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Ingo Schmitt
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Frage von Christoph L. •

Frage an Ingo Schmitt von Christoph L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schmitt,

gestatten Sie mir bitte ein paar einfache Gedanken zum Thema Informationelle Selbstbestimmung.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gibt dem Buerger die Moeglichkeit, in die ueber ihn gespeicherten personenbezogenen Daten Einsicht zu nehmen, ihre Loeschung zu erwirken oder sie noetigenfalls zu korrigieren. Durch die Speicherung der Kommunikationsverkehrsdaten, eine Digitalisierung aller Kommunikationsvorgaenge, die Aufnahme von Fingerabdruecken in Reisepaesse wie auch eine
geplante Speicherung von Flugdaten per Gesetz werden jedem Buerger seine Grundrechte auf Kommunikationsdaten, identifizierende sowie lokalisierende Daten entzogen.

Das macht den Buerger glaesern. Er kann jederzeit beobachtet werden, kann aber weder wissen vom wem, noch von wo, wann, oder warum. Er hat keine Kontrolle ueber die Verwendung seiner Daten und auch nicht auf die Kritierien, nach denen sie durchsucht werden. Er kann damit weder bestimmen noch ueberpruefen, auf welchen potenziellen Listen er verzeichnet ist, und die sich daraus ergebenden Folgen kalkulieren. Sind die Daten einmal erhoben, koennen sie jederzeit, auch in der Zukunft, verwendet werden.

Dies verlangt vom Buerger nicht nur konformes Verhalten bezueglich heute gueltiger, sondern auch zukuenftig erlassener, und damit von diesem ebensowenig kalkulierbarer Gesetze. Wenn der Buerger die Folgen seines Handelns nicht abschaetzen kann, wie definiert sich fuer diesen dann Freiheit?

Da es sich bei den gespeicherten Daten um aeusserst sensible Daten mit hohem Missbrauchspotenzial handelt, betrachte ich die derzeitige Entwicklung mit grosser Sorge. Ich sehe meine Freiheit durch den Entzug des Grundrechtes auf genannte Daten staerker gefaehrdet als durch eine abstrakte Bedrohung seitens terroristischer Vereinigungen. In welcher Form setzen Sie sich als Abgeordneter meines Wahlkreises fuer meine Freiheitsinteressen ein?

Mit freundlichen Gruessen

Christoph Liebetruth

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Sehr geehrter Herr Liebetruth,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de. Ich möchte hierzu wie folgt Stellung nehmen:

Das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung hat eine große Bedeutung und ich kann es verstehen, wenn Sie sich in Ihrem Recht eingeschränkt fühlen. Jedoch vertrete ich diesbezüglich eine andere Meinung. Die gesetzliche Zulassung der Speicherung von Kommunikationsverkehrsdaten bedeutet keinesfalls den Entzug des Grundrechts auf informelle Selbstbestimmung.

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Deutsche Bundestag am 09. November 2007 den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung angenommen. Damit hat der Bundestag ein langes und gründlich vorbereitetes Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Mit dem neuen Gesetz wird der gesamte Bereich der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in der Strafprozessordnung verfassungskonform neu geordnet. Dem in der öffentlichen Diskussion vielfältig erweckten Eindruck, aufgrund dieser Neuregelung könne nunmehr jeder voraussetzungslos von staatlichen Stellen abgehört werden, muss entschieden widersprochen werden. Grundvoraussetzung für die Anordnung von Telefonüberwachungs-maßnahmen ist nach wie vor, dass ein durch Tatsachen begründeter Verdacht für eine schwere Straftat vorliegt.

Die Vorratsdatenspeicherung stellt nach meiner Überzeugung keine Gefahr für die Freiheit, sondern vielmehr einen Gewinn für die Sicherheit in unserem Land dar. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung umfasst klare rechtsstaatliche Regelungen: Die Verbindungsdaten werden nicht bei staatlichen Stellen sondern nur bei den entsprechenden Unternehmen gespeichert. In der Diskussion über die Speicherung von Kommunikationsdaten wird vielfach übersehen, dass bereits nach der bisherigen Rechtslage die meisten Daten - auch für mehrere Monate - zu Abrechnungszwecken gespeichert werden, jedoch uneinheitlich was Art und Weise betrifft. Genau dies wird mit dem Gesetz geregelt.

Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter "Flatratetarife", bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden. Horrorszenarien vom gläsernen Bürger entsprechen insofern also in keiner Weise der Realität. Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld.

Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ich bin mir bewusst, dass im Rahmen von Vorratsdatenspeicherungen in die Grundrechte des im Einzelfall Betroffenen eingegriffen wird. Jedoch werden Grundrechte nicht uneingeschränkt gewährleistet. Der Schutzbereich, den die Grundrechte garantieren, kann dann eingeschränkt werden, wenn dies zur Verfolgung wichtiger Allgemeinwohlbelange erforderlich und angemessen, also verhältnismäßig, ist. Solche Allgemeinwohlbelange sind zum Beispiel der Schutz der Bevölkerung vor Terrorismus und damit einhergehend die Möglichkeit, effektiv bestimmte Kriminalitätsbereiche mit Strafen zu sanktionieren.

Gerade die Ereignisse in London, Glasgow und in Deutschland haben uns erneut gezeigt, dass auch wir einer sehr realen terroristischen Bedrohung ausgesetzt sind. Angesichts dieser Gefahrenlage bin ich fest davon überzeugt, dass wir es den Bürgerinnen und Bürgern schulden, alle verfassungsrechtlich vertretbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um verheerende Terroranschläge in unserem Land zu verhindern.

Ich hoffe, dass ich Ihrem Anliegen mit den obigen Ausführungen hinreichend gerecht werden konnte und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ingo Schmitt, MdB