassen. Nur wenn Afghanistan stabiler wird und die Menschen dort vom Wiederaufbau des Landes profitieren können, wird die afghanische Regierung sich gegen die Terroristen durchsetzen können. Der Bundeswehreinsatz und die Wiederaufbauhilfe dienen deshalb auch unseren Sicherheitsinteressen. Ich denke, dass damit auch Ihre zweite Frage beantwortet ist.
Letztlich möchte ich Ihnen zudem noch einen kleinen Überblick darüber geben, wozu unsere fortlaufenden Bemühungen in Afghanistan geführt haben. So wurden die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit durch die Verabschiedung der Verfassung und verschiedener Gesetze auf ein in Afghanistan bisher unbekanntes Niveau gehoben. In der Verfassung werden z.B. Frauen und Männer gleichgestellt, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen haben Verfassungsrang und traditionelle Formen der Unterdrückung sind verboten worden. Darüber hinaus hat die afghanische Regierung im Jahr 2008 zunehmend Eigenverantwortung im Wiederaufbauprozess übernommen und eine auf fünf Jahre angelegte Nationale Entwicklungsstrategie (ANDS, Afghanistan National Development Strategy) vorgestellt. Befördert wird die positive Entwicklung durch den voranschreitenden Aufbau von staatlichen Institutionen und Fachkräften. Hieraus resultieren beispielsweise Erfolge im Bildungssektor (fast 75% aller Jungen und 35% aller Mädchen gehen inzwischen zur Schule) und im Gesundheitsbereich (85% der Bevölkerung haben jetzt Zugang zu medizinischer Basisversorgung). Auch die Zahl nationaler Entwicklungsprogramme wie das National Solidarity Programme, welches bereits über 20.000 Projekte erfolgreich beendet hat und aktuell 18.000 weitere betreibt, ist weiter ansteigend. Darüber hinaus engagieren sich 21.000 gewählte Gemeinderäte speziell im Bereich Entwicklung. Ein Rückzug der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt würde lediglich dazu führen, alle Fortschritte, die bisher gemacht worden sind, in Frage zu stellen.
Ich hoffe, Ihnen mit vorstehenden Erläuterungen weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ingo Schmitt, MdB